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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Die Blumen dos Florentin Kiep

wir wollen in die Laube gehen und uns da um den Hals fallen wie es keiner
zu sehen braucht, und wir wollen uns nachher bereden um die Hochzeit und
was sonst noch ist."

Aber Wieschen war doch verschreckt. "Laß man," sagte sie zitternd vor
Lebensangst, wie eine Blume im bösen Winde. Er hatte es noch keiner von
seinen Blumen so angetan wie jetzt dem Wieschen. Hatte ihr Bild im Herzen
gehütet und mit sich herumgetragen wie ein Sträußlein Sonntags an der Brust.
Brauchte ihr nur die Hand hinzuhalten und ihr zu sagen: "Komm, wir gehen
nun zusammen --" und sie wäre stark an seiner Seite gewesen. Aber vor dem
Heißen, Wilden hatte sie Angst.

"Wenn du weiter so sein willst wie du jetzt bist, dann magste denken, es
sei aus zwischen dir und mir und dich danach frei fühlen," sagte sie noch. Der
Ton ihrer Stimme wuchs und wurde groß wie das Mädchen selber. Sie stand
auf und ging um Bank und Tisch von ihm weg, weil sie wußte, sie würde
beides nicht für ein Leben mit ihm teilen können, so wie er ihr heute fremd
und anders geworden war.

"Hoch halte ich mich und ehrlich bleibe ich auch vor mir selber, so lange
ich einen Atem habet" Sie stand, die Hand gegen ihn gestreckt, wie schwörend.

Der Florentin, wie ihm ein Aufbrausen kam in seinem heißen Blut,
bezwang sich nur schwer und lachte spöttisch. "Was du sagst. Ist auch nicht
viel mehr, als faßte man auf einen Kleiderstock, wenn man dich hat."

"Hast es Tag um Tag gesehen und hättest es eher wissen können," ant¬
wortete Wieschen, indem sie die Hand sinken ließ und wie gedemütigt an ihrer
Gestalt niedersah.

Es ging dem Florentin nun doch ans Herz, wie sie sich so mit gebückter
Haltung von ihm abwandte, und etwas wie Reue und Schüchternheit überkam
ihn. "Na, Mädchen," rief er ihr zögernd hinüber.

Wieschen blickte ihn noch einmal an. "Ja?" fragte sie, um ihn nicht
ganz zu verweisen; doch es klang so müßig hingeworfen, daß es nicht zu viel
neuer Rede aufforderte.

Er kam dennoch von der anderen Seite um den Tisch ihr entgegen. "Ich
habe dir noch diese Blume schenken wollen," sagte er scheu. "Ein Topfgeranium,
es ist ein spätes und hat Knospen die Menge. Sieh, es kann halten bis in
den Herbst. Magst es auch haben, jetzt?"

Wieschen zuckte die Achseln, ließ sich die Blume aber auf die linke Hand
setzen und trug sie, den Topf an die Brust gelegt.

"Und ist es ein rotes Geranium?" fragte sie.

"Ein rotes, ja," nickte der Florentin.

"Verkennste dich auch nicht? Verkennste dich nie in so einer Blume, wenn
sie die Blüte noch nicht auf hat?" .

"Nee wast" Er lachte und hatte sein glücklichstes Gesicht, weil das Wort
um seine Blumen ging. Sie reichten sich dann wie versöhnt die Hände, aber


Die Blumen dos Florentin Kiep

wir wollen in die Laube gehen und uns da um den Hals fallen wie es keiner
zu sehen braucht, und wir wollen uns nachher bereden um die Hochzeit und
was sonst noch ist."

Aber Wieschen war doch verschreckt. „Laß man," sagte sie zitternd vor
Lebensangst, wie eine Blume im bösen Winde. Er hatte es noch keiner von
seinen Blumen so angetan wie jetzt dem Wieschen. Hatte ihr Bild im Herzen
gehütet und mit sich herumgetragen wie ein Sträußlein Sonntags an der Brust.
Brauchte ihr nur die Hand hinzuhalten und ihr zu sagen: „Komm, wir gehen
nun zusammen —" und sie wäre stark an seiner Seite gewesen. Aber vor dem
Heißen, Wilden hatte sie Angst.

„Wenn du weiter so sein willst wie du jetzt bist, dann magste denken, es
sei aus zwischen dir und mir und dich danach frei fühlen," sagte sie noch. Der
Ton ihrer Stimme wuchs und wurde groß wie das Mädchen selber. Sie stand
auf und ging um Bank und Tisch von ihm weg, weil sie wußte, sie würde
beides nicht für ein Leben mit ihm teilen können, so wie er ihr heute fremd
und anders geworden war.

„Hoch halte ich mich und ehrlich bleibe ich auch vor mir selber, so lange
ich einen Atem habet" Sie stand, die Hand gegen ihn gestreckt, wie schwörend.

Der Florentin, wie ihm ein Aufbrausen kam in seinem heißen Blut,
bezwang sich nur schwer und lachte spöttisch. „Was du sagst. Ist auch nicht
viel mehr, als faßte man auf einen Kleiderstock, wenn man dich hat."

„Hast es Tag um Tag gesehen und hättest es eher wissen können," ant¬
wortete Wieschen, indem sie die Hand sinken ließ und wie gedemütigt an ihrer
Gestalt niedersah.

Es ging dem Florentin nun doch ans Herz, wie sie sich so mit gebückter
Haltung von ihm abwandte, und etwas wie Reue und Schüchternheit überkam
ihn. „Na, Mädchen," rief er ihr zögernd hinüber.

Wieschen blickte ihn noch einmal an. „Ja?" fragte sie, um ihn nicht
ganz zu verweisen; doch es klang so müßig hingeworfen, daß es nicht zu viel
neuer Rede aufforderte.

Er kam dennoch von der anderen Seite um den Tisch ihr entgegen. „Ich
habe dir noch diese Blume schenken wollen," sagte er scheu. „Ein Topfgeranium,
es ist ein spätes und hat Knospen die Menge. Sieh, es kann halten bis in
den Herbst. Magst es auch haben, jetzt?"

Wieschen zuckte die Achseln, ließ sich die Blume aber auf die linke Hand
setzen und trug sie, den Topf an die Brust gelegt.

„Und ist es ein rotes Geranium?" fragte sie.

„Ein rotes, ja," nickte der Florentin.

„Verkennste dich auch nicht? Verkennste dich nie in so einer Blume, wenn
sie die Blüte noch nicht auf hat?" .

„Nee wast" Er lachte und hatte sein glücklichstes Gesicht, weil das Wort
um seine Blumen ging. Sie reichten sich dann wie versöhnt die Hände, aber


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[0096] Die Blumen dos Florentin Kiep wir wollen in die Laube gehen und uns da um den Hals fallen wie es keiner zu sehen braucht, und wir wollen uns nachher bereden um die Hochzeit und was sonst noch ist." Aber Wieschen war doch verschreckt. „Laß man," sagte sie zitternd vor Lebensangst, wie eine Blume im bösen Winde. Er hatte es noch keiner von seinen Blumen so angetan wie jetzt dem Wieschen. Hatte ihr Bild im Herzen gehütet und mit sich herumgetragen wie ein Sträußlein Sonntags an der Brust. Brauchte ihr nur die Hand hinzuhalten und ihr zu sagen: „Komm, wir gehen nun zusammen —" und sie wäre stark an seiner Seite gewesen. Aber vor dem Heißen, Wilden hatte sie Angst. „Wenn du weiter so sein willst wie du jetzt bist, dann magste denken, es sei aus zwischen dir und mir und dich danach frei fühlen," sagte sie noch. Der Ton ihrer Stimme wuchs und wurde groß wie das Mädchen selber. Sie stand auf und ging um Bank und Tisch von ihm weg, weil sie wußte, sie würde beides nicht für ein Leben mit ihm teilen können, so wie er ihr heute fremd und anders geworden war. „Hoch halte ich mich und ehrlich bleibe ich auch vor mir selber, so lange ich einen Atem habet" Sie stand, die Hand gegen ihn gestreckt, wie schwörend. Der Florentin, wie ihm ein Aufbrausen kam in seinem heißen Blut, bezwang sich nur schwer und lachte spöttisch. „Was du sagst. Ist auch nicht viel mehr, als faßte man auf einen Kleiderstock, wenn man dich hat." „Hast es Tag um Tag gesehen und hättest es eher wissen können," ant¬ wortete Wieschen, indem sie die Hand sinken ließ und wie gedemütigt an ihrer Gestalt niedersah. Es ging dem Florentin nun doch ans Herz, wie sie sich so mit gebückter Haltung von ihm abwandte, und etwas wie Reue und Schüchternheit überkam ihn. „Na, Mädchen," rief er ihr zögernd hinüber. Wieschen blickte ihn noch einmal an. „Ja?" fragte sie, um ihn nicht ganz zu verweisen; doch es klang so müßig hingeworfen, daß es nicht zu viel neuer Rede aufforderte. Er kam dennoch von der anderen Seite um den Tisch ihr entgegen. „Ich habe dir noch diese Blume schenken wollen," sagte er scheu. „Ein Topfgeranium, es ist ein spätes und hat Knospen die Menge. Sieh, es kann halten bis in den Herbst. Magst es auch haben, jetzt?" Wieschen zuckte die Achseln, ließ sich die Blume aber auf die linke Hand setzen und trug sie, den Topf an die Brust gelegt. „Und ist es ein rotes Geranium?" fragte sie. „Ein rotes, ja," nickte der Florentin. „Verkennste dich auch nicht? Verkennste dich nie in so einer Blume, wenn sie die Blüte noch nicht auf hat?" . „Nee wast" Er lachte und hatte sein glücklichstes Gesicht, weil das Wort um seine Blumen ging. Sie reichten sich dann wie versöhnt die Hände, aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/96>, abgerufen am 03.07.2024.