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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Amerika den Amerikanern

der Feldzug eines Teiles der Newyorker Presse gegen das Ausbeutungsprämien¬
system der nordamerikanischen In3urar>Ls Lompg,riie8 unangenehme Stunden
bereitet hat, haben entdeckt, daß Südamerika, zunächst Peru, ein geeigneteres
Operationsfeld für sie ist, als das möglicherweise heiß werdende Pflaster des
Broadway. Es ist mir bekannt, daß in anderen südamerikanischen, ursprünglich rein
englischen Unternehmungen ein bedeutender Besitzwechsel der Aktien von London
nach New Dorr stattgefunden hat und stattfindet. Dies trifft beispielsweise zu
für die Erdölfelder in Nordperu. Für die in Südperu neu entdeckten Salpeter¬
lager hat sich aller Tradition zum Trotz nicht etwa ein englisches oder deutsches
oder englisch-deutsches Syndikat gebildet, sondern ein nordamerikanisches.
Ebenso werden heute bereits 25 Prozent der chilenischen Salpeterindustrie von einem
nordamerikanischen Weltbaus, wenn auch unter anderem Namen, kontrolliert,
während doch Deutsche und Engländer die südamerikanische Salpeterindustrie
überhaupt erst begründet haben. Nirgends wäre der Zusammenschluß der
beiden Nationen notwendiger und ist die gegenseitige Eifersucht schädlicher als
hier. Ein englischer Mineningenieur, der seit zwölf Jahren peruanische Minen
zu begutachten hat, versicherte mir, daß auch die peruvian Lorporatioii von
Tag zu Tag amerikanischer werde. Die peruvian Lorporation ist die Ver¬
einigung von Großgläubigern der Peruanischen Regierung, denen diese zur
Garantie ihrer Forderungen die Staatsbahnen und Guanofelder, auch Minen
und Ländereien überlassen hat.

Aber was sagt das gegenüber der Tatsache, daß die seit fünf Jahren im
Bau befindlichen, heute zum großen Teil bereits dem Verkehr übergebenen
bolivianischen Bahnen vom Hause Speyer in New Uork finanziert werden. Daß
sie heute scheinbar mehr von englischen Einflüssen abhängen, ist nur ein Versteck¬
spiel. Bolivien ist ein ungemein reiches Erzland, zu dessen Erschließung eine
Menge neuer Verkehrswege von Osten nach Westen geplant sind. Sollten in
zehn oder zwanzig Jahren amerikanische Bahnen das Land durchfahren, dann
ist es mit dem, was deutscher Gewerbefleiß und Unternehmungsgeist in emsiger
Kleinarbeit bisher im südamerikanischen Hochland geschaffen haben, vorbei.

Wir haben uns so sehr daran gewöhnt, Chile das Preußen Südamerikas
zu nennen. Das muß jedenfalls vor meiner Zeit eine richtige Bezeichnung
gewesen sein. Das mächtigste Haus, das in Chile Aus- und Einfuhr treibt,
ist heute unbestritten ein nordamerikanisches, dasselbe, das auch in Peru die
vorherrschende Stellung einnimmt. Der chilenische Abschnitt der Transandinischen
Bahn wird von dieser Firma kontrolliert; ein wichtiger Teil der Longitudinal-
bahn befindet sich unter ihrem Einfluß. Der jährliche Bedarf an landwirt¬
schaftlichen Maschinen für Südchile, wo man in manchen Städtchen und Dörfern
heute noch mehr Deutsch als Spanisch spricht, wird durch diese Firma gedeckt.
Sie kann die Pflüge und Eggen billiger nach Valdivia bringen als irgendein
europäisches Haus, denn sie verfügt über eine eigene Flotte, die zwar unter
englischer Flagge dampft, aber von amerikanischen Dollars unterhalten wird.


Amerika den Amerikanern

der Feldzug eines Teiles der Newyorker Presse gegen das Ausbeutungsprämien¬
system der nordamerikanischen In3urar>Ls Lompg,riie8 unangenehme Stunden
bereitet hat, haben entdeckt, daß Südamerika, zunächst Peru, ein geeigneteres
Operationsfeld für sie ist, als das möglicherweise heiß werdende Pflaster des
Broadway. Es ist mir bekannt, daß in anderen südamerikanischen, ursprünglich rein
englischen Unternehmungen ein bedeutender Besitzwechsel der Aktien von London
nach New Dorr stattgefunden hat und stattfindet. Dies trifft beispielsweise zu
für die Erdölfelder in Nordperu. Für die in Südperu neu entdeckten Salpeter¬
lager hat sich aller Tradition zum Trotz nicht etwa ein englisches oder deutsches
oder englisch-deutsches Syndikat gebildet, sondern ein nordamerikanisches.
Ebenso werden heute bereits 25 Prozent der chilenischen Salpeterindustrie von einem
nordamerikanischen Weltbaus, wenn auch unter anderem Namen, kontrolliert,
während doch Deutsche und Engländer die südamerikanische Salpeterindustrie
überhaupt erst begründet haben. Nirgends wäre der Zusammenschluß der
beiden Nationen notwendiger und ist die gegenseitige Eifersucht schädlicher als
hier. Ein englischer Mineningenieur, der seit zwölf Jahren peruanische Minen
zu begutachten hat, versicherte mir, daß auch die peruvian Lorporatioii von
Tag zu Tag amerikanischer werde. Die peruvian Lorporation ist die Ver¬
einigung von Großgläubigern der Peruanischen Regierung, denen diese zur
Garantie ihrer Forderungen die Staatsbahnen und Guanofelder, auch Minen
und Ländereien überlassen hat.

Aber was sagt das gegenüber der Tatsache, daß die seit fünf Jahren im
Bau befindlichen, heute zum großen Teil bereits dem Verkehr übergebenen
bolivianischen Bahnen vom Hause Speyer in New Uork finanziert werden. Daß
sie heute scheinbar mehr von englischen Einflüssen abhängen, ist nur ein Versteck¬
spiel. Bolivien ist ein ungemein reiches Erzland, zu dessen Erschließung eine
Menge neuer Verkehrswege von Osten nach Westen geplant sind. Sollten in
zehn oder zwanzig Jahren amerikanische Bahnen das Land durchfahren, dann
ist es mit dem, was deutscher Gewerbefleiß und Unternehmungsgeist in emsiger
Kleinarbeit bisher im südamerikanischen Hochland geschaffen haben, vorbei.

Wir haben uns so sehr daran gewöhnt, Chile das Preußen Südamerikas
zu nennen. Das muß jedenfalls vor meiner Zeit eine richtige Bezeichnung
gewesen sein. Das mächtigste Haus, das in Chile Aus- und Einfuhr treibt,
ist heute unbestritten ein nordamerikanisches, dasselbe, das auch in Peru die
vorherrschende Stellung einnimmt. Der chilenische Abschnitt der Transandinischen
Bahn wird von dieser Firma kontrolliert; ein wichtiger Teil der Longitudinal-
bahn befindet sich unter ihrem Einfluß. Der jährliche Bedarf an landwirt¬
schaftlichen Maschinen für Südchile, wo man in manchen Städtchen und Dörfern
heute noch mehr Deutsch als Spanisch spricht, wird durch diese Firma gedeckt.
Sie kann die Pflüge und Eggen billiger nach Valdivia bringen als irgendein
europäisches Haus, denn sie verfügt über eine eigene Flotte, die zwar unter
englischer Flagge dampft, aber von amerikanischen Dollars unterhalten wird.


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[0600] Amerika den Amerikanern der Feldzug eines Teiles der Newyorker Presse gegen das Ausbeutungsprämien¬ system der nordamerikanischen In3urar>Ls Lompg,riie8 unangenehme Stunden bereitet hat, haben entdeckt, daß Südamerika, zunächst Peru, ein geeigneteres Operationsfeld für sie ist, als das möglicherweise heiß werdende Pflaster des Broadway. Es ist mir bekannt, daß in anderen südamerikanischen, ursprünglich rein englischen Unternehmungen ein bedeutender Besitzwechsel der Aktien von London nach New Dorr stattgefunden hat und stattfindet. Dies trifft beispielsweise zu für die Erdölfelder in Nordperu. Für die in Südperu neu entdeckten Salpeter¬ lager hat sich aller Tradition zum Trotz nicht etwa ein englisches oder deutsches oder englisch-deutsches Syndikat gebildet, sondern ein nordamerikanisches. Ebenso werden heute bereits 25 Prozent der chilenischen Salpeterindustrie von einem nordamerikanischen Weltbaus, wenn auch unter anderem Namen, kontrolliert, während doch Deutsche und Engländer die südamerikanische Salpeterindustrie überhaupt erst begründet haben. Nirgends wäre der Zusammenschluß der beiden Nationen notwendiger und ist die gegenseitige Eifersucht schädlicher als hier. Ein englischer Mineningenieur, der seit zwölf Jahren peruanische Minen zu begutachten hat, versicherte mir, daß auch die peruvian Lorporatioii von Tag zu Tag amerikanischer werde. Die peruvian Lorporation ist die Ver¬ einigung von Großgläubigern der Peruanischen Regierung, denen diese zur Garantie ihrer Forderungen die Staatsbahnen und Guanofelder, auch Minen und Ländereien überlassen hat. Aber was sagt das gegenüber der Tatsache, daß die seit fünf Jahren im Bau befindlichen, heute zum großen Teil bereits dem Verkehr übergebenen bolivianischen Bahnen vom Hause Speyer in New Uork finanziert werden. Daß sie heute scheinbar mehr von englischen Einflüssen abhängen, ist nur ein Versteck¬ spiel. Bolivien ist ein ungemein reiches Erzland, zu dessen Erschließung eine Menge neuer Verkehrswege von Osten nach Westen geplant sind. Sollten in zehn oder zwanzig Jahren amerikanische Bahnen das Land durchfahren, dann ist es mit dem, was deutscher Gewerbefleiß und Unternehmungsgeist in emsiger Kleinarbeit bisher im südamerikanischen Hochland geschaffen haben, vorbei. Wir haben uns so sehr daran gewöhnt, Chile das Preußen Südamerikas zu nennen. Das muß jedenfalls vor meiner Zeit eine richtige Bezeichnung gewesen sein. Das mächtigste Haus, das in Chile Aus- und Einfuhr treibt, ist heute unbestritten ein nordamerikanisches, dasselbe, das auch in Peru die vorherrschende Stellung einnimmt. Der chilenische Abschnitt der Transandinischen Bahn wird von dieser Firma kontrolliert; ein wichtiger Teil der Longitudinal- bahn befindet sich unter ihrem Einfluß. Der jährliche Bedarf an landwirt¬ schaftlichen Maschinen für Südchile, wo man in manchen Städtchen und Dörfern heute noch mehr Deutsch als Spanisch spricht, wird durch diese Firma gedeckt. Sie kann die Pflüge und Eggen billiger nach Valdivia bringen als irgendein europäisches Haus, denn sie verfügt über eine eigene Flotte, die zwar unter englischer Flagge dampft, aber von amerikanischen Dollars unterhalten wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/600>, abgerufen am 03.07.2024.