Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Reichsspiogel der Krieg gegen die Warnungen der Dreibundmächte doch ausgebrochen Reichs-Petroleummonopol Die Frage, ob die Schaffung eines Reichs-Petroleum-Handelsmonopols Grenzboten IV 1912 SS
Reichsspiogel der Krieg gegen die Warnungen der Dreibundmächte doch ausgebrochen Reichs-Petroleummonopol Die Frage, ob die Schaffung eines Reichs-Petroleum-Handelsmonopols Grenzboten IV 1912 SS
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Reichsspiogel
der Krieg gegen die Warnungen der Dreibundmächte doch ausgebrochen
ist, wäre es schade an das vergossene Blut, wenn er vor reinlicher Fest¬
stellung der wirklichen Kräfteverhältnisse in einer Konferenz versumpfen sollte.
Leidet auch im Augenblick unser Orienthandel, so dürfen wir solches doch in
Kauf nehmen im Hinblick auf die Vorteile, die sich sür uns aus der Herstellung
kl <s. Li. arer unzweideutiger Verhältnisse auf dem Balkan ergeben müssen.
Reichs-Petroleummonopol
Die Frage, ob die Schaffung eines Reichs-Petroleum-Handelsmonopols
zweckmäßig sei, hat nicht nur die Regierung, sondern auch die zunächst inter¬
essierten kaufmännischen Kreise seit dem Tage eingehend beschäftigt, an dem der
Reichstag den bekannten nationalliberalen Antrag Bassermann, Dr. Stresemann
und Genossen annahm, durch den die Regierung aufgefordert wurde, sich die
Bestrebungen der Standard Oil Co., die zirka 80 Prozent des deutschen Bedarfs
an Petroleum deckt, näher anzusehen. Das Ergebnis der Erhebungen
der Regierung stimmt nicht ganz mit dem Ergebnis der Erwägungen
der kaufmännischen Kreise überein. Während die Regierung das Bedürfnis
nach Schaffung jenes Monopols bejaht, haben sehr namhafte amtliche Handels¬
vertretungen es entschieden verneint. Allerdings waren die meisten Handels¬
kammern sich darüber einig, daß die heutige Versorgung Deutschlands mit
Petroleum keineswegs ideal sei und daß, falls es der Standard Oil Co. ge¬
lingen würde, ihre Konkurrenz an die Wand zu drücken, die Petroleumpreise
zum Schaden vieler Millionen Konsumenten ins Ungemessene steigen könnten.
Wenn viele Handelskammern trotz dieser Erkenntnis das Reichsmonopol ab¬
lehnten, so geschah es, weil sie annahmen, daß erstens durch dasselbe die
gegenwärtigen Zustände wenig geändert würden, da das Reich auch bei Vor¬
handensein des Monopols von der Standard Oil Co. abhängig bliebe, und
daß zweitens die nicht zu unterschätzende Gefahr bestehe, das Reich könne in
schweren Zeiten das Monopol im fiskalischen Sinne ausnutzen, sich durch das
Monopol neue Einnahmequellen erschließen und gerade die weniger bemittelten
Klassen, die wichtigsten Verbraucher des Leuchtöls, mit einer finanziell äußerst
wirksamen neuen Verbrauchsabgabe belasten. Unter noch manchen anderen
Argumenten sind diese beiden die wesentlichsten, regelmäßig wiederkehrenden in
den Äußerungen der Handelskammern. Die Regierung sucht sie zu widerlegen,
indem sie erklärt, die von ihr vorgenommenen Erhebungen hätten ergeben, daß
es nicht unerreichbar erscheine, sich durch geeignete Verträge die für Deutschland
erforderlichen Ölmengen zum größten Teil ohne Inanspruchnahme der Standard
Oil Co. zu sichern. Das ist eine zwar erfreuliche, aber außerordentlich vor¬
sichtig formulierte Erklärung. Wer bürgt für das Zustandekommen „geeigneter"
Verträge? Was heißt „zum größten Teil"? — Der Befürchtung einer fiskalischen
Ausnutzung des Monopols sucht die Regierung durch die Erklärung zu begegnen,
daß sie unter keinen Umständen eine neue Verbrauchsabgabe schaffen wolle.
Grenzboten IV 1912 SS
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