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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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An der Wiege des Königreichs Rumänien

auch nicht von England, doch von Frankreich und Rußland hierzu angehalten
werden dürften."

Auf diesen Bericht erhält Richthofen folgenden für die Persönlichkeit des
Schreibers so überaus charakteristischen Brief des Königs.


Theuerster Louis!

Ich halte es für nothwendig, daß Sie meine eigendsten Ansichten (ich möchte
fast sagen Gefühle) kennen, die mich bei der Reorganisation der Moldau und
Wallachei leiten. Meine Stellung zu dieser (im guten, wie im bösen Sinne)
höchst zukunftreichen Sache ist mehr eigner Art. Sie ist durch sich selbst gebothen,
d. h. beide Länder gehen mich "garnichts an" und ich bin folglich auf
in. Ansicht verwiesen, wie sie mein Gewissen macht, wenn ich dort im Rath
opiniren soll.

Nehmen Sie.....aus....., so bleibt es..... Eine neue Race
aus den Bojaren-Racen bleibt eben Bojaren-Race u. bietet den unglückseeliger
Ländern nichts als Verewigung der Unglückseeligkeit. Darum kann ich nicht
anders "rathen", als zur Wahl aus einer unserer europäischen, am besten wegen
der schwächeren Consequenzen, aus einer deutschen Fürstenrace.

Da außer einer solchen Wahl Alles Unheil und Verderben ist, so rede
man nur nicht von der Pforten Suzereinetät, die einmal feststeht, und gehalten
werden mag, wie die des Kaisers über die großen Reichsfürsten des Mittel¬
alters. Also: ein Sachse, ein Hesse, ein Baden, meinetwegen ein Lippe, ein
Liechtenstein, dessen Kinder in der orient. Kirche erzogen werden. -- Ich
raisonnire so: Kommt ein Bojar auf den erblichen Thron, oder die Throne,
so wird das einfache Bestechungssystem gegen den Sultan oder seine Großen
ein doppeltes, in dem Oestreich fast mit gleichen Ansprüchen als ein Bestechmigs-
Objekt auftritt -- also ist doppelt mehr Geld erforderlich, also wird das Volk
(und das Alles in ruhigen Zeiten) doppelt geschunden. Zu wirklichen Ver¬
besserungen des Landes, zu friedlicher Eroberung einer Zukunft für das Land
bleibt kein Geld, wenn auch guter Wille und weiter Blick und Verständniß der
Lage vorhanden wäre. Alles das existiert aber nicht! Der Hebel, der diese
zerklüftete Welt aus dem Abgrund hebt, muß außerhalb: in einer Dynastie
liegen, die mit der wirklichen Civilisation groß geworden ist. Dann ist eine
Hoffnung keine Thorheit. Ohne eine europäische, eine teutsche, alte Dynastie
ist es aber Thorheit. Die Frage stellt sich also ganz einfach: Wollen die
Mächte, die über das Schicksal der beiden großen, herrlichster Entwickelung
fähigen Länder wirklich Etwas für dieselben thun; wofür die Länder den
Mächten einst Dank sagen können? Dann ist das angegebene Verfahren das
einzige Mittel zum Zwecke. Wollen die Mächte sich mit einer eitlen Replatrage
begnügen, dulden die sogenannten Interessen der 6 Reiche nichts als ein
gewissenloses Arrangement quelconque pour mena^er w encore et le clioux,
so verspüre ich keine Lust, bei so elendem Monstraden, meinen u. Preußens
Namen genannt zu wissen. Mein Stolz ist dann, "gar nicht genannt zu sein".


Grenzboten III 1912 ^
An der Wiege des Königreichs Rumänien

auch nicht von England, doch von Frankreich und Rußland hierzu angehalten
werden dürften."

Auf diesen Bericht erhält Richthofen folgenden für die Persönlichkeit des
Schreibers so überaus charakteristischen Brief des Königs.


Theuerster Louis!

Ich halte es für nothwendig, daß Sie meine eigendsten Ansichten (ich möchte
fast sagen Gefühle) kennen, die mich bei der Reorganisation der Moldau und
Wallachei leiten. Meine Stellung zu dieser (im guten, wie im bösen Sinne)
höchst zukunftreichen Sache ist mehr eigner Art. Sie ist durch sich selbst gebothen,
d. h. beide Länder gehen mich „garnichts an" und ich bin folglich auf
in. Ansicht verwiesen, wie sie mein Gewissen macht, wenn ich dort im Rath
opiniren soll.

Nehmen Sie.....aus....., so bleibt es..... Eine neue Race
aus den Bojaren-Racen bleibt eben Bojaren-Race u. bietet den unglückseeliger
Ländern nichts als Verewigung der Unglückseeligkeit. Darum kann ich nicht
anders „rathen", als zur Wahl aus einer unserer europäischen, am besten wegen
der schwächeren Consequenzen, aus einer deutschen Fürstenrace.

Da außer einer solchen Wahl Alles Unheil und Verderben ist, so rede
man nur nicht von der Pforten Suzereinetät, die einmal feststeht, und gehalten
werden mag, wie die des Kaisers über die großen Reichsfürsten des Mittel¬
alters. Also: ein Sachse, ein Hesse, ein Baden, meinetwegen ein Lippe, ein
Liechtenstein, dessen Kinder in der orient. Kirche erzogen werden. — Ich
raisonnire so: Kommt ein Bojar auf den erblichen Thron, oder die Throne,
so wird das einfache Bestechungssystem gegen den Sultan oder seine Großen
ein doppeltes, in dem Oestreich fast mit gleichen Ansprüchen als ein Bestechmigs-
Objekt auftritt — also ist doppelt mehr Geld erforderlich, also wird das Volk
(und das Alles in ruhigen Zeiten) doppelt geschunden. Zu wirklichen Ver¬
besserungen des Landes, zu friedlicher Eroberung einer Zukunft für das Land
bleibt kein Geld, wenn auch guter Wille und weiter Blick und Verständniß der
Lage vorhanden wäre. Alles das existiert aber nicht! Der Hebel, der diese
zerklüftete Welt aus dem Abgrund hebt, muß außerhalb: in einer Dynastie
liegen, die mit der wirklichen Civilisation groß geworden ist. Dann ist eine
Hoffnung keine Thorheit. Ohne eine europäische, eine teutsche, alte Dynastie
ist es aber Thorheit. Die Frage stellt sich also ganz einfach: Wollen die
Mächte, die über das Schicksal der beiden großen, herrlichster Entwickelung
fähigen Länder wirklich Etwas für dieselben thun; wofür die Länder den
Mächten einst Dank sagen können? Dann ist das angegebene Verfahren das
einzige Mittel zum Zwecke. Wollen die Mächte sich mit einer eitlen Replatrage
begnügen, dulden die sogenannten Interessen der 6 Reiche nichts als ein
gewissenloses Arrangement quelconque pour mena^er w encore et le clioux,
so verspüre ich keine Lust, bei so elendem Monstraden, meinen u. Preußens
Namen genannt zu wissen. Mein Stolz ist dann, „gar nicht genannt zu sein".


Grenzboten III 1912 ^
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/221>, abgerufen am 03.07.2024.