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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Die deutschen Volksbanken in Gberschlefien

Geschäftsleitung, welche sich ebenso weit von Engherzigkeit wie von leichtsinniger
Unternehmungslust hielt. So entwickelte sich die Bank erfreulich rasch und brachte
es bis zum Schlüsse des Geschäftsjahres 1911 auf siebenhundertsiebenundneunzig
Genossen mit einem eingezahlten Kapital von 272000 Mark und 300000 Mark
Spareinlagen. Ihr Umsatz im Jahre 1911 betrug 60 Millionen Mark, ihr
Reingewinn 32500 Mark. Sie hat die letzten beiden Jahre eine Dividende
von 5 Prozent ausgeschüttet und konnte dabei noch erhebliche Rückstellungen in
die Reservefonds machen. 1911 erhielt sie eine wertvolle wirtschaftliche Stärkung
dadurch, daß ihrem Direktor als Treuhänder der Bank eine Königlich Preußische
Lotteriekollekte übertragen wurde. Der Gewinn aus dieser fließt in die Kasse
der Bank. Im Austausch für diese Zuwendung erklärte sie sich bereit, die
30000 Mark des Fürsten Henckel vorzeitig zurückzugeben.

Der Boden für die Gründung deutscher Genossenschaftsbanken, die in einen
bewußten Gegensatz zu den polnischen Volksbanken treten sollten, war bei den
politischen Kämpfen in Oberschlesien wohl seit Jahren ein günstiger gewesen, es
bedürfte nur des Erfolges der Kattowitzer Bank, um anderwärts zur Nach¬
eiferung anzuspornen. Nachdem ungefähr gleichzeitig mit der Kattowitzer
Gründung der Bürgermeister Heuser in Myslowitz die Deutsche Volksbank
in Myslowitz gegründet hatte, beriefen die Ortsgruppen des Deutschen Ost¬
markenvereins in Königshütte, Zabrze und Gleiwitz, und der Amtsvorsteher
Klopsteg von Siemianowitz, sowie der Kaufmännische Verein in Siemianowitz
den Amtsrichter Dr. Sontag nach ihren Gemeinden, um auch bei ihnen Deutsche
Volksbanken zu gründen. Er leistete diesem Rufe Folge, und an allen diesen
Orten entstanden von 1909 bis 1911 nach seiner Anleitung Deutsche Volks¬
banken, welche sich durchweg als lebensfähig erwiesen haben und in einer
erfreulichen Entwicklung begriffen sind. Es seien hier kurz die Ergebnisse des
letzten Geschäftsjahres (in runden Zahlen) zusammengestellt.

Zahl
der
GenossenEingezahlte
Geschäfts¬
anteileDepositenReserve¬
fondsGewinn
M.M.M.M.
Myslowitz.....43241 000162 00070009700
Kömgshütte.....41346 000367 00037006100
Zabrze......32461 000268 0004000-- 2700
Gleiwitz......64481000180 000fehlt noch
(erst 1911 gegr.)
Siemianowitz-Laurahütte 21166 00090 0006563600

Bei der Gründung der Deutschen Volksbanken in Zabrze und Gleiwitz hat
sich die Großindustrie wenigstens teilweise beteiligt. In Gleiwitz gehörte auch
der dortige Landgerichtspräsident zu den ersten Genossen und zu denen, welche
der Bank von vornherein ein lebhaftes Interesse zuwandten; in Zabrze trat
der Landrat des Kreises in den Aufsichtsrat ein. In Königshütte und Siemia¬
nowitz-Laurahütte dagegen verhielt sich die führende industrielle Persönlichkeit


Die deutschen Volksbanken in Gberschlefien

Geschäftsleitung, welche sich ebenso weit von Engherzigkeit wie von leichtsinniger
Unternehmungslust hielt. So entwickelte sich die Bank erfreulich rasch und brachte
es bis zum Schlüsse des Geschäftsjahres 1911 auf siebenhundertsiebenundneunzig
Genossen mit einem eingezahlten Kapital von 272000 Mark und 300000 Mark
Spareinlagen. Ihr Umsatz im Jahre 1911 betrug 60 Millionen Mark, ihr
Reingewinn 32500 Mark. Sie hat die letzten beiden Jahre eine Dividende
von 5 Prozent ausgeschüttet und konnte dabei noch erhebliche Rückstellungen in
die Reservefonds machen. 1911 erhielt sie eine wertvolle wirtschaftliche Stärkung
dadurch, daß ihrem Direktor als Treuhänder der Bank eine Königlich Preußische
Lotteriekollekte übertragen wurde. Der Gewinn aus dieser fließt in die Kasse
der Bank. Im Austausch für diese Zuwendung erklärte sie sich bereit, die
30000 Mark des Fürsten Henckel vorzeitig zurückzugeben.

Der Boden für die Gründung deutscher Genossenschaftsbanken, die in einen
bewußten Gegensatz zu den polnischen Volksbanken treten sollten, war bei den
politischen Kämpfen in Oberschlesien wohl seit Jahren ein günstiger gewesen, es
bedürfte nur des Erfolges der Kattowitzer Bank, um anderwärts zur Nach¬
eiferung anzuspornen. Nachdem ungefähr gleichzeitig mit der Kattowitzer
Gründung der Bürgermeister Heuser in Myslowitz die Deutsche Volksbank
in Myslowitz gegründet hatte, beriefen die Ortsgruppen des Deutschen Ost¬
markenvereins in Königshütte, Zabrze und Gleiwitz, und der Amtsvorsteher
Klopsteg von Siemianowitz, sowie der Kaufmännische Verein in Siemianowitz
den Amtsrichter Dr. Sontag nach ihren Gemeinden, um auch bei ihnen Deutsche
Volksbanken zu gründen. Er leistete diesem Rufe Folge, und an allen diesen
Orten entstanden von 1909 bis 1911 nach seiner Anleitung Deutsche Volks¬
banken, welche sich durchweg als lebensfähig erwiesen haben und in einer
erfreulichen Entwicklung begriffen sind. Es seien hier kurz die Ergebnisse des
letzten Geschäftsjahres (in runden Zahlen) zusammengestellt.

Zahl
der
GenossenEingezahlte
Geschäfts¬
anteileDepositenReserve¬
fondsGewinn
M.M.M.M.
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Gleiwitz......64481000180 000fehlt noch
(erst 1911 gegr.)
Siemianowitz-Laurahütte 21166 00090 0006563600

Bei der Gründung der Deutschen Volksbanken in Zabrze und Gleiwitz hat
sich die Großindustrie wenigstens teilweise beteiligt. In Gleiwitz gehörte auch
der dortige Landgerichtspräsident zu den ersten Genossen und zu denen, welche
der Bank von vornherein ein lebhaftes Interesse zuwandten; in Zabrze trat
der Landrat des Kreises in den Aufsichtsrat ein. In Königshütte und Siemia¬
nowitz-Laurahütte dagegen verhielt sich die führende industrielle Persönlichkeit


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[0516] Die deutschen Volksbanken in Gberschlefien Geschäftsleitung, welche sich ebenso weit von Engherzigkeit wie von leichtsinniger Unternehmungslust hielt. So entwickelte sich die Bank erfreulich rasch und brachte es bis zum Schlüsse des Geschäftsjahres 1911 auf siebenhundertsiebenundneunzig Genossen mit einem eingezahlten Kapital von 272000 Mark und 300000 Mark Spareinlagen. Ihr Umsatz im Jahre 1911 betrug 60 Millionen Mark, ihr Reingewinn 32500 Mark. Sie hat die letzten beiden Jahre eine Dividende von 5 Prozent ausgeschüttet und konnte dabei noch erhebliche Rückstellungen in die Reservefonds machen. 1911 erhielt sie eine wertvolle wirtschaftliche Stärkung dadurch, daß ihrem Direktor als Treuhänder der Bank eine Königlich Preußische Lotteriekollekte übertragen wurde. Der Gewinn aus dieser fließt in die Kasse der Bank. Im Austausch für diese Zuwendung erklärte sie sich bereit, die 30000 Mark des Fürsten Henckel vorzeitig zurückzugeben. Der Boden für die Gründung deutscher Genossenschaftsbanken, die in einen bewußten Gegensatz zu den polnischen Volksbanken treten sollten, war bei den politischen Kämpfen in Oberschlesien wohl seit Jahren ein günstiger gewesen, es bedürfte nur des Erfolges der Kattowitzer Bank, um anderwärts zur Nach¬ eiferung anzuspornen. Nachdem ungefähr gleichzeitig mit der Kattowitzer Gründung der Bürgermeister Heuser in Myslowitz die Deutsche Volksbank in Myslowitz gegründet hatte, beriefen die Ortsgruppen des Deutschen Ost¬ markenvereins in Königshütte, Zabrze und Gleiwitz, und der Amtsvorsteher Klopsteg von Siemianowitz, sowie der Kaufmännische Verein in Siemianowitz den Amtsrichter Dr. Sontag nach ihren Gemeinden, um auch bei ihnen Deutsche Volksbanken zu gründen. Er leistete diesem Rufe Folge, und an allen diesen Orten entstanden von 1909 bis 1911 nach seiner Anleitung Deutsche Volks¬ banken, welche sich durchweg als lebensfähig erwiesen haben und in einer erfreulichen Entwicklung begriffen sind. Es seien hier kurz die Ergebnisse des letzten Geschäftsjahres (in runden Zahlen) zusammengestellt. Zahl der GenossenEingezahlte Geschäfts¬ anteileDepositenReserve¬ fondsGewinn M.M.M.M. Myslowitz.....43241 000162 00070009700 Kömgshütte.....41346 000367 00037006100 Zabrze......32461 000268 0004000— 2700 Gleiwitz......64481000180 000fehlt noch (erst 1911 gegr.) Siemianowitz-Laurahütte 21166 00090 0006563600 Bei der Gründung der Deutschen Volksbanken in Zabrze und Gleiwitz hat sich die Großindustrie wenigstens teilweise beteiligt. In Gleiwitz gehörte auch der dortige Landgerichtspräsident zu den ersten Genossen und zu denen, welche der Bank von vornherein ein lebhaftes Interesse zuwandten; in Zabrze trat der Landrat des Kreises in den Aufsichtsrat ein. In Königshütte und Siemia¬ nowitz-Laurahütte dagegen verhielt sich die führende industrielle Persönlichkeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/516>, abgerufen am 22.07.2024.