Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr."Amerika den Amerikanern Bis vor wenigen Jahren standen die Vereinigten Staaten im Handelsverkehr Mit Chile ist die Westküste Südamerikas abgetan. In vierzig Stunden Grenzboten III 1912 7S
„Amerika den Amerikanern Bis vor wenigen Jahren standen die Vereinigten Staaten im Handelsverkehr Mit Chile ist die Westküste Südamerikas abgetan. In vierzig Stunden Grenzboten III 1912 7S
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0601" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322348"/> <fw type="header" place="top"> „Amerika den Amerikanern</fw><lb/> <p xml:id="ID_2685" prev="#ID_2684"> Bis vor wenigen Jahren standen die Vereinigten Staaten im Handelsverkehr<lb/> mit Chile für Einfuhr und Ausfuhr noch ganz erheblich hinter Deutschland und<lb/> England zurück. Dieses nimmt auch heute noch unbestritten den ersten Rang<lb/> ein. Anders Deutschland. Wir haben zwar unsere Einfuhr nach Chile von<lb/> 1909 auf 1910 fast genau in demselben Maßstabe gesteigert wie die Bereinigten<lb/> Staaten; in der Ausfuhr von Chile nach Teutschland müssen wir jedoch ein<lb/> Minus verzeichnen, dem auf amerikanischer Seite ein Plus von 12 von Hundert<lb/> gegenübersteht.</p><lb/> <p xml:id="ID_2686" next="#ID_2687"> Mit Chile ist die Westküste Südamerikas abgetan. In vierzig Stunden<lb/> bringt uns die Bahn, wenn der Schnee nicht hindert, nach Buenos Aires. Wie<lb/> atmet man auf, wenn man in Mendoza in den bequemen Schlafwagen steigt.<lb/> Die argentinischen Bahnen sind zu85von Hundert oder mehr englisches Eigentum<lb/> und deshalb sind sie gut. Als Europäer fühlt man sich wieder zu Hause. Keine<lb/> Pullmancars, keine Nigger, die für das unnötige Abwedeln des hellen Reise-<lb/> anzuges 25 nemo Zola als etwas Selbstverständliches beanspruchen. Argentinische<lb/> Schaffner, argentinische Kellner im Speisewagen, aber englischer Drill und teil¬<lb/> weise sogar deutsche Lokomotivführer. Argentinien ist so recht das Land, in<lb/> dem man das, was von der vielgeschmähten alten Welt kam und noch kommt<lb/> und das, was vom Aankeeland zu erwarten steht, vergleichen kann. Am argen¬<lb/> tinischen Außenhandel nehmen die Engländer mit nahezu 23 von Hundert teil, die<lb/> Deutschen mit 12, die Amerikaner kaum mit 6 von Hundert. Und doch mahnen<lb/> auch am La Plata die Ereignisse der letzten Zeit zur Vorsicht. Von Peru<lb/> abgesehen war es in Südamerika bisher nahezu Regel, Kanonen und Gewehre<lb/> in Deutschland, Kriegsschiffe bei Vickers oder Armstrong zu kaufen. Argentinien<lb/> hat seine Dreadnoughts in Newport und Philadelphia bestellt, die Geschütze für<lb/> diese Schiffe in Bethlehem Pa. Warum? Darüber kann nur Herr Knox und<lb/> sein Freund Schwab Auskunft geben, und der frühere Gesandte der Vereinigten<lb/> Staaten in Buenos Aires, der nach Zustandekommen des Vertrages abberufen<lb/> wurde. Die beiden Schlachtschiffe kosten tatsächlich zusammen ö Millionen Mark<lb/> weniger, als Deutschland und England dafür gefordert hatten. Der im nord¬<lb/> amerikanischen Marinebudget figurierende Disposionssonds annähernd gleicher<lb/> Hohe gibt nicht die alleinige Erklärung für den Abschluß dieses Geschäftes.<lb/> Argentinien mit seinem flachen Boden und seinen guten Straßen ist ein<lb/> gegebenes Land für Kraftwagen. Vorläufig kommen die meisten aus Frank¬<lb/> reich, das Prachtläden H la 50ste bis 60ste Straße-IZi'0Ää>va^ im unteren Teile<lb/> der Latte I^Ioriclg, unterhält. In Nordamerika hat sich die Produktion von<lb/> Automobilen im letzten Jahre beinahe um das Doppelte gegen die Vorjahre<lb/> gesteigert. Selbst im Dollarlande kann das auf die Dauer nicht im gleichen<lb/> Tempo weitergehen, wenn nicht neue Absatzgebiete erobert werden. So haben<lb/> nordamerikanische Gentlemanvertreter großer Automobilfirmen sich im Jokeiklub,<lb/> im Tigre Hotel und in Mar de Plata heimisch gemacht. Wir haben doch unter<lb/> unseren aus rein dienstlichen Gründen allzufrüh inaktiv gewordenen Offizieren</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1912 7S</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0601]
„Amerika den Amerikanern
Bis vor wenigen Jahren standen die Vereinigten Staaten im Handelsverkehr
mit Chile für Einfuhr und Ausfuhr noch ganz erheblich hinter Deutschland und
England zurück. Dieses nimmt auch heute noch unbestritten den ersten Rang
ein. Anders Deutschland. Wir haben zwar unsere Einfuhr nach Chile von
1909 auf 1910 fast genau in demselben Maßstabe gesteigert wie die Bereinigten
Staaten; in der Ausfuhr von Chile nach Teutschland müssen wir jedoch ein
Minus verzeichnen, dem auf amerikanischer Seite ein Plus von 12 von Hundert
gegenübersteht.
Mit Chile ist die Westküste Südamerikas abgetan. In vierzig Stunden
bringt uns die Bahn, wenn der Schnee nicht hindert, nach Buenos Aires. Wie
atmet man auf, wenn man in Mendoza in den bequemen Schlafwagen steigt.
Die argentinischen Bahnen sind zu85von Hundert oder mehr englisches Eigentum
und deshalb sind sie gut. Als Europäer fühlt man sich wieder zu Hause. Keine
Pullmancars, keine Nigger, die für das unnötige Abwedeln des hellen Reise-
anzuges 25 nemo Zola als etwas Selbstverständliches beanspruchen. Argentinische
Schaffner, argentinische Kellner im Speisewagen, aber englischer Drill und teil¬
weise sogar deutsche Lokomotivführer. Argentinien ist so recht das Land, in
dem man das, was von der vielgeschmähten alten Welt kam und noch kommt
und das, was vom Aankeeland zu erwarten steht, vergleichen kann. Am argen¬
tinischen Außenhandel nehmen die Engländer mit nahezu 23 von Hundert teil, die
Deutschen mit 12, die Amerikaner kaum mit 6 von Hundert. Und doch mahnen
auch am La Plata die Ereignisse der letzten Zeit zur Vorsicht. Von Peru
abgesehen war es in Südamerika bisher nahezu Regel, Kanonen und Gewehre
in Deutschland, Kriegsschiffe bei Vickers oder Armstrong zu kaufen. Argentinien
hat seine Dreadnoughts in Newport und Philadelphia bestellt, die Geschütze für
diese Schiffe in Bethlehem Pa. Warum? Darüber kann nur Herr Knox und
sein Freund Schwab Auskunft geben, und der frühere Gesandte der Vereinigten
Staaten in Buenos Aires, der nach Zustandekommen des Vertrages abberufen
wurde. Die beiden Schlachtschiffe kosten tatsächlich zusammen ö Millionen Mark
weniger, als Deutschland und England dafür gefordert hatten. Der im nord¬
amerikanischen Marinebudget figurierende Disposionssonds annähernd gleicher
Hohe gibt nicht die alleinige Erklärung für den Abschluß dieses Geschäftes.
Argentinien mit seinem flachen Boden und seinen guten Straßen ist ein
gegebenes Land für Kraftwagen. Vorläufig kommen die meisten aus Frank¬
reich, das Prachtläden H la 50ste bis 60ste Straße-IZi'0Ää>va^ im unteren Teile
der Latte I^Ioriclg, unterhält. In Nordamerika hat sich die Produktion von
Automobilen im letzten Jahre beinahe um das Doppelte gegen die Vorjahre
gesteigert. Selbst im Dollarlande kann das auf die Dauer nicht im gleichen
Tempo weitergehen, wenn nicht neue Absatzgebiete erobert werden. So haben
nordamerikanische Gentlemanvertreter großer Automobilfirmen sich im Jokeiklub,
im Tigre Hotel und in Mar de Plata heimisch gemacht. Wir haben doch unter
unseren aus rein dienstlichen Gründen allzufrüh inaktiv gewordenen Offizieren
Grenzboten III 1912 7S
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