Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Kinderanswandernng ans England tausend Acres, Nauwigewak in der Nähe von Se. John zu sehr günstigen Auch fehlen für die Übersendung der unter dem Armengesetz stehenden Mrs. Closes Gedanken sind in allerjüngster Zeit von Mr. Fairbridge, Mit neuen Ideen und größerer Intensität scheint neuerdings auch die ") In Frankreich machte bereits um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein Ubbo Landmann den Versuch der Gründung von ?srmLS öeoles in Algier, und in den achtziger Jahren erregten die Versuche des Departements de la Seine Aufsehen, die mit der Aus¬ wanderung armenrechtlich unterstützter Kinder nach Algier gemacht wurden. Die kindlichen Auswanderer kamen auf die Ferne-Ecole Benchicau und in das Dorf Bassoni. Beide Unter¬ nehmen scheiterten an der Unzweckmäßigkeit ihrer Verwaltung. Grenzboten IV 1912 34
Kinderanswandernng ans England tausend Acres, Nauwigewak in der Nähe von Se. John zu sehr günstigen Auch fehlen für die Übersendung der unter dem Armengesetz stehenden Mrs. Closes Gedanken sind in allerjüngster Zeit von Mr. Fairbridge, Mit neuen Ideen und größerer Intensität scheint neuerdings auch die ") In Frankreich machte bereits um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein Ubbo Landmann den Versuch der Gründung von ?srmLS öeoles in Algier, und in den achtziger Jahren erregten die Versuche des Departements de la Seine Aufsehen, die mit der Aus¬ wanderung armenrechtlich unterstützter Kinder nach Algier gemacht wurden. Die kindlichen Auswanderer kamen auf die Ferne-Ecole Benchicau und in das Dorf Bassoni. Beide Unter¬ nehmen scheiterten an der Unzweckmäßigkeit ihrer Verwaltung. Grenzboten IV 1912 34
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0272" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322674"/> <fw type="header" place="top"> Kinderanswandernng ans England</fw><lb/> <p xml:id="ID_1245" prev="#ID_1244"> tausend Acres, Nauwigewak in der Nähe von Se. John zu sehr günstigen<lb/> Bedingungen überlassen, um ihren „Anschauungsunterricht" zu geben, d. h. die<lb/> praktische Durchführbarkeit ihrer Ideen zu beweisen. Im Jahre 1908 wurden<lb/> fünfzehn dürftige elende Kinder, Knaben und Mädchen im Alter von sieben bis<lb/> zwölf Jahren, auf die Farm gebracht, die landwirtschaftlich von einem kana¬<lb/> dischen Inspektor, hauswirtschaftlich und erzieherisch von zwei englischen Damen<lb/> geleitet wird. Die Kinder sind gut gediehen und das Experiment kann durchaus<lb/> als geglückt gelten. Trotzdem macht die „Farmschool-Emigration-Association",<lb/> an deren Spitze Mrs. Close steht, keine Fortschritte. Das größte Hindernis<lb/> liegt wohl in dem Kostenpunkt. Die jährlichen Unkosten für ein Kind in der<lb/> Farmschule betragen 15 Pfund, sind also geringer als in einer englischen<lb/> Poorlawschool, wo mit einer jährlichen Ausgabe von 24 bis 32 Pfund pro<lb/> Kind gerechnet wird, aber erheblich größer als bei dem üblichen Auswanderungs»<lb/> verfahren, wo Aussteuer, Ausreise und Inspektion die einzigen Unkosten sind,<lb/> und eine einmalige Summe von 12 bis 15 Pfund das Kind für alle Zu¬<lb/> kunft versorgt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1246"> Auch fehlen für die Übersendung der unter dem Armengesetz stehenden<lb/> Kinder, der sogenannten Poorlawkinder, auf die Mrs. Close in erster Linie rechnet,<lb/> die gesetzlichen Grundlagen. Die Armenbehörden sind wohl befugt, aus den<lb/> Armensteuern Mittel zu verwenden, die Kinder bei ihrer Entlassung im Leben<lb/> unterzubringen, nicht aber jährlich regelmäßige Erziehungsgelder außerhalb<lb/> Englands fließen zu lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1247"> Mrs. Closes Gedanken sind in allerjüngster Zeit von Mr. Fairbridge,<lb/> einem Oxfmder Rhodes-Stipendiaten, für Australien aufgenommen worden. Auf<lb/> seine Anregung wurde eine neue „Ehild-Emigration-Society" gegründet. Diese<lb/> Oxforder Ideen unterscheiden sich nur sehr wenig von den Grundsätzen, die<lb/> Mrs. Close leiteten — eigentlich nur darin, daß ein Rückfluß nach England ganz<lb/> wegfällt und die Anstalten nicht in erster Linie für schwächliche Kleinkinder<lb/> bestimmt sein sollen. Sowohl Mrs. Close als auch Mr. Fairbridge wollen aber<lb/> Kolonien von Kinderfarmen") zu zwölf bis zwanzig Poorlawkinder ins Leben<lb/> rufen, deren Zöglinge erst in verdienstfähigem Alter auf die Farmer einheimischer<lb/> Besitzer kommen oder je nachdem auch einen anderen Beruf ergreifen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1248"> Mit neuen Ideen und größerer Intensität scheint neuerdings auch die<lb/> Heilsarmee die Kinderauswanderung betreiben zu wollen. Sie macht zu dem<lb/> Zweck großartige Propaganda in England, ohne aber über ihre Organisations¬<lb/> absichten näheren Aufschluß zu geben.</p><lb/> <note xml:id="FID_21" place="foot"> ") In Frankreich machte bereits um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein Ubbo<lb/> Landmann den Versuch der Gründung von ?srmLS öeoles in Algier, und in den achtziger<lb/> Jahren erregten die Versuche des Departements de la Seine Aufsehen, die mit der Aus¬<lb/> wanderung armenrechtlich unterstützter Kinder nach Algier gemacht wurden. Die kindlichen<lb/> Auswanderer kamen auf die Ferne-Ecole Benchicau und in das Dorf Bassoni. Beide Unter¬<lb/> nehmen scheiterten an der Unzweckmäßigkeit ihrer Verwaltung.</note><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1912 34</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0272]
Kinderanswandernng ans England
tausend Acres, Nauwigewak in der Nähe von Se. John zu sehr günstigen
Bedingungen überlassen, um ihren „Anschauungsunterricht" zu geben, d. h. die
praktische Durchführbarkeit ihrer Ideen zu beweisen. Im Jahre 1908 wurden
fünfzehn dürftige elende Kinder, Knaben und Mädchen im Alter von sieben bis
zwölf Jahren, auf die Farm gebracht, die landwirtschaftlich von einem kana¬
dischen Inspektor, hauswirtschaftlich und erzieherisch von zwei englischen Damen
geleitet wird. Die Kinder sind gut gediehen und das Experiment kann durchaus
als geglückt gelten. Trotzdem macht die „Farmschool-Emigration-Association",
an deren Spitze Mrs. Close steht, keine Fortschritte. Das größte Hindernis
liegt wohl in dem Kostenpunkt. Die jährlichen Unkosten für ein Kind in der
Farmschule betragen 15 Pfund, sind also geringer als in einer englischen
Poorlawschool, wo mit einer jährlichen Ausgabe von 24 bis 32 Pfund pro
Kind gerechnet wird, aber erheblich größer als bei dem üblichen Auswanderungs»
verfahren, wo Aussteuer, Ausreise und Inspektion die einzigen Unkosten sind,
und eine einmalige Summe von 12 bis 15 Pfund das Kind für alle Zu¬
kunft versorgt.
Auch fehlen für die Übersendung der unter dem Armengesetz stehenden
Kinder, der sogenannten Poorlawkinder, auf die Mrs. Close in erster Linie rechnet,
die gesetzlichen Grundlagen. Die Armenbehörden sind wohl befugt, aus den
Armensteuern Mittel zu verwenden, die Kinder bei ihrer Entlassung im Leben
unterzubringen, nicht aber jährlich regelmäßige Erziehungsgelder außerhalb
Englands fließen zu lassen.
Mrs. Closes Gedanken sind in allerjüngster Zeit von Mr. Fairbridge,
einem Oxfmder Rhodes-Stipendiaten, für Australien aufgenommen worden. Auf
seine Anregung wurde eine neue „Ehild-Emigration-Society" gegründet. Diese
Oxforder Ideen unterscheiden sich nur sehr wenig von den Grundsätzen, die
Mrs. Close leiteten — eigentlich nur darin, daß ein Rückfluß nach England ganz
wegfällt und die Anstalten nicht in erster Linie für schwächliche Kleinkinder
bestimmt sein sollen. Sowohl Mrs. Close als auch Mr. Fairbridge wollen aber
Kolonien von Kinderfarmen") zu zwölf bis zwanzig Poorlawkinder ins Leben
rufen, deren Zöglinge erst in verdienstfähigem Alter auf die Farmer einheimischer
Besitzer kommen oder je nachdem auch einen anderen Beruf ergreifen können.
Mit neuen Ideen und größerer Intensität scheint neuerdings auch die
Heilsarmee die Kinderauswanderung betreiben zu wollen. Sie macht zu dem
Zweck großartige Propaganda in England, ohne aber über ihre Organisations¬
absichten näheren Aufschluß zu geben.
") In Frankreich machte bereits um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein Ubbo
Landmann den Versuch der Gründung von ?srmLS öeoles in Algier, und in den achtziger
Jahren erregten die Versuche des Departements de la Seine Aufsehen, die mit der Aus¬
wanderung armenrechtlich unterstützter Kinder nach Algier gemacht wurden. Die kindlichen
Auswanderer kamen auf die Ferne-Ecole Benchicau und in das Dorf Bassoni. Beide Unter¬
nehmen scheiterten an der Unzweckmäßigkeit ihrer Verwaltung.
Grenzboten IV 1912 34
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