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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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"Amerika den Amerikanern"

aus Heer und Flotte so viele, die als wirkliche Gentlemen hinübergehen könnten
und die neben gesellschaftlicher Gewandtheit sicher genug technische Auffassungs¬
gabe besitzen, um Erfolge zu gewährleisten. Warum greifen wir nicht zu den
gleichen Mitteln? Das argentinische Bahnnetz ist so sehr unter englischer Kontrolle, das;
sich die Uankees vorläufig offen nicht daran wagen. Aber auf der anderen Seite
des trägen gelben Wassers gibt es noch allerhand zu versuchen. Uruguay ist
ein Land, das seine einzig dastehende gesunde Geldwirtschaft nicht zum wenigsten
Söhnen Rostocks, Lübecks und Bremens zu verdanken hat. Nicht nur Liebig,
auch die beiden Koppel haben sich im südöstlichen La Plata-Staat über
Mangel an Einfluß nicht zu beklagen. Aber was hilft es? Die Konzession sür
die aussichtsreichste Bahnlinie von Ost nach West, die von Coronilla nach Santa
Rosa und für den Hafen von La Coronilla haben die Uankees in der
Tasche, nachdem die anfangs an diesem Geschäft beteiligten Engländer sich
sanft haben herausdrücken lassen. Ist es Zufall, daß gleichzeitig die Ouincke-
Koppelsche Konzession für La Paloma treinta y ers8 so sehr darunter leidet,
daß die Franzosen ihre Konzession für den Hafenbau von La Paloma langsam
versanden lassen? Die Vertreter von den Pariser Neflies und dem Inter¬
nationalen, jedoch in erster Linie von New Aork ressortierenden Bankhause
Speyer trifft man in Südamerika immer in denselben Hotels, meist Tür
an Tür.

Wir gehen wieder weiter nordwärts. Solange die geplanten direkten
Luxusschnelldampfer vom La Plata nach Hoboken ihren Dienst noch nicht
begonnen haben, müssen wir auf dem Wege nach New Uork wohl oder übel
in Rio Halt machen. Es lohnt sich schon, denn neben Sidneu und Kon¬
stantinopel ist Rio der großartigste und landschaftlich vielleicht der schönste
Hafen der Welt. Hier werden wir sogleich der Flagge des "Brasilianischen"
Llovd ansichtig, dieser Schiffsgesellschaft, die nach mehrfachen gewaltigen Ver¬
lusten endlich ihren Retter in New Orleans gefunden hat. Die besten Namen
der amerikanischen Hochfinanz und Diplomatie stehen zu ihrer Verfügung. Ein
schneller Schiffsdienst von der Mündung des Riesenstromes nach Rio, von da den
La Plata und Parana hinauf nach Assuncion: das ist das vorläufige Programm.
Wenn es glückt, werden diese Schiffe in nicht allzuferner Zeit im kanalisierten
Missisippi und Ohio selbst bis Pittsburgh Kaffee bringen und ans dem Eisenherzen
der Union Stahl holen können. Für die unumgängliche Notwendigkeit eines
innigsten Anschlusses der Vereinigten Staaten von Brasilien an die gleiche
Firma des Nordens gibt es ein durchschlagendes Argument: Wir Uankees kaufen bei
euch jährlich für 25 Millionen Pfund Tropenerzeugnisse, also erheblich mehr als
Deutschland und England zusammen. Ihr Brasilianer habt euch im Jahre
1910 nur mit 6 Millionen Pfund Abnahme von unseren viel besseren Aus¬
fuhrerzeugnissen erkenntlich gezeigt (das Jahr vorher waren es nur 4,5), während
ihr von Deutschland und England nahezu das vierfache bezöge. Kommt, Ver¬
einigte Staaten von Brasilien, an das Bruderherz der Vereinigten Staaten des


„Amerika den Amerikanern"

aus Heer und Flotte so viele, die als wirkliche Gentlemen hinübergehen könnten
und die neben gesellschaftlicher Gewandtheit sicher genug technische Auffassungs¬
gabe besitzen, um Erfolge zu gewährleisten. Warum greifen wir nicht zu den
gleichen Mitteln? Das argentinische Bahnnetz ist so sehr unter englischer Kontrolle, das;
sich die Uankees vorläufig offen nicht daran wagen. Aber auf der anderen Seite
des trägen gelben Wassers gibt es noch allerhand zu versuchen. Uruguay ist
ein Land, das seine einzig dastehende gesunde Geldwirtschaft nicht zum wenigsten
Söhnen Rostocks, Lübecks und Bremens zu verdanken hat. Nicht nur Liebig,
auch die beiden Koppel haben sich im südöstlichen La Plata-Staat über
Mangel an Einfluß nicht zu beklagen. Aber was hilft es? Die Konzession sür
die aussichtsreichste Bahnlinie von Ost nach West, die von Coronilla nach Santa
Rosa und für den Hafen von La Coronilla haben die Uankees in der
Tasche, nachdem die anfangs an diesem Geschäft beteiligten Engländer sich
sanft haben herausdrücken lassen. Ist es Zufall, daß gleichzeitig die Ouincke-
Koppelsche Konzession für La Paloma treinta y ers8 so sehr darunter leidet,
daß die Franzosen ihre Konzession für den Hafenbau von La Paloma langsam
versanden lassen? Die Vertreter von den Pariser Neflies und dem Inter¬
nationalen, jedoch in erster Linie von New Aork ressortierenden Bankhause
Speyer trifft man in Südamerika immer in denselben Hotels, meist Tür
an Tür.

Wir gehen wieder weiter nordwärts. Solange die geplanten direkten
Luxusschnelldampfer vom La Plata nach Hoboken ihren Dienst noch nicht
begonnen haben, müssen wir auf dem Wege nach New Uork wohl oder übel
in Rio Halt machen. Es lohnt sich schon, denn neben Sidneu und Kon¬
stantinopel ist Rio der großartigste und landschaftlich vielleicht der schönste
Hafen der Welt. Hier werden wir sogleich der Flagge des „Brasilianischen"
Llovd ansichtig, dieser Schiffsgesellschaft, die nach mehrfachen gewaltigen Ver¬
lusten endlich ihren Retter in New Orleans gefunden hat. Die besten Namen
der amerikanischen Hochfinanz und Diplomatie stehen zu ihrer Verfügung. Ein
schneller Schiffsdienst von der Mündung des Riesenstromes nach Rio, von da den
La Plata und Parana hinauf nach Assuncion: das ist das vorläufige Programm.
Wenn es glückt, werden diese Schiffe in nicht allzuferner Zeit im kanalisierten
Missisippi und Ohio selbst bis Pittsburgh Kaffee bringen und ans dem Eisenherzen
der Union Stahl holen können. Für die unumgängliche Notwendigkeit eines
innigsten Anschlusses der Vereinigten Staaten von Brasilien an die gleiche
Firma des Nordens gibt es ein durchschlagendes Argument: Wir Uankees kaufen bei
euch jährlich für 25 Millionen Pfund Tropenerzeugnisse, also erheblich mehr als
Deutschland und England zusammen. Ihr Brasilianer habt euch im Jahre
1910 nur mit 6 Millionen Pfund Abnahme von unseren viel besseren Aus¬
fuhrerzeugnissen erkenntlich gezeigt (das Jahr vorher waren es nur 4,5), während
ihr von Deutschland und England nahezu das vierfache bezöge. Kommt, Ver¬
einigte Staaten von Brasilien, an das Bruderherz der Vereinigten Staaten des


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[0602] „Amerika den Amerikanern" aus Heer und Flotte so viele, die als wirkliche Gentlemen hinübergehen könnten und die neben gesellschaftlicher Gewandtheit sicher genug technische Auffassungs¬ gabe besitzen, um Erfolge zu gewährleisten. Warum greifen wir nicht zu den gleichen Mitteln? Das argentinische Bahnnetz ist so sehr unter englischer Kontrolle, das; sich die Uankees vorläufig offen nicht daran wagen. Aber auf der anderen Seite des trägen gelben Wassers gibt es noch allerhand zu versuchen. Uruguay ist ein Land, das seine einzig dastehende gesunde Geldwirtschaft nicht zum wenigsten Söhnen Rostocks, Lübecks und Bremens zu verdanken hat. Nicht nur Liebig, auch die beiden Koppel haben sich im südöstlichen La Plata-Staat über Mangel an Einfluß nicht zu beklagen. Aber was hilft es? Die Konzession sür die aussichtsreichste Bahnlinie von Ost nach West, die von Coronilla nach Santa Rosa und für den Hafen von La Coronilla haben die Uankees in der Tasche, nachdem die anfangs an diesem Geschäft beteiligten Engländer sich sanft haben herausdrücken lassen. Ist es Zufall, daß gleichzeitig die Ouincke- Koppelsche Konzession für La Paloma treinta y ers8 so sehr darunter leidet, daß die Franzosen ihre Konzession für den Hafenbau von La Paloma langsam versanden lassen? Die Vertreter von den Pariser Neflies und dem Inter¬ nationalen, jedoch in erster Linie von New Aork ressortierenden Bankhause Speyer trifft man in Südamerika immer in denselben Hotels, meist Tür an Tür. Wir gehen wieder weiter nordwärts. Solange die geplanten direkten Luxusschnelldampfer vom La Plata nach Hoboken ihren Dienst noch nicht begonnen haben, müssen wir auf dem Wege nach New Uork wohl oder übel in Rio Halt machen. Es lohnt sich schon, denn neben Sidneu und Kon¬ stantinopel ist Rio der großartigste und landschaftlich vielleicht der schönste Hafen der Welt. Hier werden wir sogleich der Flagge des „Brasilianischen" Llovd ansichtig, dieser Schiffsgesellschaft, die nach mehrfachen gewaltigen Ver¬ lusten endlich ihren Retter in New Orleans gefunden hat. Die besten Namen der amerikanischen Hochfinanz und Diplomatie stehen zu ihrer Verfügung. Ein schneller Schiffsdienst von der Mündung des Riesenstromes nach Rio, von da den La Plata und Parana hinauf nach Assuncion: das ist das vorläufige Programm. Wenn es glückt, werden diese Schiffe in nicht allzuferner Zeit im kanalisierten Missisippi und Ohio selbst bis Pittsburgh Kaffee bringen und ans dem Eisenherzen der Union Stahl holen können. Für die unumgängliche Notwendigkeit eines innigsten Anschlusses der Vereinigten Staaten von Brasilien an die gleiche Firma des Nordens gibt es ein durchschlagendes Argument: Wir Uankees kaufen bei euch jährlich für 25 Millionen Pfund Tropenerzeugnisse, also erheblich mehr als Deutschland und England zusammen. Ihr Brasilianer habt euch im Jahre 1910 nur mit 6 Millionen Pfund Abnahme von unseren viel besseren Aus¬ fuhrerzeugnissen erkenntlich gezeigt (das Jahr vorher waren es nur 4,5), während ihr von Deutschland und England nahezu das vierfache bezöge. Kommt, Ver¬ einigte Staaten von Brasilien, an das Bruderherz der Vereinigten Staaten des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/602>, abgerufen am 22.07.2024.