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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Mensch und Technik

räumen zum Himmel; zu immer tieferen Lagerstätten des schwarzen Diamanten
müssen mir hinabsteigen, immer schwieriger und künstlicher werden die Verfahren
zur Abbohrung der Schächte, zur Haltung der Grubenwasser, zum Schutz von
Leben und Gesundheit der Grubenarbeiter. In einer nicht allzufernen Zukunft
droht die Erschöpfung der Vorräte. Auf dreihundert Jahre höchstens schätzt
man noch die Förderungsdauer der englischen Kohlengruben, auf etwa das
Dreifache die der deutschen. Wir sind also England in Hinsicht auf den
Kohlenvorrat überlegen; der englische Vorsprung beruht hinwiederum auf
der Güte seiner Kohlen und auf der Lage der Gruben in Meeresnähe.
Sind die europäischen Kohlenvorräte erschöpft, so rücken ungeheure Lagerstätten
im chinesischen Reich in den Vordergrund; man hat mit Recht noch vor wenigen
Jahrzehnten Betrachtungen darüber anstellen können, ob nicht deshalb in einem
Jahrtausend China das Zentrum der Weltindustrie sein werde. Der menschliche
Erfindungsgeist ist aber allen Befürchtungen vorausgeeilt; der schwarze Diamant
wird entthront werden, ehe er erschöpft ist. Seit wir mittels der Elektrizität
die Kräfte von jedem Gewinnungsort an beliebige Stellen leiten können, seitdem
wir in ihr auch das Mittel zur Verwandlung von Kraft in Wärme haben,
können wir uns frei machen von der Bindung an die Kohle; einen Ersatz geben
uns die Wasserkräfte, die von den Bergen zu Tal drängen, und die Kräfte, die
in Flut und Ebbe an unseren Küsten branden.

Viel bedenklicher steht es um die Vorräte an Eisenerz. Zwar haben wir
auch darin allein in Europa mit Sicherheit noch einen Spielraum von hundert
bis zweihundert Jahren und in anderen Teilen der Welt noch mehr; aber es
sind sowohl an sich die Vorräte nicht mit denen an Kohlen vergleichbar, noch
sehen wir schon klar den Weg, den wir nach Erschöpfung der Eisenerze zu gehen
haben. Immerhin eröffnen sich auch hier Ausblicke, die eine eigentliche Be¬
fürchtung nicht aufkommen lassen; es braucht z. B. nur daran erinnert zu
werden, wie die Verwendung des Zements berufen ist, das Eisen in vielen
seiner bisherigen Anwendungen zu ersetzen; es kommt auch in Betracht, daß
eines Tages der Ausbau der Eisenbahnen im wesentlichen seinen Abschluß
gefunden haben wird.

Noch mehr bedroht als der Vorrat an Eisen und noch schwerer ersetzbar
ist der an Holz. Hier wird es der ganzen Energie der Menschheit bedürfen,
einen genügenden Bestand zu erhalten; aber auch hier wird schon jetzt daran
gearbeitet, das Holz in vielen seiner Verwendungsgebiete dnrch andere Stoffe
zu ersetzen.

Neben das Holz treten als wichtigste Rohstoffe der Erdoberfläche die
Faserstoffe, Baumwolle voran. Seit dreitausend Jahren ist ihre Verarbeitung
der Menschheit bekannt, nach Europa ist sie erst vor wenigen Menschenaltern
gedrungen, hat sich aber so unentbehrlich gemacht, daß wir Europäer ihretwegen
in Tributpflichtigkeit zu Amerika geraten sind, das zwei Drittel aller Baumwolle
erzeugt. Deutschland zahlt 400 Millionen Mark jährlich für Baumwolle an


Mensch und Technik

räumen zum Himmel; zu immer tieferen Lagerstätten des schwarzen Diamanten
müssen mir hinabsteigen, immer schwieriger und künstlicher werden die Verfahren
zur Abbohrung der Schächte, zur Haltung der Grubenwasser, zum Schutz von
Leben und Gesundheit der Grubenarbeiter. In einer nicht allzufernen Zukunft
droht die Erschöpfung der Vorräte. Auf dreihundert Jahre höchstens schätzt
man noch die Förderungsdauer der englischen Kohlengruben, auf etwa das
Dreifache die der deutschen. Wir sind also England in Hinsicht auf den
Kohlenvorrat überlegen; der englische Vorsprung beruht hinwiederum auf
der Güte seiner Kohlen und auf der Lage der Gruben in Meeresnähe.
Sind die europäischen Kohlenvorräte erschöpft, so rücken ungeheure Lagerstätten
im chinesischen Reich in den Vordergrund; man hat mit Recht noch vor wenigen
Jahrzehnten Betrachtungen darüber anstellen können, ob nicht deshalb in einem
Jahrtausend China das Zentrum der Weltindustrie sein werde. Der menschliche
Erfindungsgeist ist aber allen Befürchtungen vorausgeeilt; der schwarze Diamant
wird entthront werden, ehe er erschöpft ist. Seit wir mittels der Elektrizität
die Kräfte von jedem Gewinnungsort an beliebige Stellen leiten können, seitdem
wir in ihr auch das Mittel zur Verwandlung von Kraft in Wärme haben,
können wir uns frei machen von der Bindung an die Kohle; einen Ersatz geben
uns die Wasserkräfte, die von den Bergen zu Tal drängen, und die Kräfte, die
in Flut und Ebbe an unseren Küsten branden.

Viel bedenklicher steht es um die Vorräte an Eisenerz. Zwar haben wir
auch darin allein in Europa mit Sicherheit noch einen Spielraum von hundert
bis zweihundert Jahren und in anderen Teilen der Welt noch mehr; aber es
sind sowohl an sich die Vorräte nicht mit denen an Kohlen vergleichbar, noch
sehen wir schon klar den Weg, den wir nach Erschöpfung der Eisenerze zu gehen
haben. Immerhin eröffnen sich auch hier Ausblicke, die eine eigentliche Be¬
fürchtung nicht aufkommen lassen; es braucht z. B. nur daran erinnert zu
werden, wie die Verwendung des Zements berufen ist, das Eisen in vielen
seiner bisherigen Anwendungen zu ersetzen; es kommt auch in Betracht, daß
eines Tages der Ausbau der Eisenbahnen im wesentlichen seinen Abschluß
gefunden haben wird.

Noch mehr bedroht als der Vorrat an Eisen und noch schwerer ersetzbar
ist der an Holz. Hier wird es der ganzen Energie der Menschheit bedürfen,
einen genügenden Bestand zu erhalten; aber auch hier wird schon jetzt daran
gearbeitet, das Holz in vielen seiner Verwendungsgebiete dnrch andere Stoffe
zu ersetzen.

Neben das Holz treten als wichtigste Rohstoffe der Erdoberfläche die
Faserstoffe, Baumwolle voran. Seit dreitausend Jahren ist ihre Verarbeitung
der Menschheit bekannt, nach Europa ist sie erst vor wenigen Menschenaltern
gedrungen, hat sich aber so unentbehrlich gemacht, daß wir Europäer ihretwegen
in Tributpflichtigkeit zu Amerika geraten sind, das zwei Drittel aller Baumwolle
erzeugt. Deutschland zahlt 400 Millionen Mark jährlich für Baumwolle an


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[0284] Mensch und Technik räumen zum Himmel; zu immer tieferen Lagerstätten des schwarzen Diamanten müssen mir hinabsteigen, immer schwieriger und künstlicher werden die Verfahren zur Abbohrung der Schächte, zur Haltung der Grubenwasser, zum Schutz von Leben und Gesundheit der Grubenarbeiter. In einer nicht allzufernen Zukunft droht die Erschöpfung der Vorräte. Auf dreihundert Jahre höchstens schätzt man noch die Förderungsdauer der englischen Kohlengruben, auf etwa das Dreifache die der deutschen. Wir sind also England in Hinsicht auf den Kohlenvorrat überlegen; der englische Vorsprung beruht hinwiederum auf der Güte seiner Kohlen und auf der Lage der Gruben in Meeresnähe. Sind die europäischen Kohlenvorräte erschöpft, so rücken ungeheure Lagerstätten im chinesischen Reich in den Vordergrund; man hat mit Recht noch vor wenigen Jahrzehnten Betrachtungen darüber anstellen können, ob nicht deshalb in einem Jahrtausend China das Zentrum der Weltindustrie sein werde. Der menschliche Erfindungsgeist ist aber allen Befürchtungen vorausgeeilt; der schwarze Diamant wird entthront werden, ehe er erschöpft ist. Seit wir mittels der Elektrizität die Kräfte von jedem Gewinnungsort an beliebige Stellen leiten können, seitdem wir in ihr auch das Mittel zur Verwandlung von Kraft in Wärme haben, können wir uns frei machen von der Bindung an die Kohle; einen Ersatz geben uns die Wasserkräfte, die von den Bergen zu Tal drängen, und die Kräfte, die in Flut und Ebbe an unseren Küsten branden. Viel bedenklicher steht es um die Vorräte an Eisenerz. Zwar haben wir auch darin allein in Europa mit Sicherheit noch einen Spielraum von hundert bis zweihundert Jahren und in anderen Teilen der Welt noch mehr; aber es sind sowohl an sich die Vorräte nicht mit denen an Kohlen vergleichbar, noch sehen wir schon klar den Weg, den wir nach Erschöpfung der Eisenerze zu gehen haben. Immerhin eröffnen sich auch hier Ausblicke, die eine eigentliche Be¬ fürchtung nicht aufkommen lassen; es braucht z. B. nur daran erinnert zu werden, wie die Verwendung des Zements berufen ist, das Eisen in vielen seiner bisherigen Anwendungen zu ersetzen; es kommt auch in Betracht, daß eines Tages der Ausbau der Eisenbahnen im wesentlichen seinen Abschluß gefunden haben wird. Noch mehr bedroht als der Vorrat an Eisen und noch schwerer ersetzbar ist der an Holz. Hier wird es der ganzen Energie der Menschheit bedürfen, einen genügenden Bestand zu erhalten; aber auch hier wird schon jetzt daran gearbeitet, das Holz in vielen seiner Verwendungsgebiete dnrch andere Stoffe zu ersetzen. Neben das Holz treten als wichtigste Rohstoffe der Erdoberfläche die Faserstoffe, Baumwolle voran. Seit dreitausend Jahren ist ihre Verarbeitung der Menschheit bekannt, nach Europa ist sie erst vor wenigen Menschenaltern gedrungen, hat sich aber so unentbehrlich gemacht, daß wir Europäer ihretwegen in Tributpflichtigkeit zu Amerika geraten sind, das zwei Drittel aller Baumwolle erzeugt. Deutschland zahlt 400 Millionen Mark jährlich für Baumwolle an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/284>, abgerufen am 15.01.2025.