Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
An der wiege des Königreichs Rumänien

Wendung zu bringen versuchen wollte, so wird die Kommission nichts Gescheutes
und Verständiges zutage fördern können, indessen muß das weitere allererst
abgewartet werden.

In den nächsten Tagen wird Herr von Wildenbruch mich bei den betreffenden
fremden Botschaftern und Gesandten einführen; es wird sich dann vielleicht eine
nähere Ansicht hierüber gewinnen lassen.

Inzwischen hat mir Herr von Wildenbruch auch das bei der Gesandtschaft
befindliche neueste Material über die politische Frage, deren Gegenstand die mir
allergnädigst anvertraute Kommission bildet, zur Einsicht mitgeteilt.

Darunter befindet sich auch eine Kopie der Depesche vom 31. v. M., welche
die Pforte an ihre Repräsentanten in Berlin, Paris, Wien und London gerichtet
hat, um an die dortigen Kabinette übergeben zu werden; ich habe mir erlaubt,
in einem Berichte an Euer Königlichen Majestät Ministerpräsidenten Freiherr
von Manteuffel näher auszuführen, daß die Auffassung, welche die Pforte darin
von ihrem Verhältnis zu den Fürstentümern niederlegt, im Widerspruch ebensowohl
mit den Kapitulationen der letzteren, als mit den jüngsten Stipulationen des Pariser
Friedens steht, und daß, wenn diese Auffassung zur Geltung kommen sollte, diese
weit ab von den Zwecken führen würde, deren Verfolgung Euer Königliche
Majestät mir allergnädigst zur Aufgabe gemacht haben."

Am 12. August wird Richthofen den französischen und englischen Botschaftern
bei der Pforte vorgestellt und berichtet darüber am 13. August.

". . . Mr. Thourenel (der französische Botschafter) empfing uns mit dem
aufrichtigsten Entgegenkommen; er nahm an, daß nach den in Paris im Kongreß
stattgehabten mündlichen Erörterungen darüber kein Zweifel sei, daß zwischen
Preußen und Frankreich hinsichtlich der Donaufürstentümer eine vollkommene
Gleichheit der Ansichten bestehe, und las uns daher den Inhalt aller seiner
neuesten Depeschen vor, die er über diesen Gegenstand an die Regierung des
Kaisers abgestattet hat. . . .

Euer Königliche Majestät haben bereits aus den alleruntertänigsten Berichten
des Gesandten, insbesondere aus dem Bericht desselben über seine Unterredung
mit dem Großvezier Aaln Pascha, nach dessen Rückkehr nach Konstantinopel,
davon allergnädigst Kenntnis genommen, daß die türkische Regierung der Ver¬
einigung der Fürstentümer besonders deshalb entgegen ist, weil sie selbige
gleichbedeutend mit der Einsetzung eines fremden Prinzen halte. Ganz in gleicher
Weise hat sich, nach den Depeschen von Mr. Thourenel an seine Regierung,
die türkische Regierung auch gegen ihn ausgesprochen. Der Gedankengang, den
Mr. Thourenel demnächst in seinen Gesprächen mit Aaln Pascha und dem
Minister der auswärtigen Angelegenheiten Fuad Pascha festgehalten hat, ist der:
daß die territoriale Zusammenlegung beider Länder eine administrative Ma߬
regel sei, die vorläufig mit der Regierungsform und mit der Konstituierung
der öffentlichen Macht in keinem Zusammenhange stehe, und daß die Regierung
des Kaisers sich über die Form der den Fürstentümern zu gebenden obersten


An der wiege des Königreichs Rumänien

Wendung zu bringen versuchen wollte, so wird die Kommission nichts Gescheutes
und Verständiges zutage fördern können, indessen muß das weitere allererst
abgewartet werden.

In den nächsten Tagen wird Herr von Wildenbruch mich bei den betreffenden
fremden Botschaftern und Gesandten einführen; es wird sich dann vielleicht eine
nähere Ansicht hierüber gewinnen lassen.

Inzwischen hat mir Herr von Wildenbruch auch das bei der Gesandtschaft
befindliche neueste Material über die politische Frage, deren Gegenstand die mir
allergnädigst anvertraute Kommission bildet, zur Einsicht mitgeteilt.

Darunter befindet sich auch eine Kopie der Depesche vom 31. v. M., welche
die Pforte an ihre Repräsentanten in Berlin, Paris, Wien und London gerichtet
hat, um an die dortigen Kabinette übergeben zu werden; ich habe mir erlaubt,
in einem Berichte an Euer Königlichen Majestät Ministerpräsidenten Freiherr
von Manteuffel näher auszuführen, daß die Auffassung, welche die Pforte darin
von ihrem Verhältnis zu den Fürstentümern niederlegt, im Widerspruch ebensowohl
mit den Kapitulationen der letzteren, als mit den jüngsten Stipulationen des Pariser
Friedens steht, und daß, wenn diese Auffassung zur Geltung kommen sollte, diese
weit ab von den Zwecken führen würde, deren Verfolgung Euer Königliche
Majestät mir allergnädigst zur Aufgabe gemacht haben."

Am 12. August wird Richthofen den französischen und englischen Botschaftern
bei der Pforte vorgestellt und berichtet darüber am 13. August.

„. . . Mr. Thourenel (der französische Botschafter) empfing uns mit dem
aufrichtigsten Entgegenkommen; er nahm an, daß nach den in Paris im Kongreß
stattgehabten mündlichen Erörterungen darüber kein Zweifel sei, daß zwischen
Preußen und Frankreich hinsichtlich der Donaufürstentümer eine vollkommene
Gleichheit der Ansichten bestehe, und las uns daher den Inhalt aller seiner
neuesten Depeschen vor, die er über diesen Gegenstand an die Regierung des
Kaisers abgestattet hat. . . .

Euer Königliche Majestät haben bereits aus den alleruntertänigsten Berichten
des Gesandten, insbesondere aus dem Bericht desselben über seine Unterredung
mit dem Großvezier Aaln Pascha, nach dessen Rückkehr nach Konstantinopel,
davon allergnädigst Kenntnis genommen, daß die türkische Regierung der Ver¬
einigung der Fürstentümer besonders deshalb entgegen ist, weil sie selbige
gleichbedeutend mit der Einsetzung eines fremden Prinzen halte. Ganz in gleicher
Weise hat sich, nach den Depeschen von Mr. Thourenel an seine Regierung,
die türkische Regierung auch gegen ihn ausgesprochen. Der Gedankengang, den
Mr. Thourenel demnächst in seinen Gesprächen mit Aaln Pascha und dem
Minister der auswärtigen Angelegenheiten Fuad Pascha festgehalten hat, ist der:
daß die territoriale Zusammenlegung beider Länder eine administrative Ma߬
regel sei, die vorläufig mit der Regierungsform und mit der Konstituierung
der öffentlichen Macht in keinem Zusammenhange stehe, und daß die Regierung
des Kaisers sich über die Form der den Fürstentümern zu gebenden obersten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0088" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321835"/>
          <fw type="header" place="top"> An der wiege des Königreichs Rumänien</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_281" prev="#ID_280"> Wendung zu bringen versuchen wollte, so wird die Kommission nichts Gescheutes<lb/>
und Verständiges zutage fördern können, indessen muß das weitere allererst<lb/>
abgewartet werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_282"> In den nächsten Tagen wird Herr von Wildenbruch mich bei den betreffenden<lb/>
fremden Botschaftern und Gesandten einführen; es wird sich dann vielleicht eine<lb/>
nähere Ansicht hierüber gewinnen lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_283"> Inzwischen hat mir Herr von Wildenbruch auch das bei der Gesandtschaft<lb/>
befindliche neueste Material über die politische Frage, deren Gegenstand die mir<lb/>
allergnädigst anvertraute Kommission bildet, zur Einsicht mitgeteilt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_284"> Darunter befindet sich auch eine Kopie der Depesche vom 31. v. M., welche<lb/>
die Pforte an ihre Repräsentanten in Berlin, Paris, Wien und London gerichtet<lb/>
hat, um an die dortigen Kabinette übergeben zu werden; ich habe mir erlaubt,<lb/>
in einem Berichte an Euer Königlichen Majestät Ministerpräsidenten Freiherr<lb/>
von Manteuffel näher auszuführen, daß die Auffassung, welche die Pforte darin<lb/>
von ihrem Verhältnis zu den Fürstentümern niederlegt, im Widerspruch ebensowohl<lb/>
mit den Kapitulationen der letzteren, als mit den jüngsten Stipulationen des Pariser<lb/>
Friedens steht, und daß, wenn diese Auffassung zur Geltung kommen sollte, diese<lb/>
weit ab von den Zwecken führen würde, deren Verfolgung Euer Königliche<lb/>
Majestät mir allergnädigst zur Aufgabe gemacht haben."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_285"> Am 12. August wird Richthofen den französischen und englischen Botschaftern<lb/>
bei der Pforte vorgestellt und berichtet darüber am 13. August.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_286"> &#x201E;. . . Mr. Thourenel (der französische Botschafter) empfing uns mit dem<lb/>
aufrichtigsten Entgegenkommen; er nahm an, daß nach den in Paris im Kongreß<lb/>
stattgehabten mündlichen Erörterungen darüber kein Zweifel sei, daß zwischen<lb/>
Preußen und Frankreich hinsichtlich der Donaufürstentümer eine vollkommene<lb/>
Gleichheit der Ansichten bestehe, und las uns daher den Inhalt aller seiner<lb/>
neuesten Depeschen vor, die er über diesen Gegenstand an die Regierung des<lb/>
Kaisers abgestattet hat. . . .</p><lb/>
          <p xml:id="ID_287" next="#ID_288"> Euer Königliche Majestät haben bereits aus den alleruntertänigsten Berichten<lb/>
des Gesandten, insbesondere aus dem Bericht desselben über seine Unterredung<lb/>
mit dem Großvezier Aaln Pascha, nach dessen Rückkehr nach Konstantinopel,<lb/>
davon allergnädigst Kenntnis genommen, daß die türkische Regierung der Ver¬<lb/>
einigung der Fürstentümer besonders deshalb entgegen ist, weil sie selbige<lb/>
gleichbedeutend mit der Einsetzung eines fremden Prinzen halte. Ganz in gleicher<lb/>
Weise hat sich, nach den Depeschen von Mr. Thourenel an seine Regierung,<lb/>
die türkische Regierung auch gegen ihn ausgesprochen. Der Gedankengang, den<lb/>
Mr. Thourenel demnächst in seinen Gesprächen mit Aaln Pascha und dem<lb/>
Minister der auswärtigen Angelegenheiten Fuad Pascha festgehalten hat, ist der:<lb/>
daß die territoriale Zusammenlegung beider Länder eine administrative Ma߬<lb/>
regel sei, die vorläufig mit der Regierungsform und mit der Konstituierung<lb/>
der öffentlichen Macht in keinem Zusammenhange stehe, und daß die Regierung<lb/>
des Kaisers sich über die Form der den Fürstentümern zu gebenden obersten</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0088] An der wiege des Königreichs Rumänien Wendung zu bringen versuchen wollte, so wird die Kommission nichts Gescheutes und Verständiges zutage fördern können, indessen muß das weitere allererst abgewartet werden. In den nächsten Tagen wird Herr von Wildenbruch mich bei den betreffenden fremden Botschaftern und Gesandten einführen; es wird sich dann vielleicht eine nähere Ansicht hierüber gewinnen lassen. Inzwischen hat mir Herr von Wildenbruch auch das bei der Gesandtschaft befindliche neueste Material über die politische Frage, deren Gegenstand die mir allergnädigst anvertraute Kommission bildet, zur Einsicht mitgeteilt. Darunter befindet sich auch eine Kopie der Depesche vom 31. v. M., welche die Pforte an ihre Repräsentanten in Berlin, Paris, Wien und London gerichtet hat, um an die dortigen Kabinette übergeben zu werden; ich habe mir erlaubt, in einem Berichte an Euer Königlichen Majestät Ministerpräsidenten Freiherr von Manteuffel näher auszuführen, daß die Auffassung, welche die Pforte darin von ihrem Verhältnis zu den Fürstentümern niederlegt, im Widerspruch ebensowohl mit den Kapitulationen der letzteren, als mit den jüngsten Stipulationen des Pariser Friedens steht, und daß, wenn diese Auffassung zur Geltung kommen sollte, diese weit ab von den Zwecken führen würde, deren Verfolgung Euer Königliche Majestät mir allergnädigst zur Aufgabe gemacht haben." Am 12. August wird Richthofen den französischen und englischen Botschaftern bei der Pforte vorgestellt und berichtet darüber am 13. August. „. . . Mr. Thourenel (der französische Botschafter) empfing uns mit dem aufrichtigsten Entgegenkommen; er nahm an, daß nach den in Paris im Kongreß stattgehabten mündlichen Erörterungen darüber kein Zweifel sei, daß zwischen Preußen und Frankreich hinsichtlich der Donaufürstentümer eine vollkommene Gleichheit der Ansichten bestehe, und las uns daher den Inhalt aller seiner neuesten Depeschen vor, die er über diesen Gegenstand an die Regierung des Kaisers abgestattet hat. . . . Euer Königliche Majestät haben bereits aus den alleruntertänigsten Berichten des Gesandten, insbesondere aus dem Bericht desselben über seine Unterredung mit dem Großvezier Aaln Pascha, nach dessen Rückkehr nach Konstantinopel, davon allergnädigst Kenntnis genommen, daß die türkische Regierung der Ver¬ einigung der Fürstentümer besonders deshalb entgegen ist, weil sie selbige gleichbedeutend mit der Einsetzung eines fremden Prinzen halte. Ganz in gleicher Weise hat sich, nach den Depeschen von Mr. Thourenel an seine Regierung, die türkische Regierung auch gegen ihn ausgesprochen. Der Gedankengang, den Mr. Thourenel demnächst in seinen Gesprächen mit Aaln Pascha und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten Fuad Pascha festgehalten hat, ist der: daß die territoriale Zusammenlegung beider Länder eine administrative Ma߬ regel sei, die vorläufig mit der Regierungsform und mit der Konstituierung der öffentlichen Macht in keinem Zusammenhange stehe, und daß die Regierung des Kaisers sich über die Form der den Fürstentümern zu gebenden obersten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/88
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/88>, abgerufen am 03.07.2024.