Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Am Ban der deutschen Zukunft sammenarbeitend nach einem bestimmten Ziel, der freiwilligen Unterordnung Gerade hier wäre erst in höherem Maße als dies bei Breysig geschieht, Auch der Staat ist ein Träger des Mechanischen, weil er mit seinen Ver¬ Bei der Anwendung von Breysigs Gedanken auf den Staat wird der auf dein Am Ban der deutschen Zukunft sammenarbeitend nach einem bestimmten Ziel, der freiwilligen Unterordnung Gerade hier wäre erst in höherem Maße als dies bei Breysig geschieht, Auch der Staat ist ein Träger des Mechanischen, weil er mit seinen Ver¬ Bei der Anwendung von Breysigs Gedanken auf den Staat wird der auf dein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0118" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322520"/> <fw type="header" place="top"> Am Ban der deutschen Zukunft</fw><lb/> <p xml:id="ID_476" prev="#ID_475"> sammenarbeitend nach einem bestimmten Ziel, der freiwilligen Unterordnung<lb/> unter den überlegenen Führermenschen und der menschlichen Fürsorge dieses<lb/> pflichtbewußten Oberen für seine Untergebenen, kurz statt des mechanischen ein<lb/> organischer Zusammenhalt aller Mitarbeiter eines Unternehmens, in der In¬<lb/> dustrie, in der Landwirtschaft, im Handelshaus — das ist das Ideal, dem<lb/> Breysig zustrebt.</p><lb/> <p xml:id="ID_477"> Gerade hier wäre erst in höherem Maße als dies bei Breysig geschieht,<lb/> auf eine der Wurzeln der Mechanisierung hinzuweisen. Ich meine die Diffusion<lb/> aller Bevölkerungselemente, hervorgerufen durch eine schrankenlose Freizügigkeit,<lb/> die alle persönlichen Beziehungen leicht und schnell aufhebt, alle Stammes¬<lb/> eigentümlichkeiten verschiebt. Persönliches Wirken der Führer ist doch nur<lb/> möglich, wenn der Führer die Gefährten einzeln oder doch ihrer Gesamt¬<lb/> physiognomie nach kennt. Die letztere, die physische und psychische Beschaffenheit<lb/> des Ganzen verändert sich nun aber vou Tag zu Tag oder doch von Jahr zu<lb/> Jahr z. B. für jeden Landwirt des Westens, für jeden Chef einer Fabrik oder<lb/> eines großen Kaufhauses, für jeden Schuldirektor in einer Großstadt. Und<lb/> die da wandern, Arbeiter, Kaufleute, Beamte, sie alle nebst ihren Kindern, sie<lb/> wollen das, was sie verlassen haben, möglichst ähnlich wieder vorfinden, sie<lb/> können und wollen nicht neben der neuen Anpassung an sonstige veränderte<lb/> Verhältnisse auch noch der persönlichen Führerschaft einer ausgesprochenen In¬<lb/> dividualität sich anbequemen. Sie suchen vielmehr das Schema. Das Fluk¬<lb/> tuieren der Bevölkerung wirkt somit der Arbeitsgemeinschaft entgegen, und die<lb/> bisherige Atomisierung der Arbeit fördert wieder die Abwanderung von einer<lb/> Arbeitsstätte zur anderen. Es wird daher, will man Breysigs Ideal der Ver¬<lb/> wirklichung entgegenführen, eine Einwurzelung der Bevölkerung an ihrer Stelle<lb/> erstrebt werden müssen. Dazu bedarf es aber einer inneren Wandlung in den<lb/> Massen zu deren Durchsetzung ich noch keinen Weg sehe.</p><lb/> <p xml:id="ID_478"> Auch der Staat ist ein Träger des Mechanischen, weil er mit seinen Ver¬<lb/> ordnungen oft ohne Berührung mit dem Lebendigen, vom grünen Tische aus<lb/> wirkt. Es ist nun merkwürdig und mutet an ideologische Weltfremdheit an,<lb/> wenn der Staat bei Breysig wie ein nur derzeit noch erforderlicher Notbehelf<lb/> angesehen wird, so lange notwendig, bis die Menschen gelernt haben, sich ohne<lb/> fremde Zügelung zu ertragen. Auch Kriege werden, so meint unser Autor von<lb/> derselben Perspektive beeinflußt, verschwinden; die langsam absteigende Kurve<lb/> der Kricgsneigung bei den europäischen Völkern scheint ihm dafür Beweis genug.<lb/> Wie aber, wenn diese Erscheinung nur ein Symptom des Alterns, der wachsenden<lb/> Willensschwäche unserer Völkergesellschaft bedeutete! Spricht doch Breysig selbst<lb/> von der kläglichen Todesfurcht, die der Kulturmensch in sich großziehtI</p><lb/> <p xml:id="ID_479" next="#ID_480"> Bei der Anwendung von Breysigs Gedanken auf den Staat wird der auf dein<lb/> mechanischen Prinzip und auf der Annahme einer Gleichwertigkett aller Menschen<lb/> für das Volks- und Staatsganze beruhende Parlamentarismus natürlich nach<lb/> Möglichkeit beiseite geschoben werden müssen. Dafür wird der Schwerpunkt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0118]
Am Ban der deutschen Zukunft
sammenarbeitend nach einem bestimmten Ziel, der freiwilligen Unterordnung
unter den überlegenen Führermenschen und der menschlichen Fürsorge dieses
pflichtbewußten Oberen für seine Untergebenen, kurz statt des mechanischen ein
organischer Zusammenhalt aller Mitarbeiter eines Unternehmens, in der In¬
dustrie, in der Landwirtschaft, im Handelshaus — das ist das Ideal, dem
Breysig zustrebt.
Gerade hier wäre erst in höherem Maße als dies bei Breysig geschieht,
auf eine der Wurzeln der Mechanisierung hinzuweisen. Ich meine die Diffusion
aller Bevölkerungselemente, hervorgerufen durch eine schrankenlose Freizügigkeit,
die alle persönlichen Beziehungen leicht und schnell aufhebt, alle Stammes¬
eigentümlichkeiten verschiebt. Persönliches Wirken der Führer ist doch nur
möglich, wenn der Führer die Gefährten einzeln oder doch ihrer Gesamt¬
physiognomie nach kennt. Die letztere, die physische und psychische Beschaffenheit
des Ganzen verändert sich nun aber vou Tag zu Tag oder doch von Jahr zu
Jahr z. B. für jeden Landwirt des Westens, für jeden Chef einer Fabrik oder
eines großen Kaufhauses, für jeden Schuldirektor in einer Großstadt. Und
die da wandern, Arbeiter, Kaufleute, Beamte, sie alle nebst ihren Kindern, sie
wollen das, was sie verlassen haben, möglichst ähnlich wieder vorfinden, sie
können und wollen nicht neben der neuen Anpassung an sonstige veränderte
Verhältnisse auch noch der persönlichen Führerschaft einer ausgesprochenen In¬
dividualität sich anbequemen. Sie suchen vielmehr das Schema. Das Fluk¬
tuieren der Bevölkerung wirkt somit der Arbeitsgemeinschaft entgegen, und die
bisherige Atomisierung der Arbeit fördert wieder die Abwanderung von einer
Arbeitsstätte zur anderen. Es wird daher, will man Breysigs Ideal der Ver¬
wirklichung entgegenführen, eine Einwurzelung der Bevölkerung an ihrer Stelle
erstrebt werden müssen. Dazu bedarf es aber einer inneren Wandlung in den
Massen zu deren Durchsetzung ich noch keinen Weg sehe.
Auch der Staat ist ein Träger des Mechanischen, weil er mit seinen Ver¬
ordnungen oft ohne Berührung mit dem Lebendigen, vom grünen Tische aus
wirkt. Es ist nun merkwürdig und mutet an ideologische Weltfremdheit an,
wenn der Staat bei Breysig wie ein nur derzeit noch erforderlicher Notbehelf
angesehen wird, so lange notwendig, bis die Menschen gelernt haben, sich ohne
fremde Zügelung zu ertragen. Auch Kriege werden, so meint unser Autor von
derselben Perspektive beeinflußt, verschwinden; die langsam absteigende Kurve
der Kricgsneigung bei den europäischen Völkern scheint ihm dafür Beweis genug.
Wie aber, wenn diese Erscheinung nur ein Symptom des Alterns, der wachsenden
Willensschwäche unserer Völkergesellschaft bedeutete! Spricht doch Breysig selbst
von der kläglichen Todesfurcht, die der Kulturmensch in sich großziehtI
Bei der Anwendung von Breysigs Gedanken auf den Staat wird der auf dein
mechanischen Prinzip und auf der Annahme einer Gleichwertigkett aller Menschen
für das Volks- und Staatsganze beruhende Parlamentarismus natürlich nach
Möglichkeit beiseite geschoben werden müssen. Dafür wird der Schwerpunkt
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