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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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"Amerika den Amerikanern"

von Rio (1906) und Buenos Aires (1910) das eigentliche Wesen des Pan-
amerikanismus nicht verschleiern. Die Mehrheit der in den öffentlichen Sitzungen
wirklich arbeitenden, nicht nur dekorativen und diplomatischen Kongreßmitglieder
aus Nord und Süd gehört der Rechtsgelehrsamkeit, der Wissenschaft, der Technik,
der Literatur, der Friedensbewegung an. Diese Vertreter der idealen Güter
der Menschheit merken es bei ihrem selbstlosen Streben nicht, daß sie nur die Puppen
für die Drahtzieher der wirtschaftlichen und politischen südamerikanischen Bewegung
in Chicago, Denver, Frisco, New Uork und Washington sind. Das "Internationale
Bureau der amerikanischen Republiken" in der Bundeshauptstadt versteht es meister¬
haft, reinen Idealismus als Wesenskern des Panamerikanismus hinzustellen.
Professorenaustausch zwischen Nord und Süd, Herüberziehen südamerikanischer
Studenten zu den Dollaruniversitäten, die mit Freistellen nicht zu geizen brauchen,
panamerikanisches wissenschaftliches Zentralbureau, panamerikanische wissenschaftliche
Kongresse -- der erste hat 1908 in Santiago de Chile stattgefunden --, Ver¬
breitung von wirklich oder scheinbar rein wissenschaftlicher panamerikanischer
Literatur in erschreckender Unmenge, internationale Schiedsgerichte, hygienische
und Rechtsfragen, Patent- und Musterschutz bilden das offizielle Arbeitsprogramm
des ständigen Zentralbureaus der Vereinigung der amerikanischen Republiken in
Washington. Ihm hat der Friedensfürst aus Pittsburg nach Analogie seiner
Haager Schenkung ein glänzendes Prachtheim errichtet, in dessen vornehmen
Räumen den Kijos ac tamilia, aus dem Süden von uneigennützigen nord¬
amerikanischen Zentlemen der Hof gemacht wird. Andere Carnegies sorgen
dafür, daß es nie an IVlg,l-aL0iÄ8*) fehle für den panamerikanischen Säckel. Er
braucht viel.

Obwohl, wie gesagt, die letzten panamerikanischen Kongresse sich im Gegen¬
satz zum ersten in der breiten Öffentlichkeit mehr mit kulturellen, juristischen,
erzieherischen und wissenschaftlichen Problemen beschäftigten, wurde das
wirtschaftliche und politische Element aus den offiziellen Programmen doch
nicht ganz ausgeschaltet. Freilich, die eigentliche wirtschaftlich-politische Wühl¬
arbeit wurde im geheimen betrieben. Weder in Rio noch in Buenos Aires
fehlt es an traulichen Weinstuben und Klubs, die zu solchen intimen Ver¬
handlungen einladen. Und wie überall in der Welt gibt es natürlich auch in
den südafrikanischen Freistaaten Leute genug, die über einem augenblicklichen
persönlichen oder gemeinnützigen Vorteil den Blick für das große Ganze, für
die Bedürfnisse der Zukunft verlieren. So manche der großen Aankee-Konzessionen
und Gründungen, die inzwischen teils effektiv geworden sind, teils über kurz oder
lang Zustandekommen werden, verdanken ihre Entstehung solchen vertraulichen
Pourparlers im Jockeiklub oder Plaza-Hotel der argentinischen Metropole.

Öffentlich standen auf den letzten panamerikanischen Kongressen im wesentlichen
drei wirtschaftliche Themen zur Erörterung. Eins davon, dessen Verwirklichung



*) So nennt man in Caracas das dort besonders seltene goldene Zwanzigdollarstück.
„Amerika den Amerikanern"

von Rio (1906) und Buenos Aires (1910) das eigentliche Wesen des Pan-
amerikanismus nicht verschleiern. Die Mehrheit der in den öffentlichen Sitzungen
wirklich arbeitenden, nicht nur dekorativen und diplomatischen Kongreßmitglieder
aus Nord und Süd gehört der Rechtsgelehrsamkeit, der Wissenschaft, der Technik,
der Literatur, der Friedensbewegung an. Diese Vertreter der idealen Güter
der Menschheit merken es bei ihrem selbstlosen Streben nicht, daß sie nur die Puppen
für die Drahtzieher der wirtschaftlichen und politischen südamerikanischen Bewegung
in Chicago, Denver, Frisco, New Uork und Washington sind. Das „Internationale
Bureau der amerikanischen Republiken" in der Bundeshauptstadt versteht es meister¬
haft, reinen Idealismus als Wesenskern des Panamerikanismus hinzustellen.
Professorenaustausch zwischen Nord und Süd, Herüberziehen südamerikanischer
Studenten zu den Dollaruniversitäten, die mit Freistellen nicht zu geizen brauchen,
panamerikanisches wissenschaftliches Zentralbureau, panamerikanische wissenschaftliche
Kongresse — der erste hat 1908 in Santiago de Chile stattgefunden —, Ver¬
breitung von wirklich oder scheinbar rein wissenschaftlicher panamerikanischer
Literatur in erschreckender Unmenge, internationale Schiedsgerichte, hygienische
und Rechtsfragen, Patent- und Musterschutz bilden das offizielle Arbeitsprogramm
des ständigen Zentralbureaus der Vereinigung der amerikanischen Republiken in
Washington. Ihm hat der Friedensfürst aus Pittsburg nach Analogie seiner
Haager Schenkung ein glänzendes Prachtheim errichtet, in dessen vornehmen
Räumen den Kijos ac tamilia, aus dem Süden von uneigennützigen nord¬
amerikanischen Zentlemen der Hof gemacht wird. Andere Carnegies sorgen
dafür, daß es nie an IVlg,l-aL0iÄ8*) fehle für den panamerikanischen Säckel. Er
braucht viel.

Obwohl, wie gesagt, die letzten panamerikanischen Kongresse sich im Gegen¬
satz zum ersten in der breiten Öffentlichkeit mehr mit kulturellen, juristischen,
erzieherischen und wissenschaftlichen Problemen beschäftigten, wurde das
wirtschaftliche und politische Element aus den offiziellen Programmen doch
nicht ganz ausgeschaltet. Freilich, die eigentliche wirtschaftlich-politische Wühl¬
arbeit wurde im geheimen betrieben. Weder in Rio noch in Buenos Aires
fehlt es an traulichen Weinstuben und Klubs, die zu solchen intimen Ver¬
handlungen einladen. Und wie überall in der Welt gibt es natürlich auch in
den südafrikanischen Freistaaten Leute genug, die über einem augenblicklichen
persönlichen oder gemeinnützigen Vorteil den Blick für das große Ganze, für
die Bedürfnisse der Zukunft verlieren. So manche der großen Aankee-Konzessionen
und Gründungen, die inzwischen teils effektiv geworden sind, teils über kurz oder
lang Zustandekommen werden, verdanken ihre Entstehung solchen vertraulichen
Pourparlers im Jockeiklub oder Plaza-Hotel der argentinischen Metropole.

Öffentlich standen auf den letzten panamerikanischen Kongressen im wesentlichen
drei wirtschaftliche Themen zur Erörterung. Eins davon, dessen Verwirklichung



*) So nennt man in Caracas das dort besonders seltene goldene Zwanzigdollarstück.
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[0595] „Amerika den Amerikanern" von Rio (1906) und Buenos Aires (1910) das eigentliche Wesen des Pan- amerikanismus nicht verschleiern. Die Mehrheit der in den öffentlichen Sitzungen wirklich arbeitenden, nicht nur dekorativen und diplomatischen Kongreßmitglieder aus Nord und Süd gehört der Rechtsgelehrsamkeit, der Wissenschaft, der Technik, der Literatur, der Friedensbewegung an. Diese Vertreter der idealen Güter der Menschheit merken es bei ihrem selbstlosen Streben nicht, daß sie nur die Puppen für die Drahtzieher der wirtschaftlichen und politischen südamerikanischen Bewegung in Chicago, Denver, Frisco, New Uork und Washington sind. Das „Internationale Bureau der amerikanischen Republiken" in der Bundeshauptstadt versteht es meister¬ haft, reinen Idealismus als Wesenskern des Panamerikanismus hinzustellen. Professorenaustausch zwischen Nord und Süd, Herüberziehen südamerikanischer Studenten zu den Dollaruniversitäten, die mit Freistellen nicht zu geizen brauchen, panamerikanisches wissenschaftliches Zentralbureau, panamerikanische wissenschaftliche Kongresse — der erste hat 1908 in Santiago de Chile stattgefunden —, Ver¬ breitung von wirklich oder scheinbar rein wissenschaftlicher panamerikanischer Literatur in erschreckender Unmenge, internationale Schiedsgerichte, hygienische und Rechtsfragen, Patent- und Musterschutz bilden das offizielle Arbeitsprogramm des ständigen Zentralbureaus der Vereinigung der amerikanischen Republiken in Washington. Ihm hat der Friedensfürst aus Pittsburg nach Analogie seiner Haager Schenkung ein glänzendes Prachtheim errichtet, in dessen vornehmen Räumen den Kijos ac tamilia, aus dem Süden von uneigennützigen nord¬ amerikanischen Zentlemen der Hof gemacht wird. Andere Carnegies sorgen dafür, daß es nie an IVlg,l-aL0iÄ8*) fehle für den panamerikanischen Säckel. Er braucht viel. Obwohl, wie gesagt, die letzten panamerikanischen Kongresse sich im Gegen¬ satz zum ersten in der breiten Öffentlichkeit mehr mit kulturellen, juristischen, erzieherischen und wissenschaftlichen Problemen beschäftigten, wurde das wirtschaftliche und politische Element aus den offiziellen Programmen doch nicht ganz ausgeschaltet. Freilich, die eigentliche wirtschaftlich-politische Wühl¬ arbeit wurde im geheimen betrieben. Weder in Rio noch in Buenos Aires fehlt es an traulichen Weinstuben und Klubs, die zu solchen intimen Ver¬ handlungen einladen. Und wie überall in der Welt gibt es natürlich auch in den südafrikanischen Freistaaten Leute genug, die über einem augenblicklichen persönlichen oder gemeinnützigen Vorteil den Blick für das große Ganze, für die Bedürfnisse der Zukunft verlieren. So manche der großen Aankee-Konzessionen und Gründungen, die inzwischen teils effektiv geworden sind, teils über kurz oder lang Zustandekommen werden, verdanken ihre Entstehung solchen vertraulichen Pourparlers im Jockeiklub oder Plaza-Hotel der argentinischen Metropole. Öffentlich standen auf den letzten panamerikanischen Kongressen im wesentlichen drei wirtschaftliche Themen zur Erörterung. Eins davon, dessen Verwirklichung *) So nennt man in Caracas das dort besonders seltene goldene Zwanzigdollarstück.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/595>, abgerufen am 03.07.2024.