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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Bremen

und durch Erbauung des Dortmund-Ems-Kanals Emden der westfälischen In¬
dustrie nahe gebracht. Trotzdem vermochte dieser Hafenplatz bisher nicht die
gewünschte Entwicklung zu finden. Das wird u. a. auf das Fehlen von Emden
aufgehender, direkter Dampferlinien zurückgeführt. Bekannt sind die Bestrebungen
der sogenannten Hohenlohegruppe, in Emden eine Dampfschiffahrtsgesellschaft
zu gründen und sie durch Übernahme der Auswandererbeförderung lebensfähig
zu gestalten. Der Erteilung einer Konzession an die Hohenlohegruppe ist aus
den Hansestädten lebhaft widersprochen worden. Der Bundesrat hat der Hohen¬
lohegruppe die nachgesuchte Konzession auch nicht erteilt, weil er die Bedürfnis¬
frage nicht anerkannte. Es werden aber in Zukunft die Schiffe des Lloyd und
der Hapag Emden anlaufen, um seinen Warenverkehr zu heben und den Aus¬
wandererdienst zu versehen. Dadurch wird aller Voraussicht nach den Hanse¬
städten allerdings ein Teil des Auswandererverkehrs entzogen werden.

Bremen ist der Sitz verschiedener, leistungsfähiger Schiffahrtsgesellschaften.
Da ist die deutsche Dampfschiffahrtsgesellschaft "Hansa", die unter den deutschen
Schiffahrtsgesellschaften an dritter Stelle steht, mit ihrem reichen Verkehr nach
Ostindien, Argentinien usw. Ihre Schiffe fahren allerdings zum großen Teil
von Hamburg aus. Ferner die Dampfschiffahrtsgesellschaft "Argo", deren
Schiffe u. a. Bremens Verkehr mit England vermitteln, die Rolandlinie, deren
Schiffe nach Chile reisen, und die Dampfschiffahrtsgesellschaft "Neptun", die mit
ihren Schiffen die Nord- und Ostseehäfen besucht und den Rhein befährt,
schließlich noch die Hamburg-Bremer Afrikalinie mit ihren Fahrten nach dem
schwarzen Erdteil von Hamburg und Bremerhaven aus. Sie alle verschwinden
neben der machtvollen Organisation des Lloyd. Der Lloyd ist es vor allen,
der mit Passagieren und Ladung den Namen Bremens über die Meere trägt.
Neben der Frachtschiffahrt pflegt der Lloyd besonders das Ausmanderergeschäft.
Die Auswandererbeförderung ist ein sehr unsicheres Unternehmen, das starken
Schwankungen unterworfen ist. Für Bremen stellen sich die Zahlen der in
den letzten zehn Jahren beförderten Auswanderer wie folgt:

1902 , . 143 329 Personen 1907 . . 234 013 Personen
1903 . . 175 320 " 1908 . . 74 626
1904 . . 133 681 " 1909 . . 144417
1905 . . 186 856 " 1910 . . 1S7 896
1906 . . 208 343 " 19H . . 116 044

Man sieht, es sind große und außerordentlich schwankende Ziffern, die an
die Elastizität der Organisation große Anforderungen stellen und das Abschlu߬
ergebnis stark beeinflussen.

Allein die Aktien von Hapag und Lloyd stellen zusammen 275 Millionen Mark
deutschen Nationalvermögens dar, das durch die Anleihebeträge noch um
144 Millionen auf 419 Millionen Mark vermehrt wird. Der Verkehr auf
dem Dortmund-Ems-Kanal nimmt eine jährlich steigende Entwicklung, und auch
die 80 Millionen für die Emdener Hafenanlagen werden sich für Preußen mit


Bremen

und durch Erbauung des Dortmund-Ems-Kanals Emden der westfälischen In¬
dustrie nahe gebracht. Trotzdem vermochte dieser Hafenplatz bisher nicht die
gewünschte Entwicklung zu finden. Das wird u. a. auf das Fehlen von Emden
aufgehender, direkter Dampferlinien zurückgeführt. Bekannt sind die Bestrebungen
der sogenannten Hohenlohegruppe, in Emden eine Dampfschiffahrtsgesellschaft
zu gründen und sie durch Übernahme der Auswandererbeförderung lebensfähig
zu gestalten. Der Erteilung einer Konzession an die Hohenlohegruppe ist aus
den Hansestädten lebhaft widersprochen worden. Der Bundesrat hat der Hohen¬
lohegruppe die nachgesuchte Konzession auch nicht erteilt, weil er die Bedürfnis¬
frage nicht anerkannte. Es werden aber in Zukunft die Schiffe des Lloyd und
der Hapag Emden anlaufen, um seinen Warenverkehr zu heben und den Aus¬
wandererdienst zu versehen. Dadurch wird aller Voraussicht nach den Hanse¬
städten allerdings ein Teil des Auswandererverkehrs entzogen werden.

Bremen ist der Sitz verschiedener, leistungsfähiger Schiffahrtsgesellschaften.
Da ist die deutsche Dampfschiffahrtsgesellschaft „Hansa", die unter den deutschen
Schiffahrtsgesellschaften an dritter Stelle steht, mit ihrem reichen Verkehr nach
Ostindien, Argentinien usw. Ihre Schiffe fahren allerdings zum großen Teil
von Hamburg aus. Ferner die Dampfschiffahrtsgesellschaft „Argo", deren
Schiffe u. a. Bremens Verkehr mit England vermitteln, die Rolandlinie, deren
Schiffe nach Chile reisen, und die Dampfschiffahrtsgesellschaft „Neptun", die mit
ihren Schiffen die Nord- und Ostseehäfen besucht und den Rhein befährt,
schließlich noch die Hamburg-Bremer Afrikalinie mit ihren Fahrten nach dem
schwarzen Erdteil von Hamburg und Bremerhaven aus. Sie alle verschwinden
neben der machtvollen Organisation des Lloyd. Der Lloyd ist es vor allen,
der mit Passagieren und Ladung den Namen Bremens über die Meere trägt.
Neben der Frachtschiffahrt pflegt der Lloyd besonders das Ausmanderergeschäft.
Die Auswandererbeförderung ist ein sehr unsicheres Unternehmen, das starken
Schwankungen unterworfen ist. Für Bremen stellen sich die Zahlen der in
den letzten zehn Jahren beförderten Auswanderer wie folgt:

1902 , . 143 329 Personen 1907 . . 234 013 Personen
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Man sieht, es sind große und außerordentlich schwankende Ziffern, die an
die Elastizität der Organisation große Anforderungen stellen und das Abschlu߬
ergebnis stark beeinflussen.

Allein die Aktien von Hapag und Lloyd stellen zusammen 275 Millionen Mark
deutschen Nationalvermögens dar, das durch die Anleihebeträge noch um
144 Millionen auf 419 Millionen Mark vermehrt wird. Der Verkehr auf
dem Dortmund-Ems-Kanal nimmt eine jährlich steigende Entwicklung, und auch
die 80 Millionen für die Emdener Hafenanlagen werden sich für Preußen mit


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[0309] Bremen und durch Erbauung des Dortmund-Ems-Kanals Emden der westfälischen In¬ dustrie nahe gebracht. Trotzdem vermochte dieser Hafenplatz bisher nicht die gewünschte Entwicklung zu finden. Das wird u. a. auf das Fehlen von Emden aufgehender, direkter Dampferlinien zurückgeführt. Bekannt sind die Bestrebungen der sogenannten Hohenlohegruppe, in Emden eine Dampfschiffahrtsgesellschaft zu gründen und sie durch Übernahme der Auswandererbeförderung lebensfähig zu gestalten. Der Erteilung einer Konzession an die Hohenlohegruppe ist aus den Hansestädten lebhaft widersprochen worden. Der Bundesrat hat der Hohen¬ lohegruppe die nachgesuchte Konzession auch nicht erteilt, weil er die Bedürfnis¬ frage nicht anerkannte. Es werden aber in Zukunft die Schiffe des Lloyd und der Hapag Emden anlaufen, um seinen Warenverkehr zu heben und den Aus¬ wandererdienst zu versehen. Dadurch wird aller Voraussicht nach den Hanse¬ städten allerdings ein Teil des Auswandererverkehrs entzogen werden. Bremen ist der Sitz verschiedener, leistungsfähiger Schiffahrtsgesellschaften. Da ist die deutsche Dampfschiffahrtsgesellschaft „Hansa", die unter den deutschen Schiffahrtsgesellschaften an dritter Stelle steht, mit ihrem reichen Verkehr nach Ostindien, Argentinien usw. Ihre Schiffe fahren allerdings zum großen Teil von Hamburg aus. Ferner die Dampfschiffahrtsgesellschaft „Argo", deren Schiffe u. a. Bremens Verkehr mit England vermitteln, die Rolandlinie, deren Schiffe nach Chile reisen, und die Dampfschiffahrtsgesellschaft „Neptun", die mit ihren Schiffen die Nord- und Ostseehäfen besucht und den Rhein befährt, schließlich noch die Hamburg-Bremer Afrikalinie mit ihren Fahrten nach dem schwarzen Erdteil von Hamburg und Bremerhaven aus. Sie alle verschwinden neben der machtvollen Organisation des Lloyd. Der Lloyd ist es vor allen, der mit Passagieren und Ladung den Namen Bremens über die Meere trägt. Neben der Frachtschiffahrt pflegt der Lloyd besonders das Ausmanderergeschäft. Die Auswandererbeförderung ist ein sehr unsicheres Unternehmen, das starken Schwankungen unterworfen ist. Für Bremen stellen sich die Zahlen der in den letzten zehn Jahren beförderten Auswanderer wie folgt: 1902 , . 143 329 Personen 1907 . . 234 013 Personen 1903 . . 175 320 „ 1908 . . 74 626 1904 . . 133 681 „ 1909 . . 144417 1905 . . 186 856 „ 1910 . . 1S7 896 1906 . . 208 343 „ 19H . . 116 044 Man sieht, es sind große und außerordentlich schwankende Ziffern, die an die Elastizität der Organisation große Anforderungen stellen und das Abschlu߬ ergebnis stark beeinflussen. Allein die Aktien von Hapag und Lloyd stellen zusammen 275 Millionen Mark deutschen Nationalvermögens dar, das durch die Anleihebeträge noch um 144 Millionen auf 419 Millionen Mark vermehrt wird. Der Verkehr auf dem Dortmund-Ems-Kanal nimmt eine jährlich steigende Entwicklung, und auch die 80 Millionen für die Emdener Hafenanlagen werden sich für Preußen mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/309>, abgerufen am 03.07.2024.