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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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An der Wiege des Königreichs Rumänien

Gewalt noch gar nicht geäußert habe, daß man hierüber erst die Diwans acZ live
und die Kommission zu hören haben würde, kurz, daß das Pariser Kabinett
hierüber für jetzt noch gar keine bestimmte Ansicht ausgesprochen und keine vor¬
gefaßte Idee habe.

Mr. Thourenel ist innerlich ebenso überzeugt als wir, daß wenn die
Vereinigung der Fürstentümer erfolgt, die Regierung derselben füglich nicht
anders als durch einen fremden Erbfürsten möglich sein wird; aber er glaubt,
daß wenn man der Pforte schon jetzt von einem Erbfürsten reden wolle, dies
den Widerstand der letzteren gegen die Vereinigung noch steigern, ja diese
unerreichbar machen werde. Er glaubt, gleich Euer Königlichen Majestät Ge¬
sandten, sich aus den Gesprächen mit den türkischen Autoritäten die Überzeugung
verschafft zu haben, daß die Türkei weniger gegen die Union, als gegen die
Konsequenz derselben -- den fremden Erbfürsten -- ist. Die Vereinigung pure
et simple müßte daher ohne allen Beisatz in den Vordergrund gestellt werden;
es sei möglich, daß nach der Vereinigung noch irgendein Wahlmodus des
Fürsten aus den Bojaren vorläufig beibehalten werde, ein solcher Wahlfürst
werde sich aber sofort selbst ruinieren; es werde sich ergeben, daß mit den neuen
Administrativgrundsätzen ein Bojar beide Länder nicht werde regieren können;
die Überzeugung davon werde bald allgemein werden, und dann werde der
Übergang zum fremden Erbfürsten um so sicherer und fester sein, je unmöglicher
sich die Regierung des Bojaren-Fürsten gezeigt haben werde. Es sei sogar
fraglich, ob nicht, wenn ein fremder Erbfürst sofort, nach Bildung der neuen
Verhältnisse eintrete, das ganze Odium der Unterdrückung der Bojaren-Privilegien
-- Steuerfreiheit usw. -- ihm eine Opposition bereiten werde, deren erste
Stöße auf einen Bojar selbst fallen zu lassen, politischer sei. Jedenfalls würde
nach Begründung der neuen Verhältnisse ein Zustand der Gärung erscheinen,
einer Gärung, aus der dann eben nur ein fremder Erbfürst zu retten imstande
sein werde.

An ein in diesem Falle mögliches Zurückkommen auf die Trennung, welches
General von Wildenbruch und ich alsdann wohl für möglich halten, wollte
Mr. Thourenel nicht glauben.

Euer Königlichen Majestät Gesandter und ich, wir können im allgemeinen
den Gedankengang, von dem man französischerseits ausgeht, mit Rücksicht auf
die Auffassungen der Pforte und Österreichs, nicht für unrichtig halten; wir
glauben ebenfalls, daß wenn man die Idee des fremden Erbfürsten jetzt zu
sehr in Vordergrund schiebt, dieselbe scheitern werde, wir sind der unmaßgeblichen
und alleruntertänigsten Meinung, daß ein vorsichtiges Zurückhalten mehr Chancen
zur Erreichung des Zweckes bieten wird, als ein unbedingtes Auftreten mit der
Forderung des fremden Erbfürsten; allein wir verkennen die Schwierigkeit nicht,
die es haben wird, der Pforte die Ansicht beizubringen, daß die territoriale
Zusammenlegung beider Länder mit der Bildung und Form der obersten Ge¬
walt in denselben vorläufig nicht im nahen Zusammenhange stehe. Die Pforte


An der Wiege des Königreichs Rumänien

Gewalt noch gar nicht geäußert habe, daß man hierüber erst die Diwans acZ live
und die Kommission zu hören haben würde, kurz, daß das Pariser Kabinett
hierüber für jetzt noch gar keine bestimmte Ansicht ausgesprochen und keine vor¬
gefaßte Idee habe.

Mr. Thourenel ist innerlich ebenso überzeugt als wir, daß wenn die
Vereinigung der Fürstentümer erfolgt, die Regierung derselben füglich nicht
anders als durch einen fremden Erbfürsten möglich sein wird; aber er glaubt,
daß wenn man der Pforte schon jetzt von einem Erbfürsten reden wolle, dies
den Widerstand der letzteren gegen die Vereinigung noch steigern, ja diese
unerreichbar machen werde. Er glaubt, gleich Euer Königlichen Majestät Ge¬
sandten, sich aus den Gesprächen mit den türkischen Autoritäten die Überzeugung
verschafft zu haben, daß die Türkei weniger gegen die Union, als gegen die
Konsequenz derselben — den fremden Erbfürsten — ist. Die Vereinigung pure
et simple müßte daher ohne allen Beisatz in den Vordergrund gestellt werden;
es sei möglich, daß nach der Vereinigung noch irgendein Wahlmodus des
Fürsten aus den Bojaren vorläufig beibehalten werde, ein solcher Wahlfürst
werde sich aber sofort selbst ruinieren; es werde sich ergeben, daß mit den neuen
Administrativgrundsätzen ein Bojar beide Länder nicht werde regieren können;
die Überzeugung davon werde bald allgemein werden, und dann werde der
Übergang zum fremden Erbfürsten um so sicherer und fester sein, je unmöglicher
sich die Regierung des Bojaren-Fürsten gezeigt haben werde. Es sei sogar
fraglich, ob nicht, wenn ein fremder Erbfürst sofort, nach Bildung der neuen
Verhältnisse eintrete, das ganze Odium der Unterdrückung der Bojaren-Privilegien
— Steuerfreiheit usw. — ihm eine Opposition bereiten werde, deren erste
Stöße auf einen Bojar selbst fallen zu lassen, politischer sei. Jedenfalls würde
nach Begründung der neuen Verhältnisse ein Zustand der Gärung erscheinen,
einer Gärung, aus der dann eben nur ein fremder Erbfürst zu retten imstande
sein werde.

An ein in diesem Falle mögliches Zurückkommen auf die Trennung, welches
General von Wildenbruch und ich alsdann wohl für möglich halten, wollte
Mr. Thourenel nicht glauben.

Euer Königlichen Majestät Gesandter und ich, wir können im allgemeinen
den Gedankengang, von dem man französischerseits ausgeht, mit Rücksicht auf
die Auffassungen der Pforte und Österreichs, nicht für unrichtig halten; wir
glauben ebenfalls, daß wenn man die Idee des fremden Erbfürsten jetzt zu
sehr in Vordergrund schiebt, dieselbe scheitern werde, wir sind der unmaßgeblichen
und alleruntertänigsten Meinung, daß ein vorsichtiges Zurückhalten mehr Chancen
zur Erreichung des Zweckes bieten wird, als ein unbedingtes Auftreten mit der
Forderung des fremden Erbfürsten; allein wir verkennen die Schwierigkeit nicht,
die es haben wird, der Pforte die Ansicht beizubringen, daß die territoriale
Zusammenlegung beider Länder mit der Bildung und Form der obersten Ge¬
walt in denselben vorläufig nicht im nahen Zusammenhange stehe. Die Pforte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/89>, abgerufen am 03.07.2024.