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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Bremen

dieses Kulturwerkes erhebliche Opfer gebracht. Es gehört zu den Lebens¬
bedingungen eines Seehandelshafens, ein aufnahmefähiges, auf Wasserwegen
leicht und billig erreichbares Hinterland zu besitzen, und gerade Bremen ist von
der Natur auch in dieser Beziehung wenig begünstigt. Die Weser ist wasserarm,
sie durchfließt schwachbevölkerte, industriearme Gegenden, und ihr Stromgebiet
hat von Kassel bis Bremerhaven nur eine Länge von 462 Kilometern, während
z. B. die Elbe 970 Kilometer stromauf schiffbar ist. Die Weiterleitung der ein¬
gehenden, die Zufuhr der ausgehenden Waren geschieht zum sehr großen Teile
auf dem verteuernden Bahnwege. Das zeigt folgende Aufstellung, welche
zugleich auch ein Bild von der Entwicklung des Bremer Handels in den letzten
vierzig Jahren gibt:

Warenverkehr Bremens nach den Transportwegen, Gewicht in Doppclzentnern:

Einfuhr:
JahrSeewärtsLandwärtsFluszwärts
Oberweserzusammen
1869 .. 5 036 0004 016 0001175 00010 226 000
1879 .. 10 287 0005 472 000824 00016 583 000
1889 .. 13 832 0007 725 0001 362 00022 919 000
1899 ,. 23 818 00011 641 0003 534 00038 893 000
1909 .. 30 795 00013 501 0007 249 00056 545 000
Ausfuhr:
JahrSeewärtsLandwärtsFluszwärts
Oberweserzusammen
1869 .. 2 873 0002 144 000254 0005 271 000
1879 .. 4 730 0007 298 000547 00012 575 000
1889 .. 7 750 0006 979 000927 00015 656 000
1899 .. 13 217 00013 142 0002 446 00028 805 000
1909 ., 22 546 00016 585 0003 393 00042 524 000

Man sieht, daß die Beförderung auf dem Flußwege eine verhältnismäßig
sehr geringe ist. Die Erscheinung, daß die überseeische Einfuhr die Ausfuhr
im Verhältnis von 3 zu 2 übertrifft, findet in der Hauptsache ihre Erklärung
in dem Umstände, daß das industrietütige Deutschland in großem Umfange
Rohstoffe einführt und dafür hochwertige, aber leichtere Fertigfabrikate ausführt.
Leider bewirkt der Mengenunterschied zwischen Einfuhr und Ausfuhr eine unvor¬
teilhafte Ausnutzung der Transportmittel.

Bremens größter Rivale ist Hamburg, dem die Elbe in Verbindung mit
einem verzweigten Kanalnetz weite Strecken des Reiches erschließt. Ein anderer
bedeutender Mitbewerber ist Rotterdam, das im Stromgebiet des Rheins ein
reiches Hinterland besitzt. Ein weiterer Konkurrent droht ihm in Emden zu
erwachsen. Preußen, das an der Nordsee keinen bedeutenden Handelshafen
besitzt, ist seit Jahren bestrebt, Emden zu einem solchen zu machen.*) Es hat
durch Aufwendung von 80 Millionen Mark vorzügliche Hafenanlagen geschaffen



*) Es sei hierzu auf die beiden vielfach beachteten Aufsätze "Emden" und "Die deutsche
Rheinmündung" in den Heften 21 und 28 der Grenzboten hingewiesen.
Bremen

dieses Kulturwerkes erhebliche Opfer gebracht. Es gehört zu den Lebens¬
bedingungen eines Seehandelshafens, ein aufnahmefähiges, auf Wasserwegen
leicht und billig erreichbares Hinterland zu besitzen, und gerade Bremen ist von
der Natur auch in dieser Beziehung wenig begünstigt. Die Weser ist wasserarm,
sie durchfließt schwachbevölkerte, industriearme Gegenden, und ihr Stromgebiet
hat von Kassel bis Bremerhaven nur eine Länge von 462 Kilometern, während
z. B. die Elbe 970 Kilometer stromauf schiffbar ist. Die Weiterleitung der ein¬
gehenden, die Zufuhr der ausgehenden Waren geschieht zum sehr großen Teile
auf dem verteuernden Bahnwege. Das zeigt folgende Aufstellung, welche
zugleich auch ein Bild von der Entwicklung des Bremer Handels in den letzten
vierzig Jahren gibt:

Warenverkehr Bremens nach den Transportwegen, Gewicht in Doppclzentnern:

Einfuhr:
JahrSeewärtsLandwärtsFluszwärts
Oberweserzusammen
1869 .. 5 036 0004 016 0001175 00010 226 000
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1909 ., 22 546 00016 585 0003 393 00042 524 000

Man sieht, daß die Beförderung auf dem Flußwege eine verhältnismäßig
sehr geringe ist. Die Erscheinung, daß die überseeische Einfuhr die Ausfuhr
im Verhältnis von 3 zu 2 übertrifft, findet in der Hauptsache ihre Erklärung
in dem Umstände, daß das industrietütige Deutschland in großem Umfange
Rohstoffe einführt und dafür hochwertige, aber leichtere Fertigfabrikate ausführt.
Leider bewirkt der Mengenunterschied zwischen Einfuhr und Ausfuhr eine unvor¬
teilhafte Ausnutzung der Transportmittel.

Bremens größter Rivale ist Hamburg, dem die Elbe in Verbindung mit
einem verzweigten Kanalnetz weite Strecken des Reiches erschließt. Ein anderer
bedeutender Mitbewerber ist Rotterdam, das im Stromgebiet des Rheins ein
reiches Hinterland besitzt. Ein weiterer Konkurrent droht ihm in Emden zu
erwachsen. Preußen, das an der Nordsee keinen bedeutenden Handelshafen
besitzt, ist seit Jahren bestrebt, Emden zu einem solchen zu machen.*) Es hat
durch Aufwendung von 80 Millionen Mark vorzügliche Hafenanlagen geschaffen



*) Es sei hierzu auf die beiden vielfach beachteten Aufsätze „Emden" und „Die deutsche
Rheinmündung" in den Heften 21 und 28 der Grenzboten hingewiesen.
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[0308] Bremen dieses Kulturwerkes erhebliche Opfer gebracht. Es gehört zu den Lebens¬ bedingungen eines Seehandelshafens, ein aufnahmefähiges, auf Wasserwegen leicht und billig erreichbares Hinterland zu besitzen, und gerade Bremen ist von der Natur auch in dieser Beziehung wenig begünstigt. Die Weser ist wasserarm, sie durchfließt schwachbevölkerte, industriearme Gegenden, und ihr Stromgebiet hat von Kassel bis Bremerhaven nur eine Länge von 462 Kilometern, während z. B. die Elbe 970 Kilometer stromauf schiffbar ist. Die Weiterleitung der ein¬ gehenden, die Zufuhr der ausgehenden Waren geschieht zum sehr großen Teile auf dem verteuernden Bahnwege. Das zeigt folgende Aufstellung, welche zugleich auch ein Bild von der Entwicklung des Bremer Handels in den letzten vierzig Jahren gibt: Warenverkehr Bremens nach den Transportwegen, Gewicht in Doppclzentnern: Einfuhr: JahrSeewärtsLandwärtsFluszwärts Oberweserzusammen 1869 .. 5 036 0004 016 0001175 00010 226 000 1879 .. 10 287 0005 472 000824 00016 583 000 1889 .. 13 832 0007 725 0001 362 00022 919 000 1899 ,. 23 818 00011 641 0003 534 00038 893 000 1909 .. 30 795 00013 501 0007 249 00056 545 000 Ausfuhr: JahrSeewärtsLandwärtsFluszwärts Oberweserzusammen 1869 .. 2 873 0002 144 000254 0005 271 000 1879 .. 4 730 0007 298 000547 00012 575 000 1889 .. 7 750 0006 979 000927 00015 656 000 1899 .. 13 217 00013 142 0002 446 00028 805 000 1909 ., 22 546 00016 585 0003 393 00042 524 000 Man sieht, daß die Beförderung auf dem Flußwege eine verhältnismäßig sehr geringe ist. Die Erscheinung, daß die überseeische Einfuhr die Ausfuhr im Verhältnis von 3 zu 2 übertrifft, findet in der Hauptsache ihre Erklärung in dem Umstände, daß das industrietütige Deutschland in großem Umfange Rohstoffe einführt und dafür hochwertige, aber leichtere Fertigfabrikate ausführt. Leider bewirkt der Mengenunterschied zwischen Einfuhr und Ausfuhr eine unvor¬ teilhafte Ausnutzung der Transportmittel. Bremens größter Rivale ist Hamburg, dem die Elbe in Verbindung mit einem verzweigten Kanalnetz weite Strecken des Reiches erschließt. Ein anderer bedeutender Mitbewerber ist Rotterdam, das im Stromgebiet des Rheins ein reiches Hinterland besitzt. Ein weiterer Konkurrent droht ihm in Emden zu erwachsen. Preußen, das an der Nordsee keinen bedeutenden Handelshafen besitzt, ist seit Jahren bestrebt, Emden zu einem solchen zu machen.*) Es hat durch Aufwendung von 80 Millionen Mark vorzügliche Hafenanlagen geschaffen *) Es sei hierzu auf die beiden vielfach beachteten Aufsätze „Emden" und „Die deutsche Rheinmündung" in den Heften 21 und 28 der Grenzboten hingewiesen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/308>, abgerufen am 22.07.2024.