Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.Ferdinand, Zar der Bulgaren König Ferdinand ist ein echter Koburger, ganz und gar wie vorherbestimmt Ferdinand, Zar der Bulgaren König Ferdinand ist ein echter Koburger, ganz und gar wie vorherbestimmt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0404" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322151"/> <fw type="header" place="top"> Ferdinand, Zar der Bulgaren</fw><lb/> <p xml:id="ID_1687"> König Ferdinand ist ein echter Koburger, ganz und gar wie vorherbestimmt<lb/> für eine Aufgabe, wie sie der eigentümlichen geschichtlichen Rolle seines<lb/> Hauses entspricht. Als im Jahre 1675 der jüngste von den sieben Söhnen<lb/> Ernsts des Frommen von Gotha nach glücklich beendeter Erbauseinandersetzung<lb/> mit seinen Brüdern seinen bescheidenen Herrensitz im Städtchen Saalfeld ein¬<lb/> nahm, konnte gewiß niemand daran denken, daß gerade aus diesem Stamme<lb/> das internationalste Herrscherhaus erblühen würde und daß seinen Nachkommen<lb/> drei Königskronen — vier würden es sein, wenn nicht über Portugal ein<lb/> schlimmes Verhängnis gewaltet hätte — zuteil werden würden. Eng und klein<lb/> waren die Verhältnisse für diesen jüngsten Zweig der ernestinischen.Wettiner,<lb/> aber um so eifriger strebten sie aus dieser Enge hinauszukommen. Ein jüngerer<lb/> Sohn des Herzogs Franz Josias von Sachsen-Koburg-Saalfeld, Prinz Friedrich<lb/> Josias, suchte sein Glück im Kriegsdienst des österreichischen Kaiserhauses. Er<lb/> hat als Feldmarschall im Türkenkriege unbewußt der Aufgabe vorgearbeitet, die<lb/> sein Ururgroßneffe dereinst zu erfüllen hatte. Nicht lange vor der Zeit, da der<lb/> alte Feldmarschall im Südosten die Lorbeeren des Prinzen Eugen zu erneuern<lb/> suchte, hatte sein Neffe, der regierende Herzog Franz von Sachsen-Koburg -<lb/> Saalfeld, der in seiner ersten Ehe kinderlos geblieben war, in seiner zweiten<lb/> Gemahlin, der Gräfin Auguste von Reuß-Ebersdors, die bedeutende Frau<lb/> gefunden, die dem Hause Koburg das besondere Gepräge gegeben hat. Von<lb/> ihr stammt zweifellos die politische Betriebsamkeit, der zähe Ehrgeiz und die<lb/> kluge Berechnung aller Chancen, wodurch das Haus Koburg zu seiner inter¬<lb/> nationalen Stellung gelangte. Zu den vielseitigen Bemühungen dieser klugen<lb/> Frau um die aussichtsvolle Versorgung ihrer Kinder gehört auch die Unter¬<lb/> bringung ihres zweiten Sohnes Ferdinand in der österreichischen Armee, in der<lb/> damals das Andenken an den alten Prinzen von Koburg noch lebendig war.<lb/> Prinz Ferdinand erfüllte freilich nicht die Erwartungen, die man hinsichtlich<lb/> seiner militärischen Laufbahn gehegt haben mochte, aber er führte eine der<lb/> reichsten Erbinnen Ungarns als Gattin heim, Antonie von Kohciry, die der<lb/> Kaiser in den Fürstenstand erhob. Das Haus Koburg-KolMn, das durch diese<lb/> Ehe begründet wurde — erst später legten die Angehörigen dieser Linie diese<lb/> Bezeichnung ab und nannten sich wie alle Mitglieder ihres Hauses fortan Prinzen<lb/> von Sachsen-Koburg und Gotha —, brachte für das koburgtsche Gesamthaus<lb/> eine neue Zukunftsmöglichkeit: Prinz Ferdinand ließ feine Kinder katholisch<lb/> erziehen. Die Geschäftigkeit seines jüngsten Bruders Leopold, des ersten Königs<lb/> der Belgier, sorgte dafür, daß dieses Moment gehörig ausgenutzt wurde, um<lb/> die politische Stellung der Koburger zu befestigen. Während er den ältesten<lb/> Sohn seines Bruders Ferdinand zum Gemahl der jungen Königin von Portugal<lb/> machte, vermittelte er, der ja selbst in seiner zweiten Ehe der Schwiegersohn<lb/> des Bürgerrönigs Louis Philippe geworden war, die Ehe zwischen seinem<lb/> jüngeren Neffen, dem Prinzen August und der jüngsten Tochter Louis Philipps,<lb/> der Prinzessin Clementine.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0404]
Ferdinand, Zar der Bulgaren
König Ferdinand ist ein echter Koburger, ganz und gar wie vorherbestimmt
für eine Aufgabe, wie sie der eigentümlichen geschichtlichen Rolle seines
Hauses entspricht. Als im Jahre 1675 der jüngste von den sieben Söhnen
Ernsts des Frommen von Gotha nach glücklich beendeter Erbauseinandersetzung
mit seinen Brüdern seinen bescheidenen Herrensitz im Städtchen Saalfeld ein¬
nahm, konnte gewiß niemand daran denken, daß gerade aus diesem Stamme
das internationalste Herrscherhaus erblühen würde und daß seinen Nachkommen
drei Königskronen — vier würden es sein, wenn nicht über Portugal ein
schlimmes Verhängnis gewaltet hätte — zuteil werden würden. Eng und klein
waren die Verhältnisse für diesen jüngsten Zweig der ernestinischen.Wettiner,
aber um so eifriger strebten sie aus dieser Enge hinauszukommen. Ein jüngerer
Sohn des Herzogs Franz Josias von Sachsen-Koburg-Saalfeld, Prinz Friedrich
Josias, suchte sein Glück im Kriegsdienst des österreichischen Kaiserhauses. Er
hat als Feldmarschall im Türkenkriege unbewußt der Aufgabe vorgearbeitet, die
sein Ururgroßneffe dereinst zu erfüllen hatte. Nicht lange vor der Zeit, da der
alte Feldmarschall im Südosten die Lorbeeren des Prinzen Eugen zu erneuern
suchte, hatte sein Neffe, der regierende Herzog Franz von Sachsen-Koburg -
Saalfeld, der in seiner ersten Ehe kinderlos geblieben war, in seiner zweiten
Gemahlin, der Gräfin Auguste von Reuß-Ebersdors, die bedeutende Frau
gefunden, die dem Hause Koburg das besondere Gepräge gegeben hat. Von
ihr stammt zweifellos die politische Betriebsamkeit, der zähe Ehrgeiz und die
kluge Berechnung aller Chancen, wodurch das Haus Koburg zu seiner inter¬
nationalen Stellung gelangte. Zu den vielseitigen Bemühungen dieser klugen
Frau um die aussichtsvolle Versorgung ihrer Kinder gehört auch die Unter¬
bringung ihres zweiten Sohnes Ferdinand in der österreichischen Armee, in der
damals das Andenken an den alten Prinzen von Koburg noch lebendig war.
Prinz Ferdinand erfüllte freilich nicht die Erwartungen, die man hinsichtlich
seiner militärischen Laufbahn gehegt haben mochte, aber er führte eine der
reichsten Erbinnen Ungarns als Gattin heim, Antonie von Kohciry, die der
Kaiser in den Fürstenstand erhob. Das Haus Koburg-KolMn, das durch diese
Ehe begründet wurde — erst später legten die Angehörigen dieser Linie diese
Bezeichnung ab und nannten sich wie alle Mitglieder ihres Hauses fortan Prinzen
von Sachsen-Koburg und Gotha —, brachte für das koburgtsche Gesamthaus
eine neue Zukunftsmöglichkeit: Prinz Ferdinand ließ feine Kinder katholisch
erziehen. Die Geschäftigkeit seines jüngsten Bruders Leopold, des ersten Königs
der Belgier, sorgte dafür, daß dieses Moment gehörig ausgenutzt wurde, um
die politische Stellung der Koburger zu befestigen. Während er den ältesten
Sohn seines Bruders Ferdinand zum Gemahl der jungen Königin von Portugal
machte, vermittelte er, der ja selbst in seiner zweiten Ehe der Schwiegersohn
des Bürgerrönigs Louis Philippe geworden war, die Ehe zwischen seinem
jüngeren Neffen, dem Prinzen August und der jüngsten Tochter Louis Philipps,
der Prinzessin Clementine.
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