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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Die Duellfrage

dick unterstrichene Mittellinie veranlaßte. Bereits in der Polizeiverordnung vom
22. Juni 1661 wurde der Bogen straffer gespannt. Denn an den von seinem
Vater gegebenen Vorschriften wurde nicht nur nichts nachgelassen, sondern es
wurde darüber hinaus bestimmt, daß, "wofern in dem Balgen ein oder der
andere Theil entleibet würde, die ordentliche Straffe des Todschlags," d. h.
also nach Art. 137 der Karolina die Schwertstrafe, "ohne Unterschied, es habe
der Thäter aufgefordert oder sey aufgefordert worden, vollstrecket werden soll."
Aber "auch diejenige, so einen und andern zusammen Hetzen, oder sich zum
Auffordern oder als Beschicks-Leute gebrauchen lassen, desgleichen die andern,
welche es vermocht und nicht abgewehret," sollten fortab "mit Geldt oder Ge¬
fängniß oder sonsten, der Gebühr nach, unnachlässig gestraffet werden." Dem
gegenüber stand nun freilich auch eine gleichzeitige Erleichterung der Beilegung
eines Ehrenhandels auf legalem Wege: "Damit sich aber die von Adel und
andere Christliche Leute abermals nicht zu beklagen haben, als ob Ihnen gleich¬
wohl Gewalt und Unrecht geschähe, wann sie von zanksüchtigen, unbändigen
Leuten mit Ehrverletzlichen Worten angegriffen, auch wohl gar mit Schlägen
geschimpffet würden, und selbiges hernach in weitläufftigem Prozeß suchen sollen,"
so sollte der Beleidigte hinfort nicht mehr auf den ordentlichen Prozeß mit seinen
endlosen Weitschweifigkeiten, Advokatenkniffen und Unkosten angewiesen sein,
sondern es sollte bei Adligen oder sonstigen Standespersonen vor der Regierung in
Gegenwart einiger Standespersonen, bei anderen Leuten vor den Untergerichten
in Gegenwart von wenigstens drei Zeugen auf eine Ehrenerklärung und Abbitte
oder, nach Beschaffenheit der Injurie, auf einen öffentlichen Widerruf in Ver¬
bindung mit einer Geld- oder Gefängnisstrafe, summarisch verhandelt und
erkannt werden, "es wolte dann der Beleidigte selbst vor den Injurianten bitten
und sich mit selbigem in Güte vertragen." Es sollte aber dann "nichts desto
minder dem Verbrecher eine tapffere Geld-Buße, seinem Vermögen nach, aä
x>ig,8 cau8Ä8 anzuwenden", aufzuerlegen sein.

Doch, wie vorher schon angedeutet, der Kurfürst war mit der Wirkung
seines Maubads noch nicht zufrieden. Die Wiederkehr geordneter Zustände ging
ihnr nicht rasch genug vor sich. Seine Untertanen sollten durch bußfertiges
Gemüt und Führung eines rechtschaffenen Lebens sich "dermaßen bezeigen,
damit der höchste GOTT solche theuer erlangte Friedens-Zeiten in Gnaden bey
uns erhalten, und deren Continuation auch auf unsere wertheste Posterität zu
bringen, umb so viel mehr bewogen werden möge." Es wurde also in den
Duellmandaten vom 19. Juli und 20. September 1665 die Schraube noch fester
angezogen: Derjenige, welcher bei einer Streitigkeit ohne Not gegen den anderen
den Degen zieht oder auch nur entblößt, verliert fortab die Hand und kann
außerdem je "nach Befinden des Verbrechens" des Landes verwiesen oder sonst
bestraft werden. Kommt es zum Raufen oder Schlagen, dann soll "der über¬
führte Stäncker oder muthwillige und frevelhaffte Anfänger und Urheber des
Streits und Zancks, ohne einiges Ansehen des Standes, der Person und


Die Duellfrage

dick unterstrichene Mittellinie veranlaßte. Bereits in der Polizeiverordnung vom
22. Juni 1661 wurde der Bogen straffer gespannt. Denn an den von seinem
Vater gegebenen Vorschriften wurde nicht nur nichts nachgelassen, sondern es
wurde darüber hinaus bestimmt, daß, „wofern in dem Balgen ein oder der
andere Theil entleibet würde, die ordentliche Straffe des Todschlags," d. h.
also nach Art. 137 der Karolina die Schwertstrafe, „ohne Unterschied, es habe
der Thäter aufgefordert oder sey aufgefordert worden, vollstrecket werden soll."
Aber „auch diejenige, so einen und andern zusammen Hetzen, oder sich zum
Auffordern oder als Beschicks-Leute gebrauchen lassen, desgleichen die andern,
welche es vermocht und nicht abgewehret," sollten fortab „mit Geldt oder Ge¬
fängniß oder sonsten, der Gebühr nach, unnachlässig gestraffet werden." Dem
gegenüber stand nun freilich auch eine gleichzeitige Erleichterung der Beilegung
eines Ehrenhandels auf legalem Wege: „Damit sich aber die von Adel und
andere Christliche Leute abermals nicht zu beklagen haben, als ob Ihnen gleich¬
wohl Gewalt und Unrecht geschähe, wann sie von zanksüchtigen, unbändigen
Leuten mit Ehrverletzlichen Worten angegriffen, auch wohl gar mit Schlägen
geschimpffet würden, und selbiges hernach in weitläufftigem Prozeß suchen sollen,"
so sollte der Beleidigte hinfort nicht mehr auf den ordentlichen Prozeß mit seinen
endlosen Weitschweifigkeiten, Advokatenkniffen und Unkosten angewiesen sein,
sondern es sollte bei Adligen oder sonstigen Standespersonen vor der Regierung in
Gegenwart einiger Standespersonen, bei anderen Leuten vor den Untergerichten
in Gegenwart von wenigstens drei Zeugen auf eine Ehrenerklärung und Abbitte
oder, nach Beschaffenheit der Injurie, auf einen öffentlichen Widerruf in Ver¬
bindung mit einer Geld- oder Gefängnisstrafe, summarisch verhandelt und
erkannt werden, „es wolte dann der Beleidigte selbst vor den Injurianten bitten
und sich mit selbigem in Güte vertragen." Es sollte aber dann „nichts desto
minder dem Verbrecher eine tapffere Geld-Buße, seinem Vermögen nach, aä
x>ig,8 cau8Ä8 anzuwenden", aufzuerlegen sein.

Doch, wie vorher schon angedeutet, der Kurfürst war mit der Wirkung
seines Maubads noch nicht zufrieden. Die Wiederkehr geordneter Zustände ging
ihnr nicht rasch genug vor sich. Seine Untertanen sollten durch bußfertiges
Gemüt und Führung eines rechtschaffenen Lebens sich „dermaßen bezeigen,
damit der höchste GOTT solche theuer erlangte Friedens-Zeiten in Gnaden bey
uns erhalten, und deren Continuation auch auf unsere wertheste Posterität zu
bringen, umb so viel mehr bewogen werden möge." Es wurde also in den
Duellmandaten vom 19. Juli und 20. September 1665 die Schraube noch fester
angezogen: Derjenige, welcher bei einer Streitigkeit ohne Not gegen den anderen
den Degen zieht oder auch nur entblößt, verliert fortab die Hand und kann
außerdem je „nach Befinden des Verbrechens" des Landes verwiesen oder sonst
bestraft werden. Kommt es zum Raufen oder Schlagen, dann soll „der über¬
führte Stäncker oder muthwillige und frevelhaffte Anfänger und Urheber des
Streits und Zancks, ohne einiges Ansehen des Standes, der Person und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/259>, abgerufen am 22.07.2024.