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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Die Blumen des Florentin Uley
Margarete Ivindthorst Novelle von

r hieß Florentin, war auf dem Klenshofe in einer Bauerschaft
im Ravensoergischen geboren und groß geworden. Wer ihm den
seltenen Namen gab, hatte früh um ihn gewußt. Er ging mit
diesem Namen als ein Einzelner, Seltener stillhin seiner Wege;
sein Haar war blond und schimmernd und ließ die langen feinen
Fäden dem Wind zum Spiele, wie die goldenen Halme draußen im Felde im
Sonnenschein ihre Wellen im glücklichen sorglosen Winde haben; seine Augen
glichen in ihrem Glanz dem leuchtenden Rund von Ringen, welche Treue ver¬
sprechen. Er war aber nicht wie die anderen in Westfalen aus Eichholz
geschlagen, doch das weichere Mark in seinen Knochen war von keiner faulen Art.

Der Bauer Kiep, sein Vater, hatte die Augen zu früh zugetan, um ihn
ganz aufwachsen zu sehen, aber seine Mutter ging mit ihn: bis in seine zwanzig
Jahre. Sie war eine Frau von weit ausgreifender Kraft, männlich stark, und
in ihren bäurischen Kleidern mit stolz gehobenem Kopf; aber wie sich wohl
über jedes Menschenleben eine Saite zieht, die zu leicht gespannt ist, daß da
seine Schwachheit liegt, hatte sie eine wunderliche, tiefe Schwäche: den Florentin.

Sie hatte ihni als dem achten von ihren Söhnen den Namen aus dem
Kalender in die Taufe getragen. Ihre Liebe zu ihm war keine Zartheit von
feinen Worten, weil derart Spielendes dem schlichten Landvolk nicht in der
Mundart lag. Sie hätte nur die starken Hände auftun und dem Jungen den
Kopf halten sollen, wenn er die Stirn neigte und verträumt in den Tag ging.
Aber um diese Zeit ließ sie ihn gehen und sah ihm in blinder Vernarrtheit
den Weg nach.

Der Florentin war der Jüngste und nach dem Gesetz des Landes Anerbe.
Er ließ sich auch den Bauernkittel zurecht machen und paßte sich hinein; schier
zu weit war er ihm, wie die Ebene, in der seine Felder lagen. Wie er ihn
auszog und der blaue Kittel dalag, kam der Mutter die Angst um den
siebzehnjährigen, und sie sah ihn an wie einen, um den man aus Liebe
weinen kann.

Der Florentin wurde ums Lehrerwerden in die Stadt geschickt. Derzeit
lag zu Hause die Saat in den Feldern unterm Winter wie eingeschlafen, und


Grenzboten III 191S 4


Die Blumen des Florentin Uley
Margarete Ivindthorst Novelle von

r hieß Florentin, war auf dem Klenshofe in einer Bauerschaft
im Ravensoergischen geboren und groß geworden. Wer ihm den
seltenen Namen gab, hatte früh um ihn gewußt. Er ging mit
diesem Namen als ein Einzelner, Seltener stillhin seiner Wege;
sein Haar war blond und schimmernd und ließ die langen feinen
Fäden dem Wind zum Spiele, wie die goldenen Halme draußen im Felde im
Sonnenschein ihre Wellen im glücklichen sorglosen Winde haben; seine Augen
glichen in ihrem Glanz dem leuchtenden Rund von Ringen, welche Treue ver¬
sprechen. Er war aber nicht wie die anderen in Westfalen aus Eichholz
geschlagen, doch das weichere Mark in seinen Knochen war von keiner faulen Art.

Der Bauer Kiep, sein Vater, hatte die Augen zu früh zugetan, um ihn
ganz aufwachsen zu sehen, aber seine Mutter ging mit ihn: bis in seine zwanzig
Jahre. Sie war eine Frau von weit ausgreifender Kraft, männlich stark, und
in ihren bäurischen Kleidern mit stolz gehobenem Kopf; aber wie sich wohl
über jedes Menschenleben eine Saite zieht, die zu leicht gespannt ist, daß da
seine Schwachheit liegt, hatte sie eine wunderliche, tiefe Schwäche: den Florentin.

Sie hatte ihni als dem achten von ihren Söhnen den Namen aus dem
Kalender in die Taufe getragen. Ihre Liebe zu ihm war keine Zartheit von
feinen Worten, weil derart Spielendes dem schlichten Landvolk nicht in der
Mundart lag. Sie hätte nur die starken Hände auftun und dem Jungen den
Kopf halten sollen, wenn er die Stirn neigte und verträumt in den Tag ging.
Aber um diese Zeit ließ sie ihn gehen und sah ihm in blinder Vernarrtheit
den Weg nach.

Der Florentin war der Jüngste und nach dem Gesetz des Landes Anerbe.
Er ließ sich auch den Bauernkittel zurecht machen und paßte sich hinein; schier
zu weit war er ihm, wie die Ebene, in der seine Felder lagen. Wie er ihn
auszog und der blaue Kittel dalag, kam der Mutter die Angst um den
siebzehnjährigen, und sie sah ihn an wie einen, um den man aus Liebe
weinen kann.

Der Florentin wurde ums Lehrerwerden in die Stadt geschickt. Derzeit
lag zu Hause die Saat in den Feldern unterm Winter wie eingeschlafen, und


Grenzboten III 191S 4
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[0037] [Abbildung] Die Blumen des Florentin Uley Margarete Ivindthorst Novelle von r hieß Florentin, war auf dem Klenshofe in einer Bauerschaft im Ravensoergischen geboren und groß geworden. Wer ihm den seltenen Namen gab, hatte früh um ihn gewußt. Er ging mit diesem Namen als ein Einzelner, Seltener stillhin seiner Wege; sein Haar war blond und schimmernd und ließ die langen feinen Fäden dem Wind zum Spiele, wie die goldenen Halme draußen im Felde im Sonnenschein ihre Wellen im glücklichen sorglosen Winde haben; seine Augen glichen in ihrem Glanz dem leuchtenden Rund von Ringen, welche Treue ver¬ sprechen. Er war aber nicht wie die anderen in Westfalen aus Eichholz geschlagen, doch das weichere Mark in seinen Knochen war von keiner faulen Art. Der Bauer Kiep, sein Vater, hatte die Augen zu früh zugetan, um ihn ganz aufwachsen zu sehen, aber seine Mutter ging mit ihn: bis in seine zwanzig Jahre. Sie war eine Frau von weit ausgreifender Kraft, männlich stark, und in ihren bäurischen Kleidern mit stolz gehobenem Kopf; aber wie sich wohl über jedes Menschenleben eine Saite zieht, die zu leicht gespannt ist, daß da seine Schwachheit liegt, hatte sie eine wunderliche, tiefe Schwäche: den Florentin. Sie hatte ihni als dem achten von ihren Söhnen den Namen aus dem Kalender in die Taufe getragen. Ihre Liebe zu ihm war keine Zartheit von feinen Worten, weil derart Spielendes dem schlichten Landvolk nicht in der Mundart lag. Sie hätte nur die starken Hände auftun und dem Jungen den Kopf halten sollen, wenn er die Stirn neigte und verträumt in den Tag ging. Aber um diese Zeit ließ sie ihn gehen und sah ihm in blinder Vernarrtheit den Weg nach. Der Florentin war der Jüngste und nach dem Gesetz des Landes Anerbe. Er ließ sich auch den Bauernkittel zurecht machen und paßte sich hinein; schier zu weit war er ihm, wie die Ebene, in der seine Felder lagen. Wie er ihn auszog und der blaue Kittel dalag, kam der Mutter die Angst um den siebzehnjährigen, und sie sah ihn an wie einen, um den man aus Liebe weinen kann. Der Florentin wurde ums Lehrerwerden in die Stadt geschickt. Derzeit lag zu Hause die Saat in den Feldern unterm Winter wie eingeschlafen, und Grenzboten III 191S 4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/37>, abgerufen am 01.07.2024.