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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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"Amerika den Amerikanern"

den vorhandenen Verkehrsverhältnissen Boliviens von vornherein gar nicht
gedacht werden konnte. Einen wirksamen gesetzlichen Schutz des Publikums
gegen derartige Ausbeutung gibt es bekanntlich in den Vereinigten Staaten
nicht. Wer noch daran zweifelt, dem müssen die Hetzreden zwischen Taft und
Rooseoelt im Wahlkampf dieses Frühjahrs die Augen über diese bedauerliche
Tatsache geöffnet haben.

Wie die amerikanischen Kanzleien und Konsulate im Auslande für die
wirtschaftliche Expansionspolitik der Aankees arbeiten, ist längst kein Ge¬
heimnis. Die täglichen "Reports des Department of Commerce and Labor",
die unentgeltlich Tag für Tag auf Tausende von Direktionstischen fliegen,
unterrichten über die wirtschaftlichen Vorgänge selbst in den entferntesten Winkeln
der Welt. Uns interessiert hier die Tatsache, daß diese Reports seit Jahren
den wirtschaftlichen Dingen in Südamerika einen Platz einräumen, der in gar
keinem Verhältnis zu dem bisherigen Anteil der Union am südamerikanischen
Handel steht. Ich habe trotz jahrelangen Aufenthaltes in Südamerika und
einer Tätigkeit, die mich mit sehr vielen maßgebenden Leuten in Handel und
Finanz zusammenführte, nie so umfangreiche, eingehende und zutreffende
Auskünfte über die Entwicklung ökonomischer Verhältnisse in Südamerika
erhalten können, als während der Monate, in denen ich in New Aork, Pitts-
burg und Chicago täglich Gelegenheit hatte, diese Reports zu lesen. Aber
die amerikanischen Konsulate in Südamerika beschränken sich nicht nur auf die
offizielle Berichterstattung an ihre Behörde in Washington, welche die Heraus¬
gabe der Reports besorgt. Sie geben auch jedem, auf welche Frage es immer
sei, in einer Weise Auskunft, die an Genauigkeit und Schnelligkeit ihresgleichen
sucht. Der ^oreiZn NanaMi- eines großen Chicagoer Hauses hatte alle erdenk¬
lichen Schritte getan, um ein möglichst vollständiges Verzeichnis sämtlicher Minen-
nnd Eisenbahningenieure und -interessenten in Peru zu erhalten. Sein Ver¬
treter in Lima bekam nach langem Bemühen vom miriistsrio cle omento eine
Anzahl Adressen, die jedem Laufburschen in den Eisenhandlungen der peruanischen
Hauptstadt bekannt sind. Der Chicagoer hatte sich aber inzwischen via Washington
auch an die amerikanischen Konsulate in Peru gewandt und durch diese erhielt er eine
so vollständige Liste, daß das Handelsministerium in Lima selbst auf das höchste
-erstaunt war, in Peru soviele Minen- und Eisenbahninteressenten kennen zu lernen.




Zieht man in Betracht, was die europäischen Handelsstaaten von Süd¬
amerika beziehen und dort hinschicken und was sie in zwei Menschenaltern dort
selbst angelegt und ausgebaut haben, so erscheint der Anteil Nordamerikas an
dem wirtschaftlichen Emporblühen des Südens verhältnismäßig gering; aller¬
dings ist er in den letzten Jahren mächtig gewachsen.

Es kann nicht überraschen, daß in den beiden vom Antillenmeer bespülten,
nördlichsten Republiken des Südkontinents, die nur durch den Golf von der


„Amerika den Amerikanern"

den vorhandenen Verkehrsverhältnissen Boliviens von vornherein gar nicht
gedacht werden konnte. Einen wirksamen gesetzlichen Schutz des Publikums
gegen derartige Ausbeutung gibt es bekanntlich in den Vereinigten Staaten
nicht. Wer noch daran zweifelt, dem müssen die Hetzreden zwischen Taft und
Rooseoelt im Wahlkampf dieses Frühjahrs die Augen über diese bedauerliche
Tatsache geöffnet haben.

Wie die amerikanischen Kanzleien und Konsulate im Auslande für die
wirtschaftliche Expansionspolitik der Aankees arbeiten, ist längst kein Ge¬
heimnis. Die täglichen „Reports des Department of Commerce and Labor",
die unentgeltlich Tag für Tag auf Tausende von Direktionstischen fliegen,
unterrichten über die wirtschaftlichen Vorgänge selbst in den entferntesten Winkeln
der Welt. Uns interessiert hier die Tatsache, daß diese Reports seit Jahren
den wirtschaftlichen Dingen in Südamerika einen Platz einräumen, der in gar
keinem Verhältnis zu dem bisherigen Anteil der Union am südamerikanischen
Handel steht. Ich habe trotz jahrelangen Aufenthaltes in Südamerika und
einer Tätigkeit, die mich mit sehr vielen maßgebenden Leuten in Handel und
Finanz zusammenführte, nie so umfangreiche, eingehende und zutreffende
Auskünfte über die Entwicklung ökonomischer Verhältnisse in Südamerika
erhalten können, als während der Monate, in denen ich in New Aork, Pitts-
burg und Chicago täglich Gelegenheit hatte, diese Reports zu lesen. Aber
die amerikanischen Konsulate in Südamerika beschränken sich nicht nur auf die
offizielle Berichterstattung an ihre Behörde in Washington, welche die Heraus¬
gabe der Reports besorgt. Sie geben auch jedem, auf welche Frage es immer
sei, in einer Weise Auskunft, die an Genauigkeit und Schnelligkeit ihresgleichen
sucht. Der ^oreiZn NanaMi- eines großen Chicagoer Hauses hatte alle erdenk¬
lichen Schritte getan, um ein möglichst vollständiges Verzeichnis sämtlicher Minen-
nnd Eisenbahningenieure und -interessenten in Peru zu erhalten. Sein Ver¬
treter in Lima bekam nach langem Bemühen vom miriistsrio cle omento eine
Anzahl Adressen, die jedem Laufburschen in den Eisenhandlungen der peruanischen
Hauptstadt bekannt sind. Der Chicagoer hatte sich aber inzwischen via Washington
auch an die amerikanischen Konsulate in Peru gewandt und durch diese erhielt er eine
so vollständige Liste, daß das Handelsministerium in Lima selbst auf das höchste
-erstaunt war, in Peru soviele Minen- und Eisenbahninteressenten kennen zu lernen.




Zieht man in Betracht, was die europäischen Handelsstaaten von Süd¬
amerika beziehen und dort hinschicken und was sie in zwei Menschenaltern dort
selbst angelegt und ausgebaut haben, so erscheint der Anteil Nordamerikas an
dem wirtschaftlichen Emporblühen des Südens verhältnismäßig gering; aller¬
dings ist er in den letzten Jahren mächtig gewachsen.

Es kann nicht überraschen, daß in den beiden vom Antillenmeer bespülten,
nördlichsten Republiken des Südkontinents, die nur durch den Golf von der


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[0597] „Amerika den Amerikanern" den vorhandenen Verkehrsverhältnissen Boliviens von vornherein gar nicht gedacht werden konnte. Einen wirksamen gesetzlichen Schutz des Publikums gegen derartige Ausbeutung gibt es bekanntlich in den Vereinigten Staaten nicht. Wer noch daran zweifelt, dem müssen die Hetzreden zwischen Taft und Rooseoelt im Wahlkampf dieses Frühjahrs die Augen über diese bedauerliche Tatsache geöffnet haben. Wie die amerikanischen Kanzleien und Konsulate im Auslande für die wirtschaftliche Expansionspolitik der Aankees arbeiten, ist längst kein Ge¬ heimnis. Die täglichen „Reports des Department of Commerce and Labor", die unentgeltlich Tag für Tag auf Tausende von Direktionstischen fliegen, unterrichten über die wirtschaftlichen Vorgänge selbst in den entferntesten Winkeln der Welt. Uns interessiert hier die Tatsache, daß diese Reports seit Jahren den wirtschaftlichen Dingen in Südamerika einen Platz einräumen, der in gar keinem Verhältnis zu dem bisherigen Anteil der Union am südamerikanischen Handel steht. Ich habe trotz jahrelangen Aufenthaltes in Südamerika und einer Tätigkeit, die mich mit sehr vielen maßgebenden Leuten in Handel und Finanz zusammenführte, nie so umfangreiche, eingehende und zutreffende Auskünfte über die Entwicklung ökonomischer Verhältnisse in Südamerika erhalten können, als während der Monate, in denen ich in New Aork, Pitts- burg und Chicago täglich Gelegenheit hatte, diese Reports zu lesen. Aber die amerikanischen Konsulate in Südamerika beschränken sich nicht nur auf die offizielle Berichterstattung an ihre Behörde in Washington, welche die Heraus¬ gabe der Reports besorgt. Sie geben auch jedem, auf welche Frage es immer sei, in einer Weise Auskunft, die an Genauigkeit und Schnelligkeit ihresgleichen sucht. Der ^oreiZn NanaMi- eines großen Chicagoer Hauses hatte alle erdenk¬ lichen Schritte getan, um ein möglichst vollständiges Verzeichnis sämtlicher Minen- nnd Eisenbahningenieure und -interessenten in Peru zu erhalten. Sein Ver¬ treter in Lima bekam nach langem Bemühen vom miriistsrio cle omento eine Anzahl Adressen, die jedem Laufburschen in den Eisenhandlungen der peruanischen Hauptstadt bekannt sind. Der Chicagoer hatte sich aber inzwischen via Washington auch an die amerikanischen Konsulate in Peru gewandt und durch diese erhielt er eine so vollständige Liste, daß das Handelsministerium in Lima selbst auf das höchste -erstaunt war, in Peru soviele Minen- und Eisenbahninteressenten kennen zu lernen. Zieht man in Betracht, was die europäischen Handelsstaaten von Süd¬ amerika beziehen und dort hinschicken und was sie in zwei Menschenaltern dort selbst angelegt und ausgebaut haben, so erscheint der Anteil Nordamerikas an dem wirtschaftlichen Emporblühen des Südens verhältnismäßig gering; aller¬ dings ist er in den letzten Jahren mächtig gewachsen. Es kann nicht überraschen, daß in den beiden vom Antillenmeer bespülten, nördlichsten Republiken des Südkontinents, die nur durch den Golf von der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/597>, abgerufen am 22.07.2024.