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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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geschundene Opinion und Gewohnheit, gleichsam hieran alle Ehre, Leumuth und
guter Nahme hinge, der Vernunft zugegen gestärcket, vielen den Verlust des
Lebens, welches sie doch zu Rettung und Dienste des Vaterlandes ehrlicher
anzuwenden, "ersparen solten, und die Gefahr der Seelen Seligkeit plötzlich
übern Halß gezogen, ja zu großem Aergerniß Anlaß und Uhrsach gegeben
wird. So ist umb so viel mehr mit allem Ernst diesem Beginnen bey Zeiten
zu begegnen von nöthen; Gestalt denn do dergleichen Ausforderung wider dieses
Unser ausdrücklich Verbots vorgehen solle, weder der ausgeforderte Theil, noch
iemand anders an seine Statt zu erscheinen schuldig, auch die nicht Erscheinung
keinem an seinen Ehren, Leumuth, Adelichen Herkommen und erworbenen red¬
lichen Nahmen auf einigerley Wege zu Verletzung oder Vorwurff, auf was
Weise es geschehen mag, vraejudicirlich oder nachteilig seyn, sondern leder"
männiglich, wer der auch sey, mit seinen Beyständen, Rathgebern, so sich dessen
unterfingen, am Leib und Leben straffmäßig geachtet, also daß der Übertreter
alles dessen, was abstehet, an Leib, Guts und Blut nach Gelegenheit derer
Fälle, unnachlässig gestraffet, seiner Ehren verlustig gehalten, und darinnen keine
Obrigkeit außer Unserer ausdrücklichen Bewilligung eintzige Milderung vor¬
zunehmen Macht haben, sondern auch gegen diejenigen, so sich bey denen ihnen
untergebenen Jurisdictionen solcher Gestalt vergreisten würden, nach der Schärffe,
ohne Nachsehen, mit Einziehung derer Gerichten oder sonsten verfahren werden
solle." -- Wie ein Blitz muß dieser Erlaß in den Adel und was sich sonst an
"wehrhafftigen Leuten" neben ihn zu stellen berechtigt war, eingeschlagen haben,
fegte er doch die von den Urvätern überkommene Auffassung von standes¬
gemäßer Ehrenrettung mit einem Schlage als grundsätzlich verfehlt in die Ecke.
Die neue Methode des Landesfürsten, den ritterlichen Austrag von Ehren¬
händeln zu erschweren, war aber auch wirklich so niederschmetternd, wie genial.
Sie beließ die Gegebenheit des legalen Ausgleichs in dem Verfahren vor den
ordentlichen Gerichten, verschärfte auch nicht etwa die von diesen zu verhängenden
Strafen der Ehrverletzung, sondern verlegte den Schwerpunkt der beabsichtigten
Remedur höchst einfacher, weil konsequenter Weise in die Persönlichkeit des
Provokaten, dessen Bestrafung als Beleidiger sie unbenommen ließ, dessen
Kneiferei vor einem Wassergange sie aber als durchaus standesgemäß sanktionierte
durch drakonische Abschreckung derjenigen, die sich irgendwie unterständen, an
der Ehrenhaftigkeit eines solchen Verhaltens einen fühlbaren Zweifel zu äußern.

Johann Georg der Erste starb bereits 1656. Er hat infolgedessen die
praktische Wirkung seines Maubads auf längere Zeit selbst nicht mehr beobachten
können. Wenn aber der Adel von seinem Sohne und Nachfolger, dem Kur¬
fürsten Johann Georg dem Zweiten, etwa eine Abschwenkung in der Duell¬
frage erwartet hatte, so hatte er sich erheblich getäuscht. Dieser Fürst setzte die
Duellpolitik seines Vaters nicht nur nur achsichtlich fort, sondern trieb die
Strenge seines Vorgehens bald zu einer Höhe, die das Maß des Erträglichen
überschritt, und ihn schließlich zu einem Rückzug auf eine, freilich immer noch


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geschundene Opinion und Gewohnheit, gleichsam hieran alle Ehre, Leumuth und
guter Nahme hinge, der Vernunft zugegen gestärcket, vielen den Verlust des
Lebens, welches sie doch zu Rettung und Dienste des Vaterlandes ehrlicher
anzuwenden, »ersparen solten, und die Gefahr der Seelen Seligkeit plötzlich
übern Halß gezogen, ja zu großem Aergerniß Anlaß und Uhrsach gegeben
wird. So ist umb so viel mehr mit allem Ernst diesem Beginnen bey Zeiten
zu begegnen von nöthen; Gestalt denn do dergleichen Ausforderung wider dieses
Unser ausdrücklich Verbots vorgehen solle, weder der ausgeforderte Theil, noch
iemand anders an seine Statt zu erscheinen schuldig, auch die nicht Erscheinung
keinem an seinen Ehren, Leumuth, Adelichen Herkommen und erworbenen red¬
lichen Nahmen auf einigerley Wege zu Verletzung oder Vorwurff, auf was
Weise es geschehen mag, vraejudicirlich oder nachteilig seyn, sondern leder«
männiglich, wer der auch sey, mit seinen Beyständen, Rathgebern, so sich dessen
unterfingen, am Leib und Leben straffmäßig geachtet, also daß der Übertreter
alles dessen, was abstehet, an Leib, Guts und Blut nach Gelegenheit derer
Fälle, unnachlässig gestraffet, seiner Ehren verlustig gehalten, und darinnen keine
Obrigkeit außer Unserer ausdrücklichen Bewilligung eintzige Milderung vor¬
zunehmen Macht haben, sondern auch gegen diejenigen, so sich bey denen ihnen
untergebenen Jurisdictionen solcher Gestalt vergreisten würden, nach der Schärffe,
ohne Nachsehen, mit Einziehung derer Gerichten oder sonsten verfahren werden
solle." — Wie ein Blitz muß dieser Erlaß in den Adel und was sich sonst an
„wehrhafftigen Leuten" neben ihn zu stellen berechtigt war, eingeschlagen haben,
fegte er doch die von den Urvätern überkommene Auffassung von standes¬
gemäßer Ehrenrettung mit einem Schlage als grundsätzlich verfehlt in die Ecke.
Die neue Methode des Landesfürsten, den ritterlichen Austrag von Ehren¬
händeln zu erschweren, war aber auch wirklich so niederschmetternd, wie genial.
Sie beließ die Gegebenheit des legalen Ausgleichs in dem Verfahren vor den
ordentlichen Gerichten, verschärfte auch nicht etwa die von diesen zu verhängenden
Strafen der Ehrverletzung, sondern verlegte den Schwerpunkt der beabsichtigten
Remedur höchst einfacher, weil konsequenter Weise in die Persönlichkeit des
Provokaten, dessen Bestrafung als Beleidiger sie unbenommen ließ, dessen
Kneiferei vor einem Wassergange sie aber als durchaus standesgemäß sanktionierte
durch drakonische Abschreckung derjenigen, die sich irgendwie unterständen, an
der Ehrenhaftigkeit eines solchen Verhaltens einen fühlbaren Zweifel zu äußern.

Johann Georg der Erste starb bereits 1656. Er hat infolgedessen die
praktische Wirkung seines Maubads auf längere Zeit selbst nicht mehr beobachten
können. Wenn aber der Adel von seinem Sohne und Nachfolger, dem Kur¬
fürsten Johann Georg dem Zweiten, etwa eine Abschwenkung in der Duell¬
frage erwartet hatte, so hatte er sich erheblich getäuscht. Dieser Fürst setzte die
Duellpolitik seines Vaters nicht nur nur achsichtlich fort, sondern trieb die
Strenge seines Vorgehens bald zu einer Höhe, die das Maß des Erträglichen
überschritt, und ihn schließlich zu einem Rückzug auf eine, freilich immer noch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/258>, abgerufen am 22.07.2024.