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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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An der Wiege des Königreichs Rumänien

hat, dessen Inhalt ich hiernach ehrfurchtsvoll bestätige. Man scheint allseitig
eine zuwartende Stellung einnehmen zu wollen.

Den türkischen Geschäftsträger konnte ich nicht sprechen; er befindet sich
krank im nahen Baden. Ebendaselbst weilt auch noch der österreichische Kommissär
Baron Koller, der, wie ich höre, die Kommission sehr ungern angenommen hat,
und jetzt um so verstimmter ist, als er glaubt, daß die inzwischen valant
gewordene Gesandtschaft in Berlin ihm dadurch entgangen sein wird, auf die
er Aussichten gehabt haben soll. Man erwartet ihn indes jeden Tag aus Baden,
und dann soll er auch bald nach Konstantinopel abgehen."

Am 8. August traf Richthofen via Trieft in Konstantinopel ein, von wo
aus er unter dem 10. schreibt:

". . . Gleich am folgenden Tage (den 9. August) hat Euer Königlichen
Majestät Gesandter bei der Pforte (General von Wildenbruch) . . . mich bei
dem Großvezier Aaln Pascha und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten
Fuad Pascha vorgestellt, welchen..ich Euer Königlichen Majestät allerhöchste Voll¬
macht vorgelegt habe; auch habe ich noch an demselben Tage dem Pforten¬
kommissär für die Fürstentümer, dem das Ministerium des Innern verwaltenden
Saffet Effendi meinen Besuch abgestattet.

Euer Königlichen Majestät Gesandter hat durch diese meine schleunige Ein¬
führung bei den höchsten Pfortenbeamten den Anstrengungen Österreichs, noch
im letzten Augenblick vielleicht Schwierigkeiten gegen die Zulassung Preußens in
die Kommission zu erheben, vorzubeugen gesucht. In dem Wartesaal bei dem
Großvezier traf gleich nach uns der österreichische Jnternuntius Baron Prokesch
ein, der meine am Tage vorher stattgehabte Ankunft bereits erfahren haben
mochte.

Von keinem der gedachten türkischen Beamten ist indes auch nur der leiseste
Zweifel gegen die Zulassung Preußens zur Kommission geäußert worden, die
Euer Königlichen Majestät Gesandter hier gleich von Anfang als sicher und
unzweifelhaft zur Geltung gebracht hatte. Die türkischen Minister gingen
sämtlich auf eine allgemeine Unterhaltung über die Donaufürstentümer ein, und
Saffet Effendi sagte mir, daß, sobald die Kommissionäre der übrigen beteiligten
Mächte, von denen erst der französische Baron Tallenrand hier angelangt ist,
eingetroffen sein würden, er mich von dem Zusammentritt der Kommisston behufs
der Teilnahme an den, wie er zu erkennen gab, sehr schwierigen und kritischen
Arbeiten derselben sogleich in Kenntnis setzen werde.

Man erwartet die baldige Antwort des englischen Kommissars Mr. Bulwer,
bekannt durch seine Wirksamkeit in Spanien als Gesandter im Jahre 1848/49.
Die Kommission wird aus sehr heterogenen Elementen bestehen. Von Sardinien
soll Mr. Benzi, bisher in extraordinärer Misston in Mexiko, zum Kommissarius
bestimmt sein, welchen ich genau kenne; er hat ziemlich rot-republikanische Ideen.
Wenn jeder dieser Herren, von denen keiner die Fürstentümer kennt, seine vor¬
gefaßten allgemein - politischen Ideen und Systeme auf jene Länder zur An-


An der Wiege des Königreichs Rumänien

hat, dessen Inhalt ich hiernach ehrfurchtsvoll bestätige. Man scheint allseitig
eine zuwartende Stellung einnehmen zu wollen.

Den türkischen Geschäftsträger konnte ich nicht sprechen; er befindet sich
krank im nahen Baden. Ebendaselbst weilt auch noch der österreichische Kommissär
Baron Koller, der, wie ich höre, die Kommission sehr ungern angenommen hat,
und jetzt um so verstimmter ist, als er glaubt, daß die inzwischen valant
gewordene Gesandtschaft in Berlin ihm dadurch entgangen sein wird, auf die
er Aussichten gehabt haben soll. Man erwartet ihn indes jeden Tag aus Baden,
und dann soll er auch bald nach Konstantinopel abgehen."

Am 8. August traf Richthofen via Trieft in Konstantinopel ein, von wo
aus er unter dem 10. schreibt:

„. . . Gleich am folgenden Tage (den 9. August) hat Euer Königlichen
Majestät Gesandter bei der Pforte (General von Wildenbruch) . . . mich bei
dem Großvezier Aaln Pascha und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten
Fuad Pascha vorgestellt, welchen..ich Euer Königlichen Majestät allerhöchste Voll¬
macht vorgelegt habe; auch habe ich noch an demselben Tage dem Pforten¬
kommissär für die Fürstentümer, dem das Ministerium des Innern verwaltenden
Saffet Effendi meinen Besuch abgestattet.

Euer Königlichen Majestät Gesandter hat durch diese meine schleunige Ein¬
führung bei den höchsten Pfortenbeamten den Anstrengungen Österreichs, noch
im letzten Augenblick vielleicht Schwierigkeiten gegen die Zulassung Preußens in
die Kommission zu erheben, vorzubeugen gesucht. In dem Wartesaal bei dem
Großvezier traf gleich nach uns der österreichische Jnternuntius Baron Prokesch
ein, der meine am Tage vorher stattgehabte Ankunft bereits erfahren haben
mochte.

Von keinem der gedachten türkischen Beamten ist indes auch nur der leiseste
Zweifel gegen die Zulassung Preußens zur Kommission geäußert worden, die
Euer Königlichen Majestät Gesandter hier gleich von Anfang als sicher und
unzweifelhaft zur Geltung gebracht hatte. Die türkischen Minister gingen
sämtlich auf eine allgemeine Unterhaltung über die Donaufürstentümer ein, und
Saffet Effendi sagte mir, daß, sobald die Kommissionäre der übrigen beteiligten
Mächte, von denen erst der französische Baron Tallenrand hier angelangt ist,
eingetroffen sein würden, er mich von dem Zusammentritt der Kommisston behufs
der Teilnahme an den, wie er zu erkennen gab, sehr schwierigen und kritischen
Arbeiten derselben sogleich in Kenntnis setzen werde.

Man erwartet die baldige Antwort des englischen Kommissars Mr. Bulwer,
bekannt durch seine Wirksamkeit in Spanien als Gesandter im Jahre 1848/49.
Die Kommission wird aus sehr heterogenen Elementen bestehen. Von Sardinien
soll Mr. Benzi, bisher in extraordinärer Misston in Mexiko, zum Kommissarius
bestimmt sein, welchen ich genau kenne; er hat ziemlich rot-republikanische Ideen.
Wenn jeder dieser Herren, von denen keiner die Fürstentümer kennt, seine vor¬
gefaßten allgemein - politischen Ideen und Systeme auf jene Länder zur An-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/87>, abgerufen am 03.07.2024.