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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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An der Wiege des Königreichs Rumänien

lernen und Ansichten auszutauschen. Der förmliche Zusammentritt der Kommission
soll nach der in Paris vereinbarten Generalinstruktion erst statthaben, wenn die
Konvokationsfirmans für die Diwans a,ä dive nach den Fürstentümern expediert
und diese von den österreichischen Truppen evakuiert sein werden.

Euer Königlichen Majestät Gesandter hat allerhöchstdemselben bereits
telegraphisch ehrfurchtsvoll gemeldet, daß die Pforte ihre ursprüngliche Absicht,
die Diwans den Pariser Vereinbarungen gemäß auch über die Unionsfrage
zum freien Ausdruck ihrer Wünsche gelangen zu lassen, zuerst auf österreichische
und nachmals besonders aus Einwirkung des englischen Ambassadeurs Lord
Stratford Canning, aufgegeben zu haben scheint, und sowohl dieser Umstand,
als die Fortdauer der Okkupation der Fürstentümer durch die österreichischen
Truppen, die Österreich auf die bis jetzt noch nicht zum Abschluß gekommene
Grenzregulierung stützt, ein Hindernis für den baldigen Zusammentritt der
Kommission bilden werde.

Seitdem Österreich über die englische Unterstützung seiner Politik nicht
mehr zweifelhaft sein konnte, sind seine hiesigen Diplomaten auch in den
Gesprächen mit den Kommissionen immer offener mit der Ansicht hervorgetreten,
der Pariser Vertrag sei, was die Fürstentümer betreffe, ganz unausführbar,
und die vom Pariser Kongreß festgestellte Generalinstruktion für die Kommissäre
ein vages, ganz unbrauchbares, erbärmliches Machwerk, was einer Änderung
im praktischen Sinne bedürfe, besonders auch, weil die darin verordnete An¬
hörung der Volkswünsche vom konservativen Interesse aus ein gefährliches
Präzedenz bilde.

Auch unter den Kommissären hat natürlich diese ganz offene und rücksichts¬
lose Haltung Österreichs, die überall Hindernisse in den Weg legt, Aufsehen
gemacht, denn man ist von keiner Seite darauf gefaßt gewesen, daß Österreich
soweit gehen werde, die Okkupation fortzusetzen und die Wirksamkeit der Kom¬
mission geradezu zu hintertreiben. Da infolgedessen die Kommission dem Beginne
ihrer Arbeiten fernersteht als je, so hat man sich bei der Besprechung hierüber
die naheliegende Frage vorgelegt, was denn die Kommissäre hier noch weiter
sollen, und ob es nicht angemessen sei, eine vorläufige Entfernung von hier zu
beantragen. Man ist indes allseitig der Ansicht gewesen, daß, wie die Ab¬
ordnungen der Kommissäre nach Konstantinopel auf einer allgemeinen und über¬
einstimmenden Maßregel der im Friedenskongreß von Paris vertretenen Mächte
beruht hat, auch die Frage einer etwaigen Vertagung ihres Zusammentrittes
nicht durch ein einseitiges Vorgehen einer Macht, sondern durch eine allgemeine
Übereinkunft der Mächte geregelt werden dürfte, und daß wir daher an Ort
und Stelle zu bleiben haben, bis hierüber nähere Instruktionen eingehen.

Diesen darf ich daher auch meinerseits ehrfurchtsvoll und alleruntertänigst
entgegensehen, denn es kann wohl nicht zweifelhaft sein, daß der Anlaß dazu
von allen Seiten gegeben worden sein wird und daß, wenn von der Türkei
und Österreich nicht selbst hierüber Aufklärungen gegeben werden, sie, wenn


An der Wiege des Königreichs Rumänien

lernen und Ansichten auszutauschen. Der förmliche Zusammentritt der Kommission
soll nach der in Paris vereinbarten Generalinstruktion erst statthaben, wenn die
Konvokationsfirmans für die Diwans a,ä dive nach den Fürstentümern expediert
und diese von den österreichischen Truppen evakuiert sein werden.

Euer Königlichen Majestät Gesandter hat allerhöchstdemselben bereits
telegraphisch ehrfurchtsvoll gemeldet, daß die Pforte ihre ursprüngliche Absicht,
die Diwans den Pariser Vereinbarungen gemäß auch über die Unionsfrage
zum freien Ausdruck ihrer Wünsche gelangen zu lassen, zuerst auf österreichische
und nachmals besonders aus Einwirkung des englischen Ambassadeurs Lord
Stratford Canning, aufgegeben zu haben scheint, und sowohl dieser Umstand,
als die Fortdauer der Okkupation der Fürstentümer durch die österreichischen
Truppen, die Österreich auf die bis jetzt noch nicht zum Abschluß gekommene
Grenzregulierung stützt, ein Hindernis für den baldigen Zusammentritt der
Kommission bilden werde.

Seitdem Österreich über die englische Unterstützung seiner Politik nicht
mehr zweifelhaft sein konnte, sind seine hiesigen Diplomaten auch in den
Gesprächen mit den Kommissionen immer offener mit der Ansicht hervorgetreten,
der Pariser Vertrag sei, was die Fürstentümer betreffe, ganz unausführbar,
und die vom Pariser Kongreß festgestellte Generalinstruktion für die Kommissäre
ein vages, ganz unbrauchbares, erbärmliches Machwerk, was einer Änderung
im praktischen Sinne bedürfe, besonders auch, weil die darin verordnete An¬
hörung der Volkswünsche vom konservativen Interesse aus ein gefährliches
Präzedenz bilde.

Auch unter den Kommissären hat natürlich diese ganz offene und rücksichts¬
lose Haltung Österreichs, die überall Hindernisse in den Weg legt, Aufsehen
gemacht, denn man ist von keiner Seite darauf gefaßt gewesen, daß Österreich
soweit gehen werde, die Okkupation fortzusetzen und die Wirksamkeit der Kom¬
mission geradezu zu hintertreiben. Da infolgedessen die Kommission dem Beginne
ihrer Arbeiten fernersteht als je, so hat man sich bei der Besprechung hierüber
die naheliegende Frage vorgelegt, was denn die Kommissäre hier noch weiter
sollen, und ob es nicht angemessen sei, eine vorläufige Entfernung von hier zu
beantragen. Man ist indes allseitig der Ansicht gewesen, daß, wie die Ab¬
ordnungen der Kommissäre nach Konstantinopel auf einer allgemeinen und über¬
einstimmenden Maßregel der im Friedenskongreß von Paris vertretenen Mächte
beruht hat, auch die Frage einer etwaigen Vertagung ihres Zusammentrittes
nicht durch ein einseitiges Vorgehen einer Macht, sondern durch eine allgemeine
Übereinkunft der Mächte geregelt werden dürfte, und daß wir daher an Ort
und Stelle zu bleiben haben, bis hierüber nähere Instruktionen eingehen.

Diesen darf ich daher auch meinerseits ehrfurchtsvoll und alleruntertänigst
entgegensehen, denn es kann wohl nicht zweifelhaft sein, daß der Anlaß dazu
von allen Seiten gegeben worden sein wird und daß, wenn von der Türkei
und Österreich nicht selbst hierüber Aufklärungen gegeben werden, sie, wenn


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[0220] An der Wiege des Königreichs Rumänien lernen und Ansichten auszutauschen. Der förmliche Zusammentritt der Kommission soll nach der in Paris vereinbarten Generalinstruktion erst statthaben, wenn die Konvokationsfirmans für die Diwans a,ä dive nach den Fürstentümern expediert und diese von den österreichischen Truppen evakuiert sein werden. Euer Königlichen Majestät Gesandter hat allerhöchstdemselben bereits telegraphisch ehrfurchtsvoll gemeldet, daß die Pforte ihre ursprüngliche Absicht, die Diwans den Pariser Vereinbarungen gemäß auch über die Unionsfrage zum freien Ausdruck ihrer Wünsche gelangen zu lassen, zuerst auf österreichische und nachmals besonders aus Einwirkung des englischen Ambassadeurs Lord Stratford Canning, aufgegeben zu haben scheint, und sowohl dieser Umstand, als die Fortdauer der Okkupation der Fürstentümer durch die österreichischen Truppen, die Österreich auf die bis jetzt noch nicht zum Abschluß gekommene Grenzregulierung stützt, ein Hindernis für den baldigen Zusammentritt der Kommission bilden werde. Seitdem Österreich über die englische Unterstützung seiner Politik nicht mehr zweifelhaft sein konnte, sind seine hiesigen Diplomaten auch in den Gesprächen mit den Kommissionen immer offener mit der Ansicht hervorgetreten, der Pariser Vertrag sei, was die Fürstentümer betreffe, ganz unausführbar, und die vom Pariser Kongreß festgestellte Generalinstruktion für die Kommissäre ein vages, ganz unbrauchbares, erbärmliches Machwerk, was einer Änderung im praktischen Sinne bedürfe, besonders auch, weil die darin verordnete An¬ hörung der Volkswünsche vom konservativen Interesse aus ein gefährliches Präzedenz bilde. Auch unter den Kommissären hat natürlich diese ganz offene und rücksichts¬ lose Haltung Österreichs, die überall Hindernisse in den Weg legt, Aufsehen gemacht, denn man ist von keiner Seite darauf gefaßt gewesen, daß Österreich soweit gehen werde, die Okkupation fortzusetzen und die Wirksamkeit der Kom¬ mission geradezu zu hintertreiben. Da infolgedessen die Kommission dem Beginne ihrer Arbeiten fernersteht als je, so hat man sich bei der Besprechung hierüber die naheliegende Frage vorgelegt, was denn die Kommissäre hier noch weiter sollen, und ob es nicht angemessen sei, eine vorläufige Entfernung von hier zu beantragen. Man ist indes allseitig der Ansicht gewesen, daß, wie die Ab¬ ordnungen der Kommissäre nach Konstantinopel auf einer allgemeinen und über¬ einstimmenden Maßregel der im Friedenskongreß von Paris vertretenen Mächte beruht hat, auch die Frage einer etwaigen Vertagung ihres Zusammentrittes nicht durch ein einseitiges Vorgehen einer Macht, sondern durch eine allgemeine Übereinkunft der Mächte geregelt werden dürfte, und daß wir daher an Ort und Stelle zu bleiben haben, bis hierüber nähere Instruktionen eingehen. Diesen darf ich daher auch meinerseits ehrfurchtsvoll und alleruntertänigst entgegensehen, denn es kann wohl nicht zweifelhaft sein, daß der Anlaß dazu von allen Seiten gegeben worden sein wird und daß, wenn von der Türkei und Österreich nicht selbst hierüber Aufklärungen gegeben werden, sie, wenn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/220>, abgerufen am 03.07.2024.