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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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lichen Verhandlung nicht gekommen, und
die Offiziere von Bietinghoff und Kmnmler
wären nicht von einomZivilgericht öffentlich
verurteilt worden, sondern von dem zustän¬
digen Offizierehrengericht. Herr Knittel Hütte
eS Wohl nach solcher Rehabilitierung auch
als Richter für taktvoll gefunden, um seine
Versetzung aus Rybnik nachzusuchen. Der
Herr Justizminister hätte, durch den Herrn
Kriegsminister aufgeklärt, zweifelslos keiner¬
lei Schwierigkeiten bereitet. Also mit einigem
Takt und gutem Willen war die Angelegenheit
nus der Welt zu schaffen, ohne das Aufheben
und ohne die Blamage für unser Offizier¬
korps. Nun wird sie von den Armeegegnern
weidlich ausgeschlachtet und Presse und
Parlament reichlich Stoff zu Erörterungen
liefern, die dem Ansehen des Offizier¬
korps nicht förderlich sein können. Es scheint
auch, als wollten die betroffenen Borgesetzten
den Kampf weiter führen: andernfalls wäre
es nicht verständlich, wie Generalleutnant
von der Groeben nach den loyalen und ein¬
wandfreien Erklärungen Knittels auf der
Klage gegen Knittel bestehen könnte. Man
will offenbar eine Verurteilung Knittels wegen
Beleidigung unter allen Umständen herbei¬
führen, um wenigstens einen Schein des
Rechts zu schaffen, der gegen Knittel spräche.
Doch bleibt noch die Hoffnung, daß Exzellenz
von der Groeben sich eines anderen besinnt:
auch eine Verurteilung Knittels wegen der
Beleidigung Groebens würde an dem in
Ratibor gefällten Urteil nicht ein Titelchen än¬
dern. Im übrigen sind uns für die Suche selbst
um die eS sich hier handelt weder Herr Knittel
noch Exzellenz von der Groeben interessant.
Wir haben keine Veranlassung für Herrn
Knittel einzutreten, dessen Auffassung von
der Polenpolitik des Zentrums der unsrigen
diametral gegenübersteht.


Die politische Haltung Knittels ist es
denn auch, die der sogenannten "nationalen"
Presse in diesem Falle eine Zurückhaltung
gegenüber der Heeresleitung auferlegt, die
angesichts der sonstigen Ergebnisse des Prozesses
bedauert werden muß. Zweifellos hätte das
Offizierkorps des betreffenden Landwehrbezirks
ein Recht gehabt, Herrn Knittel auszustoßen,

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wenn seine Ansichten mit den im Offizier¬
korps herrschenden unvereinbar gewesen wären.
Dann aber hätten auch sämtliche Zentrums¬
mitglieder, die für den Polen gestimmt haben,
mit hinausgemußt, und vor allen Dingen die
hochadligen Führer. Aber der Ehrenrat des
Landwehroffizierkorps hat durchaus im Ein¬
klang mit der Verfassung und mit den An¬
sichten des obersten Kriegsherrn Knittel für
würdig erachtet, die Offiziersuniform weiter
zu tragen. Mit diesem Urteil des Offizier¬
ehrenrats hat sich die Presse abzufinden. .

Um so mehr aber wird unsere Aufmerk¬
samkeit in Anspruch genommen durch die zutage
getretenen Mängel in derjenigen Organisation,
die durch Vermittlung der Parlamente und
der Presse unter Mitwirkung der ganzen
Nation entstanden sind. Und in dieser Be¬
ziehung wollen wir uns die Sehkraft nicht
trüben lassen durch den Zorn über das Ver¬
halten des Politischen Gegners.


Ein offenkundiger Fehler in der Organi¬
sation ist die Bestimmung der Wehrordnung,
wonach die Überführung eines Reserveoffiziers
zur Landwehr in jeden: Falle durch den Kom¬
mandeur desjenigen Regiments erfolgen muß,
dessen Uniform der Betreffende trägt. Ganz
abgesehen davon, daß der Reserveoffizier
durchaus nicht immer bei demselben Regiment
zur Übung eingezogen werden muß, also auch
der Fall eintreten kann, daß der zuständige
Regimentskommandeur den Reserveoffizier,
über dessen Zukunft er formal zu entscheiden
hat, Persönlich gar nicht kennt, führt gerade
diese Bestimmung dazu, Vorgänge des bürger¬
lichen und Politischen Lebens ins Heer zu
tragen, und, was mir noch vielschwerwiegender
erscheint, das Verantwortlichkeitsgefühl bei
einer für den Geist des Offizierkorps sehr
wichtigen Kategorie von Vorgesetzten, bei den
Kommandeuren, abzustumpfen. Selbst bei
einem so idealen Regimentskommandeur,
wie es der nunmehrige General von Wundt
war, tritt die Möglichkeit ein, einen ihm
persönlich sympathischen, dienstlich tüchtigen
Offizier aus seinein Regiment entfernen zu
müssen, weil er sich auf die Aussage des gleich¬
berechtigten Bezirkskommandeur verlassen muß.
Der Bezirkskommandeur ersucht in einem offi-

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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lichen Verhandlung nicht gekommen, und
die Offiziere von Bietinghoff und Kmnmler
wären nicht von einomZivilgericht öffentlich
verurteilt worden, sondern von dem zustän¬
digen Offizierehrengericht. Herr Knittel Hütte
eS Wohl nach solcher Rehabilitierung auch
als Richter für taktvoll gefunden, um seine
Versetzung aus Rybnik nachzusuchen. Der
Herr Justizminister hätte, durch den Herrn
Kriegsminister aufgeklärt, zweifelslos keiner¬
lei Schwierigkeiten bereitet. Also mit einigem
Takt und gutem Willen war die Angelegenheit
nus der Welt zu schaffen, ohne das Aufheben
und ohne die Blamage für unser Offizier¬
korps. Nun wird sie von den Armeegegnern
weidlich ausgeschlachtet und Presse und
Parlament reichlich Stoff zu Erörterungen
liefern, die dem Ansehen des Offizier¬
korps nicht förderlich sein können. Es scheint
auch, als wollten die betroffenen Borgesetzten
den Kampf weiter führen: andernfalls wäre
es nicht verständlich, wie Generalleutnant
von der Groeben nach den loyalen und ein¬
wandfreien Erklärungen Knittels auf der
Klage gegen Knittel bestehen könnte. Man
will offenbar eine Verurteilung Knittels wegen
Beleidigung unter allen Umständen herbei¬
führen, um wenigstens einen Schein des
Rechts zu schaffen, der gegen Knittel spräche.
Doch bleibt noch die Hoffnung, daß Exzellenz
von der Groeben sich eines anderen besinnt:
auch eine Verurteilung Knittels wegen der
Beleidigung Groebens würde an dem in
Ratibor gefällten Urteil nicht ein Titelchen än¬
dern. Im übrigen sind uns für die Suche selbst
um die eS sich hier handelt weder Herr Knittel
noch Exzellenz von der Groeben interessant.
Wir haben keine Veranlassung für Herrn
Knittel einzutreten, dessen Auffassung von
der Polenpolitik des Zentrums der unsrigen
diametral gegenübersteht.


Die politische Haltung Knittels ist es
denn auch, die der sogenannten „nationalen"
Presse in diesem Falle eine Zurückhaltung
gegenüber der Heeresleitung auferlegt, die
angesichts der sonstigen Ergebnisse des Prozesses
bedauert werden muß. Zweifellos hätte das
Offizierkorps des betreffenden Landwehrbezirks
ein Recht gehabt, Herrn Knittel auszustoßen,

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wenn seine Ansichten mit den im Offizier¬
korps herrschenden unvereinbar gewesen wären.
Dann aber hätten auch sämtliche Zentrums¬
mitglieder, die für den Polen gestimmt haben,
mit hinausgemußt, und vor allen Dingen die
hochadligen Führer. Aber der Ehrenrat des
Landwehroffizierkorps hat durchaus im Ein¬
klang mit der Verfassung und mit den An¬
sichten des obersten Kriegsherrn Knittel für
würdig erachtet, die Offiziersuniform weiter
zu tragen. Mit diesem Urteil des Offizier¬
ehrenrats hat sich die Presse abzufinden. .

Um so mehr aber wird unsere Aufmerk¬
samkeit in Anspruch genommen durch die zutage
getretenen Mängel in derjenigen Organisation,
die durch Vermittlung der Parlamente und
der Presse unter Mitwirkung der ganzen
Nation entstanden sind. Und in dieser Be¬
ziehung wollen wir uns die Sehkraft nicht
trüben lassen durch den Zorn über das Ver¬
halten des Politischen Gegners.


Ein offenkundiger Fehler in der Organi¬
sation ist die Bestimmung der Wehrordnung,
wonach die Überführung eines Reserveoffiziers
zur Landwehr in jeden: Falle durch den Kom¬
mandeur desjenigen Regiments erfolgen muß,
dessen Uniform der Betreffende trägt. Ganz
abgesehen davon, daß der Reserveoffizier
durchaus nicht immer bei demselben Regiment
zur Übung eingezogen werden muß, also auch
der Fall eintreten kann, daß der zuständige
Regimentskommandeur den Reserveoffizier,
über dessen Zukunft er formal zu entscheiden
hat, Persönlich gar nicht kennt, führt gerade
diese Bestimmung dazu, Vorgänge des bürger¬
lichen und Politischen Lebens ins Heer zu
tragen, und, was mir noch vielschwerwiegender
erscheint, das Verantwortlichkeitsgefühl bei
einer für den Geist des Offizierkorps sehr
wichtigen Kategorie von Vorgesetzten, bei den
Kommandeuren, abzustumpfen. Selbst bei
einem so idealen Regimentskommandeur,
wie es der nunmehrige General von Wundt
war, tritt die Möglichkeit ein, einen ihm
persönlich sympathischen, dienstlich tüchtigen
Offizier aus seinein Regiment entfernen zu
müssen, weil er sich auf die Aussage des gleich¬
berechtigten Bezirkskommandeur verlassen muß.
Der Bezirkskommandeur ersucht in einem offi-

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[0487] Maßgebliches und Unmaßgebliches lichen Verhandlung nicht gekommen, und die Offiziere von Bietinghoff und Kmnmler wären nicht von einomZivilgericht öffentlich verurteilt worden, sondern von dem zustän¬ digen Offizierehrengericht. Herr Knittel Hütte eS Wohl nach solcher Rehabilitierung auch als Richter für taktvoll gefunden, um seine Versetzung aus Rybnik nachzusuchen. Der Herr Justizminister hätte, durch den Herrn Kriegsminister aufgeklärt, zweifelslos keiner¬ lei Schwierigkeiten bereitet. Also mit einigem Takt und gutem Willen war die Angelegenheit nus der Welt zu schaffen, ohne das Aufheben und ohne die Blamage für unser Offizier¬ korps. Nun wird sie von den Armeegegnern weidlich ausgeschlachtet und Presse und Parlament reichlich Stoff zu Erörterungen liefern, die dem Ansehen des Offizier¬ korps nicht förderlich sein können. Es scheint auch, als wollten die betroffenen Borgesetzten den Kampf weiter führen: andernfalls wäre es nicht verständlich, wie Generalleutnant von der Groeben nach den loyalen und ein¬ wandfreien Erklärungen Knittels auf der Klage gegen Knittel bestehen könnte. Man will offenbar eine Verurteilung Knittels wegen Beleidigung unter allen Umständen herbei¬ führen, um wenigstens einen Schein des Rechts zu schaffen, der gegen Knittel spräche. Doch bleibt noch die Hoffnung, daß Exzellenz von der Groeben sich eines anderen besinnt: auch eine Verurteilung Knittels wegen der Beleidigung Groebens würde an dem in Ratibor gefällten Urteil nicht ein Titelchen än¬ dern. Im übrigen sind uns für die Suche selbst um die eS sich hier handelt weder Herr Knittel noch Exzellenz von der Groeben interessant. Wir haben keine Veranlassung für Herrn Knittel einzutreten, dessen Auffassung von der Polenpolitik des Zentrums der unsrigen diametral gegenübersteht. Die politische Haltung Knittels ist es denn auch, die der sogenannten „nationalen" Presse in diesem Falle eine Zurückhaltung gegenüber der Heeresleitung auferlegt, die angesichts der sonstigen Ergebnisse des Prozesses bedauert werden muß. Zweifellos hätte das Offizierkorps des betreffenden Landwehrbezirks ein Recht gehabt, Herrn Knittel auszustoßen, wenn seine Ansichten mit den im Offizier¬ korps herrschenden unvereinbar gewesen wären. Dann aber hätten auch sämtliche Zentrums¬ mitglieder, die für den Polen gestimmt haben, mit hinausgemußt, und vor allen Dingen die hochadligen Führer. Aber der Ehrenrat des Landwehroffizierkorps hat durchaus im Ein¬ klang mit der Verfassung und mit den An¬ sichten des obersten Kriegsherrn Knittel für würdig erachtet, die Offiziersuniform weiter zu tragen. Mit diesem Urteil des Offizier¬ ehrenrats hat sich die Presse abzufinden. . Um so mehr aber wird unsere Aufmerk¬ samkeit in Anspruch genommen durch die zutage getretenen Mängel in derjenigen Organisation, die durch Vermittlung der Parlamente und der Presse unter Mitwirkung der ganzen Nation entstanden sind. Und in dieser Be¬ ziehung wollen wir uns die Sehkraft nicht trüben lassen durch den Zorn über das Ver¬ halten des Politischen Gegners. Ein offenkundiger Fehler in der Organi¬ sation ist die Bestimmung der Wehrordnung, wonach die Überführung eines Reserveoffiziers zur Landwehr in jeden: Falle durch den Kom¬ mandeur desjenigen Regiments erfolgen muß, dessen Uniform der Betreffende trägt. Ganz abgesehen davon, daß der Reserveoffizier durchaus nicht immer bei demselben Regiment zur Übung eingezogen werden muß, also auch der Fall eintreten kann, daß der zuständige Regimentskommandeur den Reserveoffizier, über dessen Zukunft er formal zu entscheiden hat, Persönlich gar nicht kennt, führt gerade diese Bestimmung dazu, Vorgänge des bürger¬ lichen und Politischen Lebens ins Heer zu tragen, und, was mir noch vielschwerwiegender erscheint, das Verantwortlichkeitsgefühl bei einer für den Geist des Offizierkorps sehr wichtigen Kategorie von Vorgesetzten, bei den Kommandeuren, abzustumpfen. Selbst bei einem so idealen Regimentskommandeur, wie es der nunmehrige General von Wundt war, tritt die Möglichkeit ein, einen ihm persönlich sympathischen, dienstlich tüchtigen Offizier aus seinein Regiment entfernen zu müssen, weil er sich auf die Aussage des gleich¬ berechtigten Bezirkskommandeur verlassen muß. Der Bezirkskommandeur ersucht in einem offi-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/487>, abgerufen am 03.07.2024.