Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Uindcrauswanderung aus England Die Aufmerksamkeit nichtphilantropischer Kreise nimmt die Organisation Für alle diese Vereine (mit Ausnahme der Oxforder Farmschool-Association) Mit wachsendem Eifer bemühen sich immer mehr Vereine, das weib¬ *) Birkhamstead-Farm.
Uindcrauswanderung aus England Die Aufmerksamkeit nichtphilantropischer Kreise nimmt die Organisation Für alle diese Vereine (mit Ausnahme der Oxforder Farmschool-Association) Mit wachsendem Eifer bemühen sich immer mehr Vereine, das weib¬ *) Birkhamstead-Farm.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0273" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322675"/> <fw type="header" place="top"> Uindcrauswanderung aus England</fw><lb/> <p xml:id="ID_1249"> Die Aufmerksamkeit nichtphilantropischer Kreise nimmt die Organisation<lb/> einer Kolonialfarm in England und einer Lehrfarm in Kanada in Anspruch,<lb/> die nicht für arme Kinder, sondern für Zöglinge höherer Schulen gedacht sind.<lb/> Knaben, die sich zum Farmerleben hingezogen fühlen, können ihre Gefühle auf<lb/> einer englischen Farm in der Praxis kritisch prüfen, ehe sie den immerhin kühnen<lb/> Schritt nach Kanada machen. Haben sie die sechswöchentliche Probezeit in<lb/> England erfolgreich bestanden, so finden sie auf einer Farm im Westen Kanadas<lb/> bei Calaaru*) Gelegenheit, rationelle kanadische Landwirtschaft während der<lb/> guten Jahreszeit zu erlernen und während des Winters eine der vorzüglichen<lb/> landwirtschaftlichen Hochschulen Kanadas zu besuchen. Das Verfahren ist jeden¬<lb/> falls kostspieliger als das rein praktische Arbeiten als Farmgehilfe auf einer<lb/> beliebigen Farm, ob es viel besser ist, bleibt dahingestellt. Von Wert ist wohl<lb/> in erster Linie der Halt und die guten Ratschläge sachverständiger Leiter, die<lb/> für junge Leute im Anfange ihres kolonialen Farmerlebens nicht hoch genug<lb/> eingeschätzt werden können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1250"> Für alle diese Vereine (mit Ausnahme der Oxforder Farmschool-Association)<lb/> kommt als Einwanderungsland nur Kanada in Betracht, wenn auch Barnardo<lb/> und einige andere Vereine, die nicht nur Kinder, sondern auch Jugendliche<lb/> emigrieren gelegentlich einige ihrer Schutzbefohlenen in Neuseeland, in Australien<lb/> oder Südafrika untergebracht haben. Neuerdings scheint es allerdings, als ob<lb/> Australien als Einwanderungsland mehr in den Vordergrund träte. Nicht nur,<lb/> daß dem Gründer der Oxforder Farmschool-Association, Fairbridge, ein 1000<lb/> Hektar großes Gut zu seinen Versuchen von der australischen Regierung über¬<lb/> lassen wurde, auch ein anderes Unternehmen für jugendliche Auswanderung, die<lb/> „Junior Imperial Migration"-Gesellschaft, an deren Spitze ein Mr. Sidgwick<lb/> steht, ist völlig unter australischer Protektion. Die Gesellschaft beabsichtigt junge<lb/> Burschen aus den großen Städten auf Farmer Neuseelands und Australiens<lb/> unterzubringen. Bis jetzt ist ein Trupp von fünfzig Burschen nach Neuseeland<lb/> zu demi ermäßigten Überfahrtspreis von je 200 Mark emigriert worden. Über<lb/> beide Unternehmungen kann hier nicht mehr als die Tatsache berichtet werden,<lb/> da wegen der Neuheit beider Organisationen Resultate noch nicht vorhanden sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1251" next="#ID_1252"> Mit wachsendem Eifer bemühen sich immer mehr Vereine, das weib¬<lb/> liche Geschlecht zur Auswanderung zu ermutigen und darin zu unterstützen.<lb/> Ihre Auswanderer sind ja nicht alle jugendlichen Alters, doch bilden junge<lb/> Mädchen einen großen Prozentsatz ihrer Schutzbefohlenen, die sie in einem Heim<lb/> in London oder in Liverpool versammeln, über das Wasser geleiten, drüben<lb/> in einem kanadischen Heim empfangen und denen sie in zuverlässiger Weise zu Brot<lb/> und Beruf verhelfen. Die Aoung Womens Christian-Association und die Englisch<lb/> Womens-Emigration-Association sowie die South-African-Emigration-Association,<lb/> die sich ausschließlich Erleichterung und Vermehrung der weiblichen Auswanderung</p><lb/> <note xml:id="FID_22" place="foot"> *) Birkhamstead-Farm.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0273]
Uindcrauswanderung aus England
Die Aufmerksamkeit nichtphilantropischer Kreise nimmt die Organisation
einer Kolonialfarm in England und einer Lehrfarm in Kanada in Anspruch,
die nicht für arme Kinder, sondern für Zöglinge höherer Schulen gedacht sind.
Knaben, die sich zum Farmerleben hingezogen fühlen, können ihre Gefühle auf
einer englischen Farm in der Praxis kritisch prüfen, ehe sie den immerhin kühnen
Schritt nach Kanada machen. Haben sie die sechswöchentliche Probezeit in
England erfolgreich bestanden, so finden sie auf einer Farm im Westen Kanadas
bei Calaaru*) Gelegenheit, rationelle kanadische Landwirtschaft während der
guten Jahreszeit zu erlernen und während des Winters eine der vorzüglichen
landwirtschaftlichen Hochschulen Kanadas zu besuchen. Das Verfahren ist jeden¬
falls kostspieliger als das rein praktische Arbeiten als Farmgehilfe auf einer
beliebigen Farm, ob es viel besser ist, bleibt dahingestellt. Von Wert ist wohl
in erster Linie der Halt und die guten Ratschläge sachverständiger Leiter, die
für junge Leute im Anfange ihres kolonialen Farmerlebens nicht hoch genug
eingeschätzt werden können.
Für alle diese Vereine (mit Ausnahme der Oxforder Farmschool-Association)
kommt als Einwanderungsland nur Kanada in Betracht, wenn auch Barnardo
und einige andere Vereine, die nicht nur Kinder, sondern auch Jugendliche
emigrieren gelegentlich einige ihrer Schutzbefohlenen in Neuseeland, in Australien
oder Südafrika untergebracht haben. Neuerdings scheint es allerdings, als ob
Australien als Einwanderungsland mehr in den Vordergrund träte. Nicht nur,
daß dem Gründer der Oxforder Farmschool-Association, Fairbridge, ein 1000
Hektar großes Gut zu seinen Versuchen von der australischen Regierung über¬
lassen wurde, auch ein anderes Unternehmen für jugendliche Auswanderung, die
„Junior Imperial Migration"-Gesellschaft, an deren Spitze ein Mr. Sidgwick
steht, ist völlig unter australischer Protektion. Die Gesellschaft beabsichtigt junge
Burschen aus den großen Städten auf Farmer Neuseelands und Australiens
unterzubringen. Bis jetzt ist ein Trupp von fünfzig Burschen nach Neuseeland
zu demi ermäßigten Überfahrtspreis von je 200 Mark emigriert worden. Über
beide Unternehmungen kann hier nicht mehr als die Tatsache berichtet werden,
da wegen der Neuheit beider Organisationen Resultate noch nicht vorhanden sind.
Mit wachsendem Eifer bemühen sich immer mehr Vereine, das weib¬
liche Geschlecht zur Auswanderung zu ermutigen und darin zu unterstützen.
Ihre Auswanderer sind ja nicht alle jugendlichen Alters, doch bilden junge
Mädchen einen großen Prozentsatz ihrer Schutzbefohlenen, die sie in einem Heim
in London oder in Liverpool versammeln, über das Wasser geleiten, drüben
in einem kanadischen Heim empfangen und denen sie in zuverlässiger Weise zu Brot
und Beruf verhelfen. Die Aoung Womens Christian-Association und die Englisch
Womens-Emigration-Association sowie die South-African-Emigration-Association,
die sich ausschließlich Erleichterung und Vermehrung der weiblichen Auswanderung
*) Birkhamstead-Farm.
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