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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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An der Wiege des Königreichs Rumänien

weiß aller auch noch so kräftigen Deduktionen ungeachtet doch recht gut, daß
dies der Fall ist.

Eine Unterredung, die ich demnächst mit dem französischen Kommissär
Baron Talleyrand hatte, war in diesem Punkte ganz übereinstimmend mit den
Äußerungen von Mr. Thourenel. nur hob er noch stärker hervor, daß französischer-
seits auch ein fremder Erbfürst für diese Länder für unbedingt notwendig
gehalten und gewünscht werde, daß man aber den einzigen sichern Weg hierzu
in einer geschichtlichen Entwickelung suchen müßte, zu der die Vereinigung
notwendig führen werde. Deshalb weise ihn seine Instruktion an, zunächst auf
die Vereinigung zu wirken, und von dem fremden Erbfürsten vorläufig zu
schweigen, es sei denn, daß die Chancen hierfür während der weiteren Ent¬
wicklung sich günstiger zeigten, als dies bis jetzt der Fall ist. Dies werde indes
nicht hindern, an dem Kongreß schon auf diesen Gegenstand zurückzukommen.

Was nun die Art und Weise der Behandlung der Vereinigungsfrage betrifft,
so hat sich Mr. Thourenel sowohl der Pforte gegenüber mündlich, als auch seiner
Regierung gegenüber schriftlich gegen die Ausschließung der Vereinigungsfrage
von den Äußerungen der Diwans ausgesprochen, und schlimmstenfalls wenigstens
daran festzuhalten gesucht, daß die Vereinigungsfrage von der Kommission behandelt
werde. Dies soll, bevor die Wirksamkeit der Diwans und der Kommisston
beginnt, durch gemeinsame Übereinkunft der Mächte festgestellt werden. Euer
Königlichen Mäjestät Gesandter und ich sind der alleruntertänigsten Meinung, daß
die Ansicht des französischen Botschafters vollkommen korrekt ist, und daß, wenn
wir ihr beitreten, sie noch durch ein Motiv unterstützt werden kann, was bei
jenem Gespräch nicht berührt wurde. Nach dem Pariser Frieden sollen die
"lois se 8laeues aujourck'Kul en viZueur", und dies sind die KöZIemLnK
o>-ZÄnique8 dieser Länder, einer Revision unterworfen werden. Diese Regle¬
ments besagen aber selbst, daß sie von dem Grundsatz einer intimeren Ver¬
einigung beider Fürstentümer ausgehen. Man kann daher logischerweise keine
Prüfung und Revision dieser Reglements vornehmen, wenn es nicht erlaubt
sein soll, die darin ausdrücklich ausgesprochene Grundidee zu prüfen.

Im weiteren Verlaufe des Gesprächs mit Mr. Thourenel kam auch die
Rede auf die Haltung, die Nußland in Beziehung auf die Fürstentümer ein¬
nehmen werde; Herr von Wildenbruch teilte dem französischen Botschafter mit,
wie Mr. de Balabine in Wien sich gegen mich hierüber ausgesprochen habe,
und Mr. Thourenel wollte von Aaln Pascha wissen, daß man ganz gleiche
Äußerungen russischerteits auch gegen diesen bet seiner Anwesenheit in Wien
getan habe, aber allerdings mit dem wichtigen Beisatze: daß Nußland meine,
daß wenn die Pforte die schließlichen Ansichten der Mächte vernommen habe,
sie immer noch unbeschränkt bleiben müsse, zu tun, was sie wolle, und man
muß gestehen, daß diese Auffassung allerdings dem Artikel 25 des Pariser
Friedens entspricht. Schließlich erwähnte Mr. M. Thourenel, daß ihm von der
Ernennung des sardinischen Kommissars Mr. Benzi nunmehr eine offizielle


An der Wiege des Königreichs Rumänien

weiß aller auch noch so kräftigen Deduktionen ungeachtet doch recht gut, daß
dies der Fall ist.

Eine Unterredung, die ich demnächst mit dem französischen Kommissär
Baron Talleyrand hatte, war in diesem Punkte ganz übereinstimmend mit den
Äußerungen von Mr. Thourenel. nur hob er noch stärker hervor, daß französischer-
seits auch ein fremder Erbfürst für diese Länder für unbedingt notwendig
gehalten und gewünscht werde, daß man aber den einzigen sichern Weg hierzu
in einer geschichtlichen Entwickelung suchen müßte, zu der die Vereinigung
notwendig führen werde. Deshalb weise ihn seine Instruktion an, zunächst auf
die Vereinigung zu wirken, und von dem fremden Erbfürsten vorläufig zu
schweigen, es sei denn, daß die Chancen hierfür während der weiteren Ent¬
wicklung sich günstiger zeigten, als dies bis jetzt der Fall ist. Dies werde indes
nicht hindern, an dem Kongreß schon auf diesen Gegenstand zurückzukommen.

Was nun die Art und Weise der Behandlung der Vereinigungsfrage betrifft,
so hat sich Mr. Thourenel sowohl der Pforte gegenüber mündlich, als auch seiner
Regierung gegenüber schriftlich gegen die Ausschließung der Vereinigungsfrage
von den Äußerungen der Diwans ausgesprochen, und schlimmstenfalls wenigstens
daran festzuhalten gesucht, daß die Vereinigungsfrage von der Kommission behandelt
werde. Dies soll, bevor die Wirksamkeit der Diwans und der Kommisston
beginnt, durch gemeinsame Übereinkunft der Mächte festgestellt werden. Euer
Königlichen Mäjestät Gesandter und ich sind der alleruntertänigsten Meinung, daß
die Ansicht des französischen Botschafters vollkommen korrekt ist, und daß, wenn
wir ihr beitreten, sie noch durch ein Motiv unterstützt werden kann, was bei
jenem Gespräch nicht berührt wurde. Nach dem Pariser Frieden sollen die
„lois se 8laeues aujourck'Kul en viZueur", und dies sind die KöZIemLnK
o>-ZÄnique8 dieser Länder, einer Revision unterworfen werden. Diese Regle¬
ments besagen aber selbst, daß sie von dem Grundsatz einer intimeren Ver¬
einigung beider Fürstentümer ausgehen. Man kann daher logischerweise keine
Prüfung und Revision dieser Reglements vornehmen, wenn es nicht erlaubt
sein soll, die darin ausdrücklich ausgesprochene Grundidee zu prüfen.

Im weiteren Verlaufe des Gesprächs mit Mr. Thourenel kam auch die
Rede auf die Haltung, die Nußland in Beziehung auf die Fürstentümer ein¬
nehmen werde; Herr von Wildenbruch teilte dem französischen Botschafter mit,
wie Mr. de Balabine in Wien sich gegen mich hierüber ausgesprochen habe,
und Mr. Thourenel wollte von Aaln Pascha wissen, daß man ganz gleiche
Äußerungen russischerteits auch gegen diesen bet seiner Anwesenheit in Wien
getan habe, aber allerdings mit dem wichtigen Beisatze: daß Nußland meine,
daß wenn die Pforte die schließlichen Ansichten der Mächte vernommen habe,
sie immer noch unbeschränkt bleiben müsse, zu tun, was sie wolle, und man
muß gestehen, daß diese Auffassung allerdings dem Artikel 25 des Pariser
Friedens entspricht. Schließlich erwähnte Mr. M. Thourenel, daß ihm von der
Ernennung des sardinischen Kommissars Mr. Benzi nunmehr eine offizielle


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/90>, abgerufen am 03.07.2024.