Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Sie Duellfrage

Freundtschafft, aller seiner Ehren, Aembter, Lehen, gesandter Hand und anderer
Güther verlustig und entsetzt seyn, auch nach Beschaffenheit derer Sachen an
Leib und Leben bestraffet werden... Welcher aber den andern provociren
und fordern, oder zum Duelliren und Balgerey, es sey zu Roß oder Fuß,
begehren wird, wie nicht weniger derjenige, so aus solches Erfordern, besprechen
oder empfangenes Cartell sich hierzu stellet und erscheinet, derselbe, er sey Be¬
leidiger oder Beleidigter, soll ohne Unterschied sambt seinen Adhaerenten, Beschicks-
Leuten und Beyständen den Kopfs verloren haben, und ohne einige Churfürst!,
Gnade mit dem Schwert vom Leben zum Tode gebracht, Derjenige auch, welcher
in dergleichen Duell bleibet und umbracht, oder welcher letzt gedachter maßen
gestraffet worden, in keine Kirche noch auf den Kirchhofs oder Gottes-Acker
geleget, sondern ohne Klang und Gesang und einige Ceremonien begraben
werden." -- Das waren allerdings -- selbst für die damalige, in ihren Sitten
und Gewohnheiten immer noch ungestüme und wilde Zeit -- maßlos scharfe
Bestimmungen, und einer solchen Überspannung gegenüber kann es kaum ins
Gewicht fallen, sondern höchstens als Zeichen des guten Willens des Kurfürsten
in Betracht kommen, den Weg loyaler und gütlicher Erledigung eines Ehren¬
handels möglichst noch annehmbarer zu gestalten, wenn es am Schlüsse des
September-Maubads heißt: "Damit aber auch bey vorhergehenden Real- und
Verbal-Injurien die Beleidigten sich zu beschweren nicht Ursach haben, als ob
ihnen keine Hülffe und Erstattung ihrer verletzten Ehre widerfahre: So wollen
Wir auf beschehenes unterthänigstes Anmelden gemessene Verordnung thun, und
gewisse Personen niedersetzen lassen, welche deliberiren sollen, wie und welcher
Gestalt, denen Rechten und Billigkeit gemäß, nach Gelegenheit deren Fälle, denen
Beleidigten an ihren Ehren ein Gnügen gethan werden möge. Und was die
Deputierten in den Sachen decretiren werden, denen sollen sich dieselben iederzeit
unterwerffen und gehorsambst nachleben." Immerhin aber war die Bereitstellung
eines solchen, dem besonderen Fall angepaßten, mit discretionärer Vollmacht
ausgestatteten Kollegiums allerhöchster Vertrauenspersonen nicht nur ein un¬
bedingter Fortschritt, sondern nebenbei auch ein sehr geschickter Schachzug des
Kurfürsten, den Zuwiderhandelnden mit seiner Selbstrache eklatant ins Unrecht
zu setzen.

Der gnädige Rückzug des Kurfürsten erfolgte nach wiederholtem "unter-
thänigsten Ansuchen der getreuen Landschafft von Ritterschafft und Städten",
die Maubads von 1665 zu "revidiren" und die darin enthaltenen rigoroser
Strafen zu "mildern" nach "reiflicher Erwegung" im Mandat vom 5. Oktober
1670. Man muß es dem Kurfürsten lassen, er war dabei nicht kleinlich, sondern
machte auch beim Nachgeben ganze Arbeit. Er sanktionierte zwar nach wie vor
die Duellverweigerung, auch blieb für ihn die Entleibung im Duell nichts anderes
als ein Totschlag, der allgemein mit dem eigenen Kopfe zu sühnen war, -- hier
hatte die "Landschafft" übrigens auch gar keine Milderung verlangt -- aber
sonst hatte er überall ein Einsehen, und wenn er in der Frage der Wieder-


Sie Duellfrage

Freundtschafft, aller seiner Ehren, Aembter, Lehen, gesandter Hand und anderer
Güther verlustig und entsetzt seyn, auch nach Beschaffenheit derer Sachen an
Leib und Leben bestraffet werden... Welcher aber den andern provociren
und fordern, oder zum Duelliren und Balgerey, es sey zu Roß oder Fuß,
begehren wird, wie nicht weniger derjenige, so aus solches Erfordern, besprechen
oder empfangenes Cartell sich hierzu stellet und erscheinet, derselbe, er sey Be¬
leidiger oder Beleidigter, soll ohne Unterschied sambt seinen Adhaerenten, Beschicks-
Leuten und Beyständen den Kopfs verloren haben, und ohne einige Churfürst!,
Gnade mit dem Schwert vom Leben zum Tode gebracht, Derjenige auch, welcher
in dergleichen Duell bleibet und umbracht, oder welcher letzt gedachter maßen
gestraffet worden, in keine Kirche noch auf den Kirchhofs oder Gottes-Acker
geleget, sondern ohne Klang und Gesang und einige Ceremonien begraben
werden." — Das waren allerdings — selbst für die damalige, in ihren Sitten
und Gewohnheiten immer noch ungestüme und wilde Zeit — maßlos scharfe
Bestimmungen, und einer solchen Überspannung gegenüber kann es kaum ins
Gewicht fallen, sondern höchstens als Zeichen des guten Willens des Kurfürsten
in Betracht kommen, den Weg loyaler und gütlicher Erledigung eines Ehren¬
handels möglichst noch annehmbarer zu gestalten, wenn es am Schlüsse des
September-Maubads heißt: „Damit aber auch bey vorhergehenden Real- und
Verbal-Injurien die Beleidigten sich zu beschweren nicht Ursach haben, als ob
ihnen keine Hülffe und Erstattung ihrer verletzten Ehre widerfahre: So wollen
Wir auf beschehenes unterthänigstes Anmelden gemessene Verordnung thun, und
gewisse Personen niedersetzen lassen, welche deliberiren sollen, wie und welcher
Gestalt, denen Rechten und Billigkeit gemäß, nach Gelegenheit deren Fälle, denen
Beleidigten an ihren Ehren ein Gnügen gethan werden möge. Und was die
Deputierten in den Sachen decretiren werden, denen sollen sich dieselben iederzeit
unterwerffen und gehorsambst nachleben." Immerhin aber war die Bereitstellung
eines solchen, dem besonderen Fall angepaßten, mit discretionärer Vollmacht
ausgestatteten Kollegiums allerhöchster Vertrauenspersonen nicht nur ein un¬
bedingter Fortschritt, sondern nebenbei auch ein sehr geschickter Schachzug des
Kurfürsten, den Zuwiderhandelnden mit seiner Selbstrache eklatant ins Unrecht
zu setzen.

Der gnädige Rückzug des Kurfürsten erfolgte nach wiederholtem „unter-
thänigsten Ansuchen der getreuen Landschafft von Ritterschafft und Städten",
die Maubads von 1665 zu „revidiren" und die darin enthaltenen rigoroser
Strafen zu „mildern" nach „reiflicher Erwegung" im Mandat vom 5. Oktober
1670. Man muß es dem Kurfürsten lassen, er war dabei nicht kleinlich, sondern
machte auch beim Nachgeben ganze Arbeit. Er sanktionierte zwar nach wie vor
die Duellverweigerung, auch blieb für ihn die Entleibung im Duell nichts anderes
als ein Totschlag, der allgemein mit dem eigenen Kopfe zu sühnen war, — hier
hatte die „Landschafft" übrigens auch gar keine Milderung verlangt — aber
sonst hatte er überall ein Einsehen, und wenn er in der Frage der Wieder-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0260" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322007"/>
          <fw type="header" place="top"> Sie Duellfrage</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1055" prev="#ID_1054"> Freundtschafft, aller seiner Ehren, Aembter, Lehen, gesandter Hand und anderer<lb/>
Güther verlustig und entsetzt seyn, auch nach Beschaffenheit derer Sachen an<lb/>
Leib und Leben bestraffet werden... Welcher aber den andern provociren<lb/>
und fordern, oder zum Duelliren und Balgerey, es sey zu Roß oder Fuß,<lb/>
begehren wird, wie nicht weniger derjenige, so aus solches Erfordern, besprechen<lb/>
oder empfangenes Cartell sich hierzu stellet und erscheinet, derselbe, er sey Be¬<lb/>
leidiger oder Beleidigter, soll ohne Unterschied sambt seinen Adhaerenten, Beschicks-<lb/>
Leuten und Beyständen den Kopfs verloren haben, und ohne einige Churfürst!,<lb/>
Gnade mit dem Schwert vom Leben zum Tode gebracht, Derjenige auch, welcher<lb/>
in dergleichen Duell bleibet und umbracht, oder welcher letzt gedachter maßen<lb/>
gestraffet worden, in keine Kirche noch auf den Kirchhofs oder Gottes-Acker<lb/>
geleget, sondern ohne Klang und Gesang und einige Ceremonien begraben<lb/>
werden." &#x2014; Das waren allerdings &#x2014; selbst für die damalige, in ihren Sitten<lb/>
und Gewohnheiten immer noch ungestüme und wilde Zeit &#x2014; maßlos scharfe<lb/>
Bestimmungen, und einer solchen Überspannung gegenüber kann es kaum ins<lb/>
Gewicht fallen, sondern höchstens als Zeichen des guten Willens des Kurfürsten<lb/>
in Betracht kommen, den Weg loyaler und gütlicher Erledigung eines Ehren¬<lb/>
handels möglichst noch annehmbarer zu gestalten, wenn es am Schlüsse des<lb/>
September-Maubads heißt: &#x201E;Damit aber auch bey vorhergehenden Real- und<lb/>
Verbal-Injurien die Beleidigten sich zu beschweren nicht Ursach haben, als ob<lb/>
ihnen keine Hülffe und Erstattung ihrer verletzten Ehre widerfahre: So wollen<lb/>
Wir auf beschehenes unterthänigstes Anmelden gemessene Verordnung thun, und<lb/>
gewisse Personen niedersetzen lassen, welche deliberiren sollen, wie und welcher<lb/>
Gestalt, denen Rechten und Billigkeit gemäß, nach Gelegenheit deren Fälle, denen<lb/>
Beleidigten an ihren Ehren ein Gnügen gethan werden möge. Und was die<lb/>
Deputierten in den Sachen decretiren werden, denen sollen sich dieselben iederzeit<lb/>
unterwerffen und gehorsambst nachleben." Immerhin aber war die Bereitstellung<lb/>
eines solchen, dem besonderen Fall angepaßten, mit discretionärer Vollmacht<lb/>
ausgestatteten Kollegiums allerhöchster Vertrauenspersonen nicht nur ein un¬<lb/>
bedingter Fortschritt, sondern nebenbei auch ein sehr geschickter Schachzug des<lb/>
Kurfürsten, den Zuwiderhandelnden mit seiner Selbstrache eklatant ins Unrecht<lb/>
zu setzen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1056" next="#ID_1057"> Der gnädige Rückzug des Kurfürsten erfolgte nach wiederholtem &#x201E;unter-<lb/>
thänigsten Ansuchen der getreuen Landschafft von Ritterschafft und Städten",<lb/>
die Maubads von 1665 zu &#x201E;revidiren" und die darin enthaltenen rigoroser<lb/>
Strafen zu &#x201E;mildern" nach &#x201E;reiflicher Erwegung" im Mandat vom 5. Oktober<lb/>
1670. Man muß es dem Kurfürsten lassen, er war dabei nicht kleinlich, sondern<lb/>
machte auch beim Nachgeben ganze Arbeit. Er sanktionierte zwar nach wie vor<lb/>
die Duellverweigerung, auch blieb für ihn die Entleibung im Duell nichts anderes<lb/>
als ein Totschlag, der allgemein mit dem eigenen Kopfe zu sühnen war, &#x2014; hier<lb/>
hatte die &#x201E;Landschafft" übrigens auch gar keine Milderung verlangt &#x2014; aber<lb/>
sonst hatte er überall ein Einsehen, und wenn er in der Frage der Wieder-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0260] Sie Duellfrage Freundtschafft, aller seiner Ehren, Aembter, Lehen, gesandter Hand und anderer Güther verlustig und entsetzt seyn, auch nach Beschaffenheit derer Sachen an Leib und Leben bestraffet werden... Welcher aber den andern provociren und fordern, oder zum Duelliren und Balgerey, es sey zu Roß oder Fuß, begehren wird, wie nicht weniger derjenige, so aus solches Erfordern, besprechen oder empfangenes Cartell sich hierzu stellet und erscheinet, derselbe, er sey Be¬ leidiger oder Beleidigter, soll ohne Unterschied sambt seinen Adhaerenten, Beschicks- Leuten und Beyständen den Kopfs verloren haben, und ohne einige Churfürst!, Gnade mit dem Schwert vom Leben zum Tode gebracht, Derjenige auch, welcher in dergleichen Duell bleibet und umbracht, oder welcher letzt gedachter maßen gestraffet worden, in keine Kirche noch auf den Kirchhofs oder Gottes-Acker geleget, sondern ohne Klang und Gesang und einige Ceremonien begraben werden." — Das waren allerdings — selbst für die damalige, in ihren Sitten und Gewohnheiten immer noch ungestüme und wilde Zeit — maßlos scharfe Bestimmungen, und einer solchen Überspannung gegenüber kann es kaum ins Gewicht fallen, sondern höchstens als Zeichen des guten Willens des Kurfürsten in Betracht kommen, den Weg loyaler und gütlicher Erledigung eines Ehren¬ handels möglichst noch annehmbarer zu gestalten, wenn es am Schlüsse des September-Maubads heißt: „Damit aber auch bey vorhergehenden Real- und Verbal-Injurien die Beleidigten sich zu beschweren nicht Ursach haben, als ob ihnen keine Hülffe und Erstattung ihrer verletzten Ehre widerfahre: So wollen Wir auf beschehenes unterthänigstes Anmelden gemessene Verordnung thun, und gewisse Personen niedersetzen lassen, welche deliberiren sollen, wie und welcher Gestalt, denen Rechten und Billigkeit gemäß, nach Gelegenheit deren Fälle, denen Beleidigten an ihren Ehren ein Gnügen gethan werden möge. Und was die Deputierten in den Sachen decretiren werden, denen sollen sich dieselben iederzeit unterwerffen und gehorsambst nachleben." Immerhin aber war die Bereitstellung eines solchen, dem besonderen Fall angepaßten, mit discretionärer Vollmacht ausgestatteten Kollegiums allerhöchster Vertrauenspersonen nicht nur ein un¬ bedingter Fortschritt, sondern nebenbei auch ein sehr geschickter Schachzug des Kurfürsten, den Zuwiderhandelnden mit seiner Selbstrache eklatant ins Unrecht zu setzen. Der gnädige Rückzug des Kurfürsten erfolgte nach wiederholtem „unter- thänigsten Ansuchen der getreuen Landschafft von Ritterschafft und Städten", die Maubads von 1665 zu „revidiren" und die darin enthaltenen rigoroser Strafen zu „mildern" nach „reiflicher Erwegung" im Mandat vom 5. Oktober 1670. Man muß es dem Kurfürsten lassen, er war dabei nicht kleinlich, sondern machte auch beim Nachgeben ganze Arbeit. Er sanktionierte zwar nach wie vor die Duellverweigerung, auch blieb für ihn die Entleibung im Duell nichts anderes als ein Totschlag, der allgemein mit dem eigenen Kopfe zu sühnen war, — hier hatte die „Landschafft" übrigens auch gar keine Milderung verlangt — aber sonst hatte er überall ein Einsehen, und wenn er in der Frage der Wieder-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/260
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/260>, abgerufen am 22.07.2024.