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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Die Blumen des Florentin Rlsy

Die Tage danach waren schlichte, strenge Arbeitstage wie die vorher, nur
boten sie manche heimliche Stunde für die Liebenden, wo diese sich zusammen¬
fanden. Es blieb an keinem Tage bei einem Händedruck allein, ob auch
Wieschen sich damit hätte begnügen können. Seit sie den Burschen sicher hatte,
war ihr auch manchmal, als komme ihr das feine Kühle zurück, mit dem sie
sich früher in einer Art heiterer Ruhe getragen hatte, sie möchte erinnern, viel
Wichtiges sei besser zu bereden, als daß sie sich den Mund verschlösse mit so
unsinnigen Liebhaber, wie der Florentin es anbrachte. Aber nicht ein lautes
Wort wagte sie darum, so hielt sie sich nach ihm. Und wie sie an einem Tage
die Schrift fand, die in dem Tisch draußen stand, wie sie den Florentin darum
befragte und er ihr antwortete: "Es hat's die Regime getan --", wie er dann
still danach wurde und dem Wieschen so fremd in einem Augenblick, als hielte
er den Kopf von ihr abgekehrt im Nachschauen einer Erinnerung, da fühlte sie,
so fest hatte sie ihn noch nicht, um sich nicht nach ihn: richten zu müssen. Seit
der Stunde war ihnen beiden manchmal, wenn sie heimlich zusammen waren
und sich so hielten, wie das Liebhaber unter solchem jungen Volk eines dem
andern in die Arme wirft, als riefe jemand ein Wort zwischen ihnen her,
nenne einen Namen, der nicht hingehöre, denselben, der draußen mit seinen
hellweißer Buchstaben eingegraben stand.

Da fragte Wieschen in so einer Stunde, die treuen Augen auf den Burschen
gerichtet, und bei ihrer Gutherzigkeit klang es wie ein Mitleid mit der andern:
"Wenn du so hingingest in einer Zeit, Abend an Abend zur Nolterschlucht,
war's um den Trunk, den du schmecken lerntest, oder hast sie wohl gern gehabt,
die Regime?"

Und der Florentin antwortete: "Wohl gemocht hab' ich sie, ja!"

"Hättest sie mögen heiraten?" fragte Wieschen.

Er nickte und sagte: "Wenn ich dich nicht so grünt fest im Sinn gehabt hätte..."

Wieschen legte ihm den Kopf an die Schulter und fragte so sacht, wie
mit einem Zufühlen bloß mit dem leisen Finger: "Meinst, es wäre wohl alles
recht geworden mit der Regime und dir, wenn es so mit euch weiter gekommen
wäre, wie es anging?"

"Was sie nicht hat und was sie nicht mitbringt, hätte ich vergessen müssen,
dafür hat sie von dem mehr, was andere weniger haben," sagte er verträumt.

Wieschen schrak auf mit ihrem Kopfe, der sich, nur wie aus einer kühlen
Entfernung und wie zu Freundschaft ihm entgegen bog, und sie schlang die
Arme um ihn, so heiß sie in dem Augenblick ihr Blut zu wecken vermochte.

Auch der Florentin schrak auf wie erwachend. "Komm," sagte er fest und
treu, "wir wollen der Regime ihren Namen vergessen und nächster Tage dem
Tisch im Garten die Platte abschlagen und neu machen."

Er vergaß denn auch in Wahrheit der Regime so ganz, daß er auch an
den Tisch in der Laube nicht mehr dachte und ihn ließ, wie er war, las sogar
einmal den eingeschnittenen Namen, ohne an jenes Mädchen zu denken.


Die Blumen des Florentin Rlsy

Die Tage danach waren schlichte, strenge Arbeitstage wie die vorher, nur
boten sie manche heimliche Stunde für die Liebenden, wo diese sich zusammen¬
fanden. Es blieb an keinem Tage bei einem Händedruck allein, ob auch
Wieschen sich damit hätte begnügen können. Seit sie den Burschen sicher hatte,
war ihr auch manchmal, als komme ihr das feine Kühle zurück, mit dem sie
sich früher in einer Art heiterer Ruhe getragen hatte, sie möchte erinnern, viel
Wichtiges sei besser zu bereden, als daß sie sich den Mund verschlösse mit so
unsinnigen Liebhaber, wie der Florentin es anbrachte. Aber nicht ein lautes
Wort wagte sie darum, so hielt sie sich nach ihm. Und wie sie an einem Tage
die Schrift fand, die in dem Tisch draußen stand, wie sie den Florentin darum
befragte und er ihr antwortete: „Es hat's die Regime getan —", wie er dann
still danach wurde und dem Wieschen so fremd in einem Augenblick, als hielte
er den Kopf von ihr abgekehrt im Nachschauen einer Erinnerung, da fühlte sie,
so fest hatte sie ihn noch nicht, um sich nicht nach ihn: richten zu müssen. Seit
der Stunde war ihnen beiden manchmal, wenn sie heimlich zusammen waren
und sich so hielten, wie das Liebhaber unter solchem jungen Volk eines dem
andern in die Arme wirft, als riefe jemand ein Wort zwischen ihnen her,
nenne einen Namen, der nicht hingehöre, denselben, der draußen mit seinen
hellweißer Buchstaben eingegraben stand.

Da fragte Wieschen in so einer Stunde, die treuen Augen auf den Burschen
gerichtet, und bei ihrer Gutherzigkeit klang es wie ein Mitleid mit der andern:
„Wenn du so hingingest in einer Zeit, Abend an Abend zur Nolterschlucht,
war's um den Trunk, den du schmecken lerntest, oder hast sie wohl gern gehabt,
die Regime?"

Und der Florentin antwortete: „Wohl gemocht hab' ich sie, ja!"

„Hättest sie mögen heiraten?" fragte Wieschen.

Er nickte und sagte: „Wenn ich dich nicht so grünt fest im Sinn gehabt hätte..."

Wieschen legte ihm den Kopf an die Schulter und fragte so sacht, wie
mit einem Zufühlen bloß mit dem leisen Finger: „Meinst, es wäre wohl alles
recht geworden mit der Regime und dir, wenn es so mit euch weiter gekommen
wäre, wie es anging?"

„Was sie nicht hat und was sie nicht mitbringt, hätte ich vergessen müssen,
dafür hat sie von dem mehr, was andere weniger haben," sagte er verträumt.

Wieschen schrak auf mit ihrem Kopfe, der sich, nur wie aus einer kühlen
Entfernung und wie zu Freundschaft ihm entgegen bog, und sie schlang die
Arme um ihn, so heiß sie in dem Augenblick ihr Blut zu wecken vermochte.

Auch der Florentin schrak auf wie erwachend. „Komm," sagte er fest und
treu, „wir wollen der Regime ihren Namen vergessen und nächster Tage dem
Tisch im Garten die Platte abschlagen und neu machen."

Er vergaß denn auch in Wahrheit der Regime so ganz, daß er auch an
den Tisch in der Laube nicht mehr dachte und ihn ließ, wie er war, las sogar
einmal den eingeschnittenen Namen, ohne an jenes Mädchen zu denken.


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[0235] Die Blumen des Florentin Rlsy Die Tage danach waren schlichte, strenge Arbeitstage wie die vorher, nur boten sie manche heimliche Stunde für die Liebenden, wo diese sich zusammen¬ fanden. Es blieb an keinem Tage bei einem Händedruck allein, ob auch Wieschen sich damit hätte begnügen können. Seit sie den Burschen sicher hatte, war ihr auch manchmal, als komme ihr das feine Kühle zurück, mit dem sie sich früher in einer Art heiterer Ruhe getragen hatte, sie möchte erinnern, viel Wichtiges sei besser zu bereden, als daß sie sich den Mund verschlösse mit so unsinnigen Liebhaber, wie der Florentin es anbrachte. Aber nicht ein lautes Wort wagte sie darum, so hielt sie sich nach ihm. Und wie sie an einem Tage die Schrift fand, die in dem Tisch draußen stand, wie sie den Florentin darum befragte und er ihr antwortete: „Es hat's die Regime getan —", wie er dann still danach wurde und dem Wieschen so fremd in einem Augenblick, als hielte er den Kopf von ihr abgekehrt im Nachschauen einer Erinnerung, da fühlte sie, so fest hatte sie ihn noch nicht, um sich nicht nach ihn: richten zu müssen. Seit der Stunde war ihnen beiden manchmal, wenn sie heimlich zusammen waren und sich so hielten, wie das Liebhaber unter solchem jungen Volk eines dem andern in die Arme wirft, als riefe jemand ein Wort zwischen ihnen her, nenne einen Namen, der nicht hingehöre, denselben, der draußen mit seinen hellweißer Buchstaben eingegraben stand. Da fragte Wieschen in so einer Stunde, die treuen Augen auf den Burschen gerichtet, und bei ihrer Gutherzigkeit klang es wie ein Mitleid mit der andern: „Wenn du so hingingest in einer Zeit, Abend an Abend zur Nolterschlucht, war's um den Trunk, den du schmecken lerntest, oder hast sie wohl gern gehabt, die Regime?" Und der Florentin antwortete: „Wohl gemocht hab' ich sie, ja!" „Hättest sie mögen heiraten?" fragte Wieschen. Er nickte und sagte: „Wenn ich dich nicht so grünt fest im Sinn gehabt hätte..." Wieschen legte ihm den Kopf an die Schulter und fragte so sacht, wie mit einem Zufühlen bloß mit dem leisen Finger: „Meinst, es wäre wohl alles recht geworden mit der Regime und dir, wenn es so mit euch weiter gekommen wäre, wie es anging?" „Was sie nicht hat und was sie nicht mitbringt, hätte ich vergessen müssen, dafür hat sie von dem mehr, was andere weniger haben," sagte er verträumt. Wieschen schrak auf mit ihrem Kopfe, der sich, nur wie aus einer kühlen Entfernung und wie zu Freundschaft ihm entgegen bog, und sie schlang die Arme um ihn, so heiß sie in dem Augenblick ihr Blut zu wecken vermochte. Auch der Florentin schrak auf wie erwachend. „Komm," sagte er fest und treu, „wir wollen der Regime ihren Namen vergessen und nächster Tage dem Tisch im Garten die Platte abschlagen und neu machen." Er vergaß denn auch in Wahrheit der Regime so ganz, daß er auch an den Tisch in der Laube nicht mehr dachte und ihn ließ, wie er war, las sogar einmal den eingeschnittenen Namen, ohne an jenes Mädchen zu denken.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/235>, abgerufen am 03.07.2024.