Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
"Amerika den Amerikanern"

mächtigen Wasserstraße des Missisippi getrennt sind, nordamerikanischer Einfluß
sich in Handel und Wandel stärker geltend macht als weiter gen Süden. An
dem Gesamtaußenhandel Venezuelas nehmen die U. S. A. in der Einfuhr im
ganzen mit 30 v. H. teil, ein klein wenig mehr als Großbritannien, dreimal
so viel als Deutschland, und in der Ausfuhr mit 35 v. H., während England
und Deutschland je nur 14 v. H. des venezolanischen Exports beanspruchen.
In Kolumbien schneidet die Union noch besser ab. Sie bezieht die Hälfte der
gesamten Ausfuhr dieses Landes und ist an seiner Einfuhr mit einem Viertel
beteiligt. Daran hat auch alles berechtigte Mißtrauen der Kolumbianer gegen
die Dankees seit dem Panamaputsch nichts ändern können. Im Gegenteil. Die
Beteiligungsziffer der Vereinigten Staaten am kolumbischen Außenhandel ist in
dauerndem Steigen begriffen. Die Union verdankt dies hauptsächlich den Schiffen
der Urite<j I^ruit Lompan^, die zwar unter dem Union Jack segelt, deren
Kapital jedoch heute fast ausschließlich von Wallstreet kontrolliert wird. Zu
denken gibt, daß diese Schiffahrtsgesellschaft, die bisher in einem Vertrags¬
verhältnis zur Hapag stand, sür die Beförderung von tropischen Früchten diesen
Vertrag bei seinem kürzlichen Ablauf nicht erneuerte. Grund: Die Hamburger
haben selbst große Landkonzessionen auf kolumbischen Gebiet erworben, wogegen
die U. t^. L. Protest eingelegt hat. Südamerika den Nordamerikanern. Auch
das im Bogotalande angelegte werbende nordamerikanische Kapital ist nicht
unbedeutend. Die Schätzungen gehen aber derart auseinander, daß es besser
scheint, keine Zahlen zu nennen. Daß die Bürger von Bogota gelegentlich
einmal einige Wochen die nordamerikanische Straßenbahn boykottierten und sich
auch sonst widerspenstig zeigten, wenn die Uankees zu übermütig wurden, hat
diese nur veranlaßt, bei Anlage neuer Kapitalien in Kolumbien den Umweg
über Antwerpener oder Pariser Banken zu wählen.

Das beste Beispiel für die wahren Absichten der Nordamerikaner auf Süd¬
amerika bietet Ecuador. Da die Galapagosinseln heute noch ecuatorianisches
Gebiet sind, obwohl Washington dem arg verschuldeten Lande wieder und wieder
dafür eine Riesensumme bot, ist nur dem Umstände zu verdanken, daß die
Uankees sich durch ihr Auftreten am Äquator beispiellos verhaßt machten. An¬
gesichts dieser Volksstimmung wagte es selbst der inzwischen verstorbene frühere
Präsident, General Eloy Also.ro, in letzter Stunde nicht, seine Unterschrift
unter den bereits fertigen Staatsvertrag zu setzen. Bekanntlich hatte der jetzt
ebenfalls verstorbene Mr. Harmann in Gemeinschaft mit Also.ro die Bahn von
Duayaquil nach Quito geschaffen. Der Bau dauerte zehn Jahre, verschlang
mehr als 40 Millionen Mark, d. h. pro Kilometer 70000 Mark, und das Land
schuldet den Bondholders nicht nur diese Summe und die Zinsen für eine Reihe
von Jahren, sondern hat den Schienenweg, mit allem was drum und dran
hängt, auch noch seinen Gläubigern überlassen müssen, um Ruhe vor ihnen zu
haben. Der Betrieb der Bahn und ihr rollendes Material spotten jeder Be¬
schreibung. Auch ein gut Teil der letzten Unruhen in Ecuador, nach der


„Amerika den Amerikanern"

mächtigen Wasserstraße des Missisippi getrennt sind, nordamerikanischer Einfluß
sich in Handel und Wandel stärker geltend macht als weiter gen Süden. An
dem Gesamtaußenhandel Venezuelas nehmen die U. S. A. in der Einfuhr im
ganzen mit 30 v. H. teil, ein klein wenig mehr als Großbritannien, dreimal
so viel als Deutschland, und in der Ausfuhr mit 35 v. H., während England
und Deutschland je nur 14 v. H. des venezolanischen Exports beanspruchen.
In Kolumbien schneidet die Union noch besser ab. Sie bezieht die Hälfte der
gesamten Ausfuhr dieses Landes und ist an seiner Einfuhr mit einem Viertel
beteiligt. Daran hat auch alles berechtigte Mißtrauen der Kolumbianer gegen
die Dankees seit dem Panamaputsch nichts ändern können. Im Gegenteil. Die
Beteiligungsziffer der Vereinigten Staaten am kolumbischen Außenhandel ist in
dauerndem Steigen begriffen. Die Union verdankt dies hauptsächlich den Schiffen
der Urite<j I^ruit Lompan^, die zwar unter dem Union Jack segelt, deren
Kapital jedoch heute fast ausschließlich von Wallstreet kontrolliert wird. Zu
denken gibt, daß diese Schiffahrtsgesellschaft, die bisher in einem Vertrags¬
verhältnis zur Hapag stand, sür die Beförderung von tropischen Früchten diesen
Vertrag bei seinem kürzlichen Ablauf nicht erneuerte. Grund: Die Hamburger
haben selbst große Landkonzessionen auf kolumbischen Gebiet erworben, wogegen
die U. t^. L. Protest eingelegt hat. Südamerika den Nordamerikanern. Auch
das im Bogotalande angelegte werbende nordamerikanische Kapital ist nicht
unbedeutend. Die Schätzungen gehen aber derart auseinander, daß es besser
scheint, keine Zahlen zu nennen. Daß die Bürger von Bogota gelegentlich
einmal einige Wochen die nordamerikanische Straßenbahn boykottierten und sich
auch sonst widerspenstig zeigten, wenn die Uankees zu übermütig wurden, hat
diese nur veranlaßt, bei Anlage neuer Kapitalien in Kolumbien den Umweg
über Antwerpener oder Pariser Banken zu wählen.

Das beste Beispiel für die wahren Absichten der Nordamerikaner auf Süd¬
amerika bietet Ecuador. Da die Galapagosinseln heute noch ecuatorianisches
Gebiet sind, obwohl Washington dem arg verschuldeten Lande wieder und wieder
dafür eine Riesensumme bot, ist nur dem Umstände zu verdanken, daß die
Uankees sich durch ihr Auftreten am Äquator beispiellos verhaßt machten. An¬
gesichts dieser Volksstimmung wagte es selbst der inzwischen verstorbene frühere
Präsident, General Eloy Also.ro, in letzter Stunde nicht, seine Unterschrift
unter den bereits fertigen Staatsvertrag zu setzen. Bekanntlich hatte der jetzt
ebenfalls verstorbene Mr. Harmann in Gemeinschaft mit Also.ro die Bahn von
Duayaquil nach Quito geschaffen. Der Bau dauerte zehn Jahre, verschlang
mehr als 40 Millionen Mark, d. h. pro Kilometer 70000 Mark, und das Land
schuldet den Bondholders nicht nur diese Summe und die Zinsen für eine Reihe
von Jahren, sondern hat den Schienenweg, mit allem was drum und dran
hängt, auch noch seinen Gläubigern überlassen müssen, um Ruhe vor ihnen zu
haben. Der Betrieb der Bahn und ihr rollendes Material spotten jeder Be¬
schreibung. Auch ein gut Teil der letzten Unruhen in Ecuador, nach der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0598" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322345"/>
          <fw type="header" place="top"> &#x201E;Amerika den Amerikanern"</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2678" prev="#ID_2677"> mächtigen Wasserstraße des Missisippi getrennt sind, nordamerikanischer Einfluß<lb/>
sich in Handel und Wandel stärker geltend macht als weiter gen Süden. An<lb/>
dem Gesamtaußenhandel Venezuelas nehmen die U. S. A. in der Einfuhr im<lb/>
ganzen mit 30 v. H. teil, ein klein wenig mehr als Großbritannien, dreimal<lb/>
so viel als Deutschland, und in der Ausfuhr mit 35 v. H., während England<lb/>
und Deutschland je nur 14 v. H. des venezolanischen Exports beanspruchen.<lb/>
In Kolumbien schneidet die Union noch besser ab. Sie bezieht die Hälfte der<lb/>
gesamten Ausfuhr dieses Landes und ist an seiner Einfuhr mit einem Viertel<lb/>
beteiligt. Daran hat auch alles berechtigte Mißtrauen der Kolumbianer gegen<lb/>
die Dankees seit dem Panamaputsch nichts ändern können. Im Gegenteil. Die<lb/>
Beteiligungsziffer der Vereinigten Staaten am kolumbischen Außenhandel ist in<lb/>
dauerndem Steigen begriffen. Die Union verdankt dies hauptsächlich den Schiffen<lb/>
der Urite&lt;j I^ruit Lompan^, die zwar unter dem Union Jack segelt, deren<lb/>
Kapital jedoch heute fast ausschließlich von Wallstreet kontrolliert wird. Zu<lb/>
denken gibt, daß diese Schiffahrtsgesellschaft, die bisher in einem Vertrags¬<lb/>
verhältnis zur Hapag stand, sür die Beförderung von tropischen Früchten diesen<lb/>
Vertrag bei seinem kürzlichen Ablauf nicht erneuerte. Grund: Die Hamburger<lb/>
haben selbst große Landkonzessionen auf kolumbischen Gebiet erworben, wogegen<lb/>
die U. t^. L. Protest eingelegt hat. Südamerika den Nordamerikanern. Auch<lb/>
das im Bogotalande angelegte werbende nordamerikanische Kapital ist nicht<lb/>
unbedeutend. Die Schätzungen gehen aber derart auseinander, daß es besser<lb/>
scheint, keine Zahlen zu nennen. Daß die Bürger von Bogota gelegentlich<lb/>
einmal einige Wochen die nordamerikanische Straßenbahn boykottierten und sich<lb/>
auch sonst widerspenstig zeigten, wenn die Uankees zu übermütig wurden, hat<lb/>
diese nur veranlaßt, bei Anlage neuer Kapitalien in Kolumbien den Umweg<lb/>
über Antwerpener oder Pariser Banken zu wählen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2679" next="#ID_2680"> Das beste Beispiel für die wahren Absichten der Nordamerikaner auf Süd¬<lb/>
amerika bietet Ecuador. Da die Galapagosinseln heute noch ecuatorianisches<lb/>
Gebiet sind, obwohl Washington dem arg verschuldeten Lande wieder und wieder<lb/>
dafür eine Riesensumme bot, ist nur dem Umstände zu verdanken, daß die<lb/>
Uankees sich durch ihr Auftreten am Äquator beispiellos verhaßt machten. An¬<lb/>
gesichts dieser Volksstimmung wagte es selbst der inzwischen verstorbene frühere<lb/>
Präsident, General Eloy Also.ro, in letzter Stunde nicht, seine Unterschrift<lb/>
unter den bereits fertigen Staatsvertrag zu setzen. Bekanntlich hatte der jetzt<lb/>
ebenfalls verstorbene Mr. Harmann in Gemeinschaft mit Also.ro die Bahn von<lb/>
Duayaquil nach Quito geschaffen. Der Bau dauerte zehn Jahre, verschlang<lb/>
mehr als 40 Millionen Mark, d. h. pro Kilometer 70000 Mark, und das Land<lb/>
schuldet den Bondholders nicht nur diese Summe und die Zinsen für eine Reihe<lb/>
von Jahren, sondern hat den Schienenweg, mit allem was drum und dran<lb/>
hängt, auch noch seinen Gläubigern überlassen müssen, um Ruhe vor ihnen zu<lb/>
haben. Der Betrieb der Bahn und ihr rollendes Material spotten jeder Be¬<lb/>
schreibung.  Auch ein gut Teil der letzten Unruhen in Ecuador, nach der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0598] „Amerika den Amerikanern" mächtigen Wasserstraße des Missisippi getrennt sind, nordamerikanischer Einfluß sich in Handel und Wandel stärker geltend macht als weiter gen Süden. An dem Gesamtaußenhandel Venezuelas nehmen die U. S. A. in der Einfuhr im ganzen mit 30 v. H. teil, ein klein wenig mehr als Großbritannien, dreimal so viel als Deutschland, und in der Ausfuhr mit 35 v. H., während England und Deutschland je nur 14 v. H. des venezolanischen Exports beanspruchen. In Kolumbien schneidet die Union noch besser ab. Sie bezieht die Hälfte der gesamten Ausfuhr dieses Landes und ist an seiner Einfuhr mit einem Viertel beteiligt. Daran hat auch alles berechtigte Mißtrauen der Kolumbianer gegen die Dankees seit dem Panamaputsch nichts ändern können. Im Gegenteil. Die Beteiligungsziffer der Vereinigten Staaten am kolumbischen Außenhandel ist in dauerndem Steigen begriffen. Die Union verdankt dies hauptsächlich den Schiffen der Urite<j I^ruit Lompan^, die zwar unter dem Union Jack segelt, deren Kapital jedoch heute fast ausschließlich von Wallstreet kontrolliert wird. Zu denken gibt, daß diese Schiffahrtsgesellschaft, die bisher in einem Vertrags¬ verhältnis zur Hapag stand, sür die Beförderung von tropischen Früchten diesen Vertrag bei seinem kürzlichen Ablauf nicht erneuerte. Grund: Die Hamburger haben selbst große Landkonzessionen auf kolumbischen Gebiet erworben, wogegen die U. t^. L. Protest eingelegt hat. Südamerika den Nordamerikanern. Auch das im Bogotalande angelegte werbende nordamerikanische Kapital ist nicht unbedeutend. Die Schätzungen gehen aber derart auseinander, daß es besser scheint, keine Zahlen zu nennen. Daß die Bürger von Bogota gelegentlich einmal einige Wochen die nordamerikanische Straßenbahn boykottierten und sich auch sonst widerspenstig zeigten, wenn die Uankees zu übermütig wurden, hat diese nur veranlaßt, bei Anlage neuer Kapitalien in Kolumbien den Umweg über Antwerpener oder Pariser Banken zu wählen. Das beste Beispiel für die wahren Absichten der Nordamerikaner auf Süd¬ amerika bietet Ecuador. Da die Galapagosinseln heute noch ecuatorianisches Gebiet sind, obwohl Washington dem arg verschuldeten Lande wieder und wieder dafür eine Riesensumme bot, ist nur dem Umstände zu verdanken, daß die Uankees sich durch ihr Auftreten am Äquator beispiellos verhaßt machten. An¬ gesichts dieser Volksstimmung wagte es selbst der inzwischen verstorbene frühere Präsident, General Eloy Also.ro, in letzter Stunde nicht, seine Unterschrift unter den bereits fertigen Staatsvertrag zu setzen. Bekanntlich hatte der jetzt ebenfalls verstorbene Mr. Harmann in Gemeinschaft mit Also.ro die Bahn von Duayaquil nach Quito geschaffen. Der Bau dauerte zehn Jahre, verschlang mehr als 40 Millionen Mark, d. h. pro Kilometer 70000 Mark, und das Land schuldet den Bondholders nicht nur diese Summe und die Zinsen für eine Reihe von Jahren, sondern hat den Schienenweg, mit allem was drum und dran hängt, auch noch seinen Gläubigern überlassen müssen, um Ruhe vor ihnen zu haben. Der Betrieb der Bahn und ihr rollendes Material spotten jeder Be¬ schreibung. Auch ein gut Teil der letzten Unruhen in Ecuador, nach der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/598
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/598>, abgerufen am 22.07.2024.