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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Die Blumen des Florentin Uley

Hast. "Ja, Regime! Nicht an das Mädchen selber, nur wie sie ist, muß ich
denken." Er faßte das Wieschen und sprach mit der Gier eines Durstigen.
"Du bist ein Kaltes, wie eine Totenkranzblume bist du. Wenn du wie die
Regime wärst, hab' ich denken müssen, eben und schon eher als du sie genannt
hast. Immer meinst du und wartest, mit einem langen Atem müßt' ich vom
Heiraten reden, und mit einem Sprung kann man doch beieinander sein. Hast
gewartet auf's Wort an manchem Abend, und ich hab' mich verhalten aus
Ärger darum. Jung ist man doch! Man kann's nicht länger in sich verstecken,
und was ist auch dabei, wenn's mal in einem durchkomme."

Er war noch nie so gewesen, es war wie das Wachwerden von aller
Jugend in ihm.

"Komm, Mädchen," sagte er heimlich und heiß. "Kannst nicht einmal
wie die anderen sein? Sei nicht so und komm mit mir, ich will dir sagen
können, was ich meine, will mich ausreden mit dir. Wir wollen in die Laube
gehen, es ist dunkler da, und es sitzt sich besser da eng beieinander."

Er wollte den Schritt leicht und leise nehmen, um das Mädchen hin¬
zubringen, wo es heimlich war, in die Laube hinter den Blumenbüschen.
Aber sie hielt sich so steif in seinen Armen, daß er sie hätte aufnehmen und
tragen müssen, hätte er sie hin haben wollen, wohin er strebte.

"Es braucht nicht dunkel zu sein, wenn wir uns bereden," gab sie ihm
zurück. "Und man braucht nicht enger beieinander zu sein als Hand in Hand,
wenn man in den Brautstand geht."

Es war zum ersten Male, daß eines vor dem anderen einen fremden
Willen hatte.

"Du bist wie verhext," sagte Wieschen. "Mir ist, du wollest sagen und
von mir haben, was nicht recht ist und woran du sonstwie nie gedacht hast."

"Verschweigen habe ich e° schon müssen," antwortete er da, "weil du so
ein Kaltes bist. Aber gedacht hab' ich es darum mehr. Es hat an mir
gefressen, weil ich mich nicht drin habe ausleben können. Ich bin immer innen
anders gewesen als du, aber du mußt werden wie ich, wenn es mit uns
gehen soll."

Und er redete sich aus von dem, was in ihm gewesen war und was er
verschwiegen hatte. Seine Worte fielen von seinen roten Lippen, wie die leichten
Blätter vom blühenden roten Mohn sich lösen, wenn eine heiße Stunde ist und
ein lauer, launiger Wind sich regt. Sie gingen über das Mädchen wie Feuer
über einen Stein, sie fühlte die ganze Glut und brannte doch nicht an. Und
der Florentin sprach weiter.

"Man braucht nicht lose zu sein, wie die andern von uns jungen Leuten.
Man braucht sich aber auch nicht an Draht aufzubinden, wie Kranzblumen.
Man muß. sich schon auf einem ordentlichen Wege weiter bringen, aber man
kann nicht immer just nach der Pattleine gehen. So meine ich es, Mädchen,
.es ist nichts unehrlich dabei, brauchst nicht zu "erschrecken. Komm jetzt mit mir,


Die Blumen des Florentin Uley

Hast. „Ja, Regime! Nicht an das Mädchen selber, nur wie sie ist, muß ich
denken." Er faßte das Wieschen und sprach mit der Gier eines Durstigen.
„Du bist ein Kaltes, wie eine Totenkranzblume bist du. Wenn du wie die
Regime wärst, hab' ich denken müssen, eben und schon eher als du sie genannt
hast. Immer meinst du und wartest, mit einem langen Atem müßt' ich vom
Heiraten reden, und mit einem Sprung kann man doch beieinander sein. Hast
gewartet auf's Wort an manchem Abend, und ich hab' mich verhalten aus
Ärger darum. Jung ist man doch! Man kann's nicht länger in sich verstecken,
und was ist auch dabei, wenn's mal in einem durchkomme."

Er war noch nie so gewesen, es war wie das Wachwerden von aller
Jugend in ihm.

„Komm, Mädchen," sagte er heimlich und heiß. „Kannst nicht einmal
wie die anderen sein? Sei nicht so und komm mit mir, ich will dir sagen
können, was ich meine, will mich ausreden mit dir. Wir wollen in die Laube
gehen, es ist dunkler da, und es sitzt sich besser da eng beieinander."

Er wollte den Schritt leicht und leise nehmen, um das Mädchen hin¬
zubringen, wo es heimlich war, in die Laube hinter den Blumenbüschen.
Aber sie hielt sich so steif in seinen Armen, daß er sie hätte aufnehmen und
tragen müssen, hätte er sie hin haben wollen, wohin er strebte.

„Es braucht nicht dunkel zu sein, wenn wir uns bereden," gab sie ihm
zurück. „Und man braucht nicht enger beieinander zu sein als Hand in Hand,
wenn man in den Brautstand geht."

Es war zum ersten Male, daß eines vor dem anderen einen fremden
Willen hatte.

„Du bist wie verhext," sagte Wieschen. „Mir ist, du wollest sagen und
von mir haben, was nicht recht ist und woran du sonstwie nie gedacht hast."

„Verschweigen habe ich e° schon müssen," antwortete er da, „weil du so
ein Kaltes bist. Aber gedacht hab' ich es darum mehr. Es hat an mir
gefressen, weil ich mich nicht drin habe ausleben können. Ich bin immer innen
anders gewesen als du, aber du mußt werden wie ich, wenn es mit uns
gehen soll."

Und er redete sich aus von dem, was in ihm gewesen war und was er
verschwiegen hatte. Seine Worte fielen von seinen roten Lippen, wie die leichten
Blätter vom blühenden roten Mohn sich lösen, wenn eine heiße Stunde ist und
ein lauer, launiger Wind sich regt. Sie gingen über das Mädchen wie Feuer
über einen Stein, sie fühlte die ganze Glut und brannte doch nicht an. Und
der Florentin sprach weiter.

„Man braucht nicht lose zu sein, wie die andern von uns jungen Leuten.
Man braucht sich aber auch nicht an Draht aufzubinden, wie Kranzblumen.
Man muß. sich schon auf einem ordentlichen Wege weiter bringen, aber man
kann nicht immer just nach der Pattleine gehen. So meine ich es, Mädchen,
.es ist nichts unehrlich dabei, brauchst nicht zu «erschrecken. Komm jetzt mit mir,


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[0095] Die Blumen des Florentin Uley Hast. „Ja, Regime! Nicht an das Mädchen selber, nur wie sie ist, muß ich denken." Er faßte das Wieschen und sprach mit der Gier eines Durstigen. „Du bist ein Kaltes, wie eine Totenkranzblume bist du. Wenn du wie die Regime wärst, hab' ich denken müssen, eben und schon eher als du sie genannt hast. Immer meinst du und wartest, mit einem langen Atem müßt' ich vom Heiraten reden, und mit einem Sprung kann man doch beieinander sein. Hast gewartet auf's Wort an manchem Abend, und ich hab' mich verhalten aus Ärger darum. Jung ist man doch! Man kann's nicht länger in sich verstecken, und was ist auch dabei, wenn's mal in einem durchkomme." Er war noch nie so gewesen, es war wie das Wachwerden von aller Jugend in ihm. „Komm, Mädchen," sagte er heimlich und heiß. „Kannst nicht einmal wie die anderen sein? Sei nicht so und komm mit mir, ich will dir sagen können, was ich meine, will mich ausreden mit dir. Wir wollen in die Laube gehen, es ist dunkler da, und es sitzt sich besser da eng beieinander." Er wollte den Schritt leicht und leise nehmen, um das Mädchen hin¬ zubringen, wo es heimlich war, in die Laube hinter den Blumenbüschen. Aber sie hielt sich so steif in seinen Armen, daß er sie hätte aufnehmen und tragen müssen, hätte er sie hin haben wollen, wohin er strebte. „Es braucht nicht dunkel zu sein, wenn wir uns bereden," gab sie ihm zurück. „Und man braucht nicht enger beieinander zu sein als Hand in Hand, wenn man in den Brautstand geht." Es war zum ersten Male, daß eines vor dem anderen einen fremden Willen hatte. „Du bist wie verhext," sagte Wieschen. „Mir ist, du wollest sagen und von mir haben, was nicht recht ist und woran du sonstwie nie gedacht hast." „Verschweigen habe ich e° schon müssen," antwortete er da, „weil du so ein Kaltes bist. Aber gedacht hab' ich es darum mehr. Es hat an mir gefressen, weil ich mich nicht drin habe ausleben können. Ich bin immer innen anders gewesen als du, aber du mußt werden wie ich, wenn es mit uns gehen soll." Und er redete sich aus von dem, was in ihm gewesen war und was er verschwiegen hatte. Seine Worte fielen von seinen roten Lippen, wie die leichten Blätter vom blühenden roten Mohn sich lösen, wenn eine heiße Stunde ist und ein lauer, launiger Wind sich regt. Sie gingen über das Mädchen wie Feuer über einen Stein, sie fühlte die ganze Glut und brannte doch nicht an. Und der Florentin sprach weiter. „Man braucht nicht lose zu sein, wie die andern von uns jungen Leuten. Man braucht sich aber auch nicht an Draht aufzubinden, wie Kranzblumen. Man muß. sich schon auf einem ordentlichen Wege weiter bringen, aber man kann nicht immer just nach der Pattleine gehen. So meine ich es, Mädchen, .es ist nichts unehrlich dabei, brauchst nicht zu «erschrecken. Komm jetzt mit mir,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/95>, abgerufen am 03.07.2024.