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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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"Amerika den Amerikanern"

seiner Grenzen Ruhe und Ordnung zu schaffen. Die zentralamerikanischen Klein¬
staaten befinden sich bereits vielfach in so weitgehender finanzieller Abhängigkeit
von Wallstreet, daß sie sich wohl oder übel in absehbarer Zeit mit dem Pan-
amerikanismus im Jankeesinne abfinden müssen. Der Frühjahrsbesuch des Staats¬
sekretärs Knox in den mittelamerikanischen Hauptstädten hat in dieser Richtung
kräftig fördernd gewirkt. Dagegen dürften die westindischen Kolonien und die
drei Guyanas für die panamerikanischen Wünsche einstweilen noch ein starkes
Hindernis bilden. Bleibt Südamerika. Damit kommen wir zu dem wahren
Sinn unseres Schlagwortes: Für "Amerika den Amerikanern" lies: "Süd¬
amerika den Nordamerikanern" und für Nordamerika setze: die Gewaltigen von
Wallstreet, die Schwerindustrie von Pittsburg, die Minenkönige von Kolorado,
nicht etwa die Gesamtheit der Bürger der Union, denen der Door-Town-
Jmperialismus vielfach noch etwas Fremdes, sogar Unsympathisches ist.

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind über Nacht ein Exportland
geworden. Nicht allmählich auf dem Wege gesunder und folgerichtiger Ent¬
wicklung, wie die großen und kleinen Handelsstaaten der alten Welt, sondern infolge
der künstlichen Steigerung des Marktes, die den beispiellosen Aufschwung im
Lande der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten kennzeichnet.

Die auf solche Weise allzuschnell Reichgewordenen und mehr noch die vielen,
die es gerne werden möchten, erkennen oder fühlen seit geraumer Zeit instinktiv,
daß die Hebung der Schätze ihres Landes allmählich tieferes schürfen heischt.
Aber an Arbeit im europäischen Sinne des Wortes nicht gewöhnt, richten sie
ihre Blicke dahin, wo die gleiche Methode des Raubbaues noch schnellen Gewinn
zu versprechen scheint, nach Südamerika.

Die panamerikanischen Kongresse sind das Sprungbrett für die rücksichtslos
imperialistische nordamerikanische Aankee-Clique, die unter Haager Friedens¬
schalmeien den wirtschaftlichen Eroberungszug in die Länder Pizarros und
Bolivars angetreten hat. Der würde sich im Grabe herumdrehen, könnte er
hören, wie seine panamerikanische Idee, für die der von den Nordamerikanern
zufällig nicht beschickte Kongreß von Tacabuya 1826 die Basis schaffen sollte,
heute ausgelegt, und von wem und mit welchen Zielen die Idee verfochten wird.

Auf dem von Blaine 1888 berufenen ersten panamerikanischen Kongreß in
Washington standen wirtschaftliche Fragen, wie Gegenseitigkeit im Handelsverkehr.
Zollverein, Panamerikanische Nordsüdbahn offen als Hauptthemen zur Erörterung.
Aber der Kongreß zeitigte kaum praktische wirtschaftliche Ergebnisse. Als dann
die südamerikanische Krankheit unter den Jankees schnell zunahm und einsichtige
Südamerikaner und Europäer vereinzelt die im Panamerikanismus schlummernde
internationale Gefahr zu wittern begannen, war man vorsichtig genug, ihm ge¬
schwind ein Mäntelchen umzuhängen. Die offiziellen Programme der folgenden drei
panamerikanischen Kongresse, weisen neben wirtschaftlichen Themen mehr und
mehr rechtliche, schiedsgerichtliche, hygienische, erzieherische und wissenschaftliche
Verhandlungsgegenstände auf. Aber auch einem Unkundigen können die Tagungen


„Amerika den Amerikanern"

seiner Grenzen Ruhe und Ordnung zu schaffen. Die zentralamerikanischen Klein¬
staaten befinden sich bereits vielfach in so weitgehender finanzieller Abhängigkeit
von Wallstreet, daß sie sich wohl oder übel in absehbarer Zeit mit dem Pan-
amerikanismus im Jankeesinne abfinden müssen. Der Frühjahrsbesuch des Staats¬
sekretärs Knox in den mittelamerikanischen Hauptstädten hat in dieser Richtung
kräftig fördernd gewirkt. Dagegen dürften die westindischen Kolonien und die
drei Guyanas für die panamerikanischen Wünsche einstweilen noch ein starkes
Hindernis bilden. Bleibt Südamerika. Damit kommen wir zu dem wahren
Sinn unseres Schlagwortes: Für „Amerika den Amerikanern" lies: „Süd¬
amerika den Nordamerikanern" und für Nordamerika setze: die Gewaltigen von
Wallstreet, die Schwerindustrie von Pittsburg, die Minenkönige von Kolorado,
nicht etwa die Gesamtheit der Bürger der Union, denen der Door-Town-
Jmperialismus vielfach noch etwas Fremdes, sogar Unsympathisches ist.

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind über Nacht ein Exportland
geworden. Nicht allmählich auf dem Wege gesunder und folgerichtiger Ent¬
wicklung, wie die großen und kleinen Handelsstaaten der alten Welt, sondern infolge
der künstlichen Steigerung des Marktes, die den beispiellosen Aufschwung im
Lande der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten kennzeichnet.

Die auf solche Weise allzuschnell Reichgewordenen und mehr noch die vielen,
die es gerne werden möchten, erkennen oder fühlen seit geraumer Zeit instinktiv,
daß die Hebung der Schätze ihres Landes allmählich tieferes schürfen heischt.
Aber an Arbeit im europäischen Sinne des Wortes nicht gewöhnt, richten sie
ihre Blicke dahin, wo die gleiche Methode des Raubbaues noch schnellen Gewinn
zu versprechen scheint, nach Südamerika.

Die panamerikanischen Kongresse sind das Sprungbrett für die rücksichtslos
imperialistische nordamerikanische Aankee-Clique, die unter Haager Friedens¬
schalmeien den wirtschaftlichen Eroberungszug in die Länder Pizarros und
Bolivars angetreten hat. Der würde sich im Grabe herumdrehen, könnte er
hören, wie seine panamerikanische Idee, für die der von den Nordamerikanern
zufällig nicht beschickte Kongreß von Tacabuya 1826 die Basis schaffen sollte,
heute ausgelegt, und von wem und mit welchen Zielen die Idee verfochten wird.

Auf dem von Blaine 1888 berufenen ersten panamerikanischen Kongreß in
Washington standen wirtschaftliche Fragen, wie Gegenseitigkeit im Handelsverkehr.
Zollverein, Panamerikanische Nordsüdbahn offen als Hauptthemen zur Erörterung.
Aber der Kongreß zeitigte kaum praktische wirtschaftliche Ergebnisse. Als dann
die südamerikanische Krankheit unter den Jankees schnell zunahm und einsichtige
Südamerikaner und Europäer vereinzelt die im Panamerikanismus schlummernde
internationale Gefahr zu wittern begannen, war man vorsichtig genug, ihm ge¬
schwind ein Mäntelchen umzuhängen. Die offiziellen Programme der folgenden drei
panamerikanischen Kongresse, weisen neben wirtschaftlichen Themen mehr und
mehr rechtliche, schiedsgerichtliche, hygienische, erzieherische und wissenschaftliche
Verhandlungsgegenstände auf. Aber auch einem Unkundigen können die Tagungen


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[0594] „Amerika den Amerikanern" seiner Grenzen Ruhe und Ordnung zu schaffen. Die zentralamerikanischen Klein¬ staaten befinden sich bereits vielfach in so weitgehender finanzieller Abhängigkeit von Wallstreet, daß sie sich wohl oder übel in absehbarer Zeit mit dem Pan- amerikanismus im Jankeesinne abfinden müssen. Der Frühjahrsbesuch des Staats¬ sekretärs Knox in den mittelamerikanischen Hauptstädten hat in dieser Richtung kräftig fördernd gewirkt. Dagegen dürften die westindischen Kolonien und die drei Guyanas für die panamerikanischen Wünsche einstweilen noch ein starkes Hindernis bilden. Bleibt Südamerika. Damit kommen wir zu dem wahren Sinn unseres Schlagwortes: Für „Amerika den Amerikanern" lies: „Süd¬ amerika den Nordamerikanern" und für Nordamerika setze: die Gewaltigen von Wallstreet, die Schwerindustrie von Pittsburg, die Minenkönige von Kolorado, nicht etwa die Gesamtheit der Bürger der Union, denen der Door-Town- Jmperialismus vielfach noch etwas Fremdes, sogar Unsympathisches ist. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind über Nacht ein Exportland geworden. Nicht allmählich auf dem Wege gesunder und folgerichtiger Ent¬ wicklung, wie die großen und kleinen Handelsstaaten der alten Welt, sondern infolge der künstlichen Steigerung des Marktes, die den beispiellosen Aufschwung im Lande der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten kennzeichnet. Die auf solche Weise allzuschnell Reichgewordenen und mehr noch die vielen, die es gerne werden möchten, erkennen oder fühlen seit geraumer Zeit instinktiv, daß die Hebung der Schätze ihres Landes allmählich tieferes schürfen heischt. Aber an Arbeit im europäischen Sinne des Wortes nicht gewöhnt, richten sie ihre Blicke dahin, wo die gleiche Methode des Raubbaues noch schnellen Gewinn zu versprechen scheint, nach Südamerika. Die panamerikanischen Kongresse sind das Sprungbrett für die rücksichtslos imperialistische nordamerikanische Aankee-Clique, die unter Haager Friedens¬ schalmeien den wirtschaftlichen Eroberungszug in die Länder Pizarros und Bolivars angetreten hat. Der würde sich im Grabe herumdrehen, könnte er hören, wie seine panamerikanische Idee, für die der von den Nordamerikanern zufällig nicht beschickte Kongreß von Tacabuya 1826 die Basis schaffen sollte, heute ausgelegt, und von wem und mit welchen Zielen die Idee verfochten wird. Auf dem von Blaine 1888 berufenen ersten panamerikanischen Kongreß in Washington standen wirtschaftliche Fragen, wie Gegenseitigkeit im Handelsverkehr. Zollverein, Panamerikanische Nordsüdbahn offen als Hauptthemen zur Erörterung. Aber der Kongreß zeitigte kaum praktische wirtschaftliche Ergebnisse. Als dann die südamerikanische Krankheit unter den Jankees schnell zunahm und einsichtige Südamerikaner und Europäer vereinzelt die im Panamerikanismus schlummernde internationale Gefahr zu wittern begannen, war man vorsichtig genug, ihm ge¬ schwind ein Mäntelchen umzuhängen. Die offiziellen Programme der folgenden drei panamerikanischen Kongresse, weisen neben wirtschaftlichen Themen mehr und mehr rechtliche, schiedsgerichtliche, hygienische, erzieherische und wissenschaftliche Verhandlungsgegenstände auf. Aber auch einem Unkundigen können die Tagungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/594>, abgerufen am 03.07.2024.