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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Die deutsche Rheinmündung

und damit ihr ganzer Kanalplan beruht ausgesprochenermaßen nur darauf, den
Nord- und Ostseeverkehr an sich zu ziehen, also nicht, was doch der
springende Punkt der Frage der deutschen Rheinmündung ist,
dem deutschen Rheinverkehr, zum Hauptteil wenigstens, eine
deutsche Schiffahrtsstraße zu verschaffen. Wenn die Vorschläge der
Studie von vornherein hierauf verzichten, so wird die Frage mit Recht
aufgeworfen werden, weshalb dann überhaupt für einen schlecht und ungewiß
verzinslichen, vielleicht ein Viertel bis ein Drittel des Rheinverkehrs auf¬
nehmenden Kanal die hohen Ausgaben fast einer Viertelmilliarde übernommen
werden sollen. Besonders ins Gewicht fällt hierbei auch die Erwägung,
daß ja der demnächst ganz eröffnete Rhein--Herre--Emden-Kanal einen wesent¬
lichen Teil des Verkehrs leisten kann, den der vorgeschlagene Kanal übernehmen soll.

Die Ursache der geringen Wirtschaftlichkeit liegt aber eben in dem Punkt,
der auch der Gegenstand des letzten Haupteinwandes gegen die Vorschläge der
Studie bildet, in dem geringen Tiefgang des Kanals, der diesen von vornherein
unfähig macht, die Aufgabe zu erfüllen, die eine deutsche Rheinmündung im
Wettbewerb mit der holländischen zu erfüllen hat: ein deutsches Tor auf die
See, nicht nur für das beschränkte Nord- und Ostseegebiet, sondern das ganze
Überseegebiet, das Weltmeer zu bieten.

Es handelt sich darum, hier für West- und Süddeutschland das zu schaffen,
was die Eibmündung, was Hamburg für Ost- und Mitteldeutschland ist.

Da die holländische Rheinmündung fast 300 Kilometer näher an den Hoch¬
straßen zum Weltverkehr liegt als die Ausfahrt der Ems, so liegt auf der Hand, daß
der deutsche Rhein--Nordsee-Schiffahrtskanal von vornherein so viel leistungsfähiger
als die holländische Rheinstrecke angelegt werden muß, daß dadurch jene weitere
Entfernung von den Überseewegen wettgemacht wird. Dazu ist aber notwendig,
daß der Kanal einen weit erheblicheren Tiefgang erhält als sogar der verbesserte
holländische Rheinlauf erhalten kann, einen Tiefgang, der den unmittelbaren
Seeverkehr ohne Umladung mit Leichtigkeit gestattet. Damit ist der dritte und,
wie zu zeigen ist, der beste Gedanke einer deutschen Rhein--Seeverbindung, der
eines Seeschiffahrtskanals berührt.

Ein Seekanal hat drei Hauptvorzüge vor allen anderen Rheinzufahrts¬
straßen: der vornehmste und wichtigste ist der, daß die Konkurrenzfähigkeit der
deutschen Industrie und des deutschen Bergbaues, deren Ruhr--Lippe-Revier nun
unmittelbar an den Überseeverkehr gelegt wird, besonders mit der von derNatur mehr
begünstigten Industrie und dem Bergbau Englands und Nordamerikas, mit einem
Schlage ganz unschätzbar gehoben wird; zum zweiten wird die bisherige Ab¬
hängigkeit von: Ausland bei der Durchfuhr nach den Rheinmündungshäfen im
Krieg und Frieden beseitigt, und endlich die Wirtschaftlichkeit dürfte einer guten
Kapitalsanlage gleichkommen.

Letzteres ergibt sich aus folgenden Erwägungen: wie schon erwähnt, betrug
der Verkehr zu Berg und Tal auf dem Niederrhein bei Emmerich im letzten


Grenzboten III 1912 8
Die deutsche Rheinmündung

und damit ihr ganzer Kanalplan beruht ausgesprochenermaßen nur darauf, den
Nord- und Ostseeverkehr an sich zu ziehen, also nicht, was doch der
springende Punkt der Frage der deutschen Rheinmündung ist,
dem deutschen Rheinverkehr, zum Hauptteil wenigstens, eine
deutsche Schiffahrtsstraße zu verschaffen. Wenn die Vorschläge der
Studie von vornherein hierauf verzichten, so wird die Frage mit Recht
aufgeworfen werden, weshalb dann überhaupt für einen schlecht und ungewiß
verzinslichen, vielleicht ein Viertel bis ein Drittel des Rheinverkehrs auf¬
nehmenden Kanal die hohen Ausgaben fast einer Viertelmilliarde übernommen
werden sollen. Besonders ins Gewicht fällt hierbei auch die Erwägung,
daß ja der demnächst ganz eröffnete Rhein—Herre—Emden-Kanal einen wesent¬
lichen Teil des Verkehrs leisten kann, den der vorgeschlagene Kanal übernehmen soll.

Die Ursache der geringen Wirtschaftlichkeit liegt aber eben in dem Punkt,
der auch der Gegenstand des letzten Haupteinwandes gegen die Vorschläge der
Studie bildet, in dem geringen Tiefgang des Kanals, der diesen von vornherein
unfähig macht, die Aufgabe zu erfüllen, die eine deutsche Rheinmündung im
Wettbewerb mit der holländischen zu erfüllen hat: ein deutsches Tor auf die
See, nicht nur für das beschränkte Nord- und Ostseegebiet, sondern das ganze
Überseegebiet, das Weltmeer zu bieten.

Es handelt sich darum, hier für West- und Süddeutschland das zu schaffen,
was die Eibmündung, was Hamburg für Ost- und Mitteldeutschland ist.

Da die holländische Rheinmündung fast 300 Kilometer näher an den Hoch¬
straßen zum Weltverkehr liegt als die Ausfahrt der Ems, so liegt auf der Hand, daß
der deutsche Rhein—Nordsee-Schiffahrtskanal von vornherein so viel leistungsfähiger
als die holländische Rheinstrecke angelegt werden muß, daß dadurch jene weitere
Entfernung von den Überseewegen wettgemacht wird. Dazu ist aber notwendig,
daß der Kanal einen weit erheblicheren Tiefgang erhält als sogar der verbesserte
holländische Rheinlauf erhalten kann, einen Tiefgang, der den unmittelbaren
Seeverkehr ohne Umladung mit Leichtigkeit gestattet. Damit ist der dritte und,
wie zu zeigen ist, der beste Gedanke einer deutschen Rhein—Seeverbindung, der
eines Seeschiffahrtskanals berührt.

Ein Seekanal hat drei Hauptvorzüge vor allen anderen Rheinzufahrts¬
straßen: der vornehmste und wichtigste ist der, daß die Konkurrenzfähigkeit der
deutschen Industrie und des deutschen Bergbaues, deren Ruhr—Lippe-Revier nun
unmittelbar an den Überseeverkehr gelegt wird, besonders mit der von derNatur mehr
begünstigten Industrie und dem Bergbau Englands und Nordamerikas, mit einem
Schlage ganz unschätzbar gehoben wird; zum zweiten wird die bisherige Ab¬
hängigkeit von: Ausland bei der Durchfuhr nach den Rheinmündungshäfen im
Krieg und Frieden beseitigt, und endlich die Wirtschaftlichkeit dürfte einer guten
Kapitalsanlage gleichkommen.

Letzteres ergibt sich aus folgenden Erwägungen: wie schon erwähnt, betrug
der Verkehr zu Berg und Tal auf dem Niederrhein bei Emmerich im letzten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/69>, abgerufen am 03.07.2024.