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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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An der Wiege des Aönigreichs Rumänien

Herr Basily ließ nun dem tiefsten Groll gegen Österreich freien Lauf. Als
er in Wien den Grafen Buol besucht und diesen gefragt habe, wann die
Evakuation der Fürstentümer von den österreichischen Truppen stattfinden werde,
habe ihm dieser lakonisch geantwortet: wenn die Grenzregulierung erfolgt sein
wird, denn beides, die Evakuation und die Grenzregulierung, seien die Be¬
dingungen für den Beginn der Arbeiten der Kommission, wie ausdrücklich in
der vereinbarten Generalinstruktion des Kongresses sür die Kommission stehe,
was an sich ganz richtig ist. Nun setze aber gerade Österreich dem Abschluß
der Grenzregulierung die größten Schwierigkeiten entgegen, indem die Grenzlinie
bei Belgrad, wie sie russischerseits vorgeschlagen, von Frankreich und England
akzeptiert, von der Pforte aber, auf österreichisches Einwirken, und von Öster¬
reich selbst in einer unmöglichen Weise verlangt würde. Unter diesem Prätext
suche man die Evakuation hinzuziehen, um womöglich die Kommission, deren
Arbeiten nun nicht mehr verschoben werden könnte, unter dem Einflüsse öster¬
reichischer Truppen wirken zu lassen. Rußland werde indes sich an nichts
beteiligen, bevor die Evakuation nicht erfolgt sei. Außerdem deutete Herr Basily
an, daß man an dem Vorhandensein österreichischer Agenten in den Fürsten¬
tümern nicht zweifeln dürfe, und daß es leicht kommen könne, daß diese
etwas vorbereiteten, das den Prätext zum Einschreiten österreichischer
Truppen gebe.

Die letztere Auffassung halte ich nicht für unbegründet. Herr Basily hat
sich übrigens in ähnlichem Sinne auch gegen Baron Talleyrand ausgesprochen,
und ich bemerke allernntertünigst, daß bei den hiesigen Gesandtschaften von
England und Frankreich die obige Äußerung von Graf Buol gegen Herrn Basily
Aufsehen erregt hat. Von Frankreich glaube ich indes nach den Äußerungen
von Baron Talleyrand nicht, daß man große Umstände machen würde,
die Kommission in Wirksamkeit zu setzen, wenn die Evakuation auch noch
nicht erfolgt wäre. Man würde sich dort damit begnügen, diese beginnen
zu sehen.

In späteren wiederholten Zusammenkünften hat mir Herr Basily noch näher
von denjenigen Maßregeln gesprochen, die nötig sein werden, um zu verhindern,
daß Österreich eine überwiegende Stellung in der Kommission einnehme. In
dieser Hinsicht erwähne ich nur alleruntertänigst, daß nach der Pariser General¬
instruktion für die Kommissäre nach Stimmenmehrheit ein Mitglied erwählt
werden soll, welches die Relationen mit den Diwans acZ Koa zu unterhalten
hat. Herr Basily hat nun die Instruktion, in der Kommisston zu erklären, daß
er angewiesen sei. wenn die Wahl auf den russischen Kommissär falle, sie
abzulehnen, aber auch die Erwartung auszusprechen, daß die Türkei und Öster¬
reich nicht minder bereit sein werden, diese wichtigen Funktionen in die Hände
eines der Kommissäre der übrigen Mächte zu geben, die sämtlich zu der Frage
unparteiischer stehen. Über diese und andere SpezialPunkte berichte ich heute
an den Ministerpräsidenten ausführlich mit der Bitte um Instruktion.


An der Wiege des Aönigreichs Rumänien

Herr Basily ließ nun dem tiefsten Groll gegen Österreich freien Lauf. Als
er in Wien den Grafen Buol besucht und diesen gefragt habe, wann die
Evakuation der Fürstentümer von den österreichischen Truppen stattfinden werde,
habe ihm dieser lakonisch geantwortet: wenn die Grenzregulierung erfolgt sein
wird, denn beides, die Evakuation und die Grenzregulierung, seien die Be¬
dingungen für den Beginn der Arbeiten der Kommission, wie ausdrücklich in
der vereinbarten Generalinstruktion des Kongresses sür die Kommission stehe,
was an sich ganz richtig ist. Nun setze aber gerade Österreich dem Abschluß
der Grenzregulierung die größten Schwierigkeiten entgegen, indem die Grenzlinie
bei Belgrad, wie sie russischerseits vorgeschlagen, von Frankreich und England
akzeptiert, von der Pforte aber, auf österreichisches Einwirken, und von Öster¬
reich selbst in einer unmöglichen Weise verlangt würde. Unter diesem Prätext
suche man die Evakuation hinzuziehen, um womöglich die Kommission, deren
Arbeiten nun nicht mehr verschoben werden könnte, unter dem Einflüsse öster¬
reichischer Truppen wirken zu lassen. Rußland werde indes sich an nichts
beteiligen, bevor die Evakuation nicht erfolgt sei. Außerdem deutete Herr Basily
an, daß man an dem Vorhandensein österreichischer Agenten in den Fürsten¬
tümern nicht zweifeln dürfe, und daß es leicht kommen könne, daß diese
etwas vorbereiteten, das den Prätext zum Einschreiten österreichischer
Truppen gebe.

Die letztere Auffassung halte ich nicht für unbegründet. Herr Basily hat
sich übrigens in ähnlichem Sinne auch gegen Baron Talleyrand ausgesprochen,
und ich bemerke allernntertünigst, daß bei den hiesigen Gesandtschaften von
England und Frankreich die obige Äußerung von Graf Buol gegen Herrn Basily
Aufsehen erregt hat. Von Frankreich glaube ich indes nach den Äußerungen
von Baron Talleyrand nicht, daß man große Umstände machen würde,
die Kommission in Wirksamkeit zu setzen, wenn die Evakuation auch noch
nicht erfolgt wäre. Man würde sich dort damit begnügen, diese beginnen
zu sehen.

In späteren wiederholten Zusammenkünften hat mir Herr Basily noch näher
von denjenigen Maßregeln gesprochen, die nötig sein werden, um zu verhindern,
daß Österreich eine überwiegende Stellung in der Kommission einnehme. In
dieser Hinsicht erwähne ich nur alleruntertänigst, daß nach der Pariser General¬
instruktion für die Kommissäre nach Stimmenmehrheit ein Mitglied erwählt
werden soll, welches die Relationen mit den Diwans acZ Koa zu unterhalten
hat. Herr Basily hat nun die Instruktion, in der Kommisston zu erklären, daß
er angewiesen sei. wenn die Wahl auf den russischen Kommissär falle, sie
abzulehnen, aber auch die Erwartung auszusprechen, daß die Türkei und Öster¬
reich nicht minder bereit sein werden, diese wichtigen Funktionen in die Hände
eines der Kommissäre der übrigen Mächte zu geben, die sämtlich zu der Frage
unparteiischer stehen. Über diese und andere SpezialPunkte berichte ich heute
an den Ministerpräsidenten ausführlich mit der Bitte um Instruktion.


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[0217] An der Wiege des Aönigreichs Rumänien Herr Basily ließ nun dem tiefsten Groll gegen Österreich freien Lauf. Als er in Wien den Grafen Buol besucht und diesen gefragt habe, wann die Evakuation der Fürstentümer von den österreichischen Truppen stattfinden werde, habe ihm dieser lakonisch geantwortet: wenn die Grenzregulierung erfolgt sein wird, denn beides, die Evakuation und die Grenzregulierung, seien die Be¬ dingungen für den Beginn der Arbeiten der Kommission, wie ausdrücklich in der vereinbarten Generalinstruktion des Kongresses sür die Kommission stehe, was an sich ganz richtig ist. Nun setze aber gerade Österreich dem Abschluß der Grenzregulierung die größten Schwierigkeiten entgegen, indem die Grenzlinie bei Belgrad, wie sie russischerseits vorgeschlagen, von Frankreich und England akzeptiert, von der Pforte aber, auf österreichisches Einwirken, und von Öster¬ reich selbst in einer unmöglichen Weise verlangt würde. Unter diesem Prätext suche man die Evakuation hinzuziehen, um womöglich die Kommission, deren Arbeiten nun nicht mehr verschoben werden könnte, unter dem Einflüsse öster¬ reichischer Truppen wirken zu lassen. Rußland werde indes sich an nichts beteiligen, bevor die Evakuation nicht erfolgt sei. Außerdem deutete Herr Basily an, daß man an dem Vorhandensein österreichischer Agenten in den Fürsten¬ tümern nicht zweifeln dürfe, und daß es leicht kommen könne, daß diese etwas vorbereiteten, das den Prätext zum Einschreiten österreichischer Truppen gebe. Die letztere Auffassung halte ich nicht für unbegründet. Herr Basily hat sich übrigens in ähnlichem Sinne auch gegen Baron Talleyrand ausgesprochen, und ich bemerke allernntertünigst, daß bei den hiesigen Gesandtschaften von England und Frankreich die obige Äußerung von Graf Buol gegen Herrn Basily Aufsehen erregt hat. Von Frankreich glaube ich indes nach den Äußerungen von Baron Talleyrand nicht, daß man große Umstände machen würde, die Kommission in Wirksamkeit zu setzen, wenn die Evakuation auch noch nicht erfolgt wäre. Man würde sich dort damit begnügen, diese beginnen zu sehen. In späteren wiederholten Zusammenkünften hat mir Herr Basily noch näher von denjenigen Maßregeln gesprochen, die nötig sein werden, um zu verhindern, daß Österreich eine überwiegende Stellung in der Kommission einnehme. In dieser Hinsicht erwähne ich nur alleruntertänigst, daß nach der Pariser General¬ instruktion für die Kommissäre nach Stimmenmehrheit ein Mitglied erwählt werden soll, welches die Relationen mit den Diwans acZ Koa zu unterhalten hat. Herr Basily hat nun die Instruktion, in der Kommisston zu erklären, daß er angewiesen sei. wenn die Wahl auf den russischen Kommissär falle, sie abzulehnen, aber auch die Erwartung auszusprechen, daß die Türkei und Öster¬ reich nicht minder bereit sein werden, diese wichtigen Funktionen in die Hände eines der Kommissäre der übrigen Mächte zu geben, die sämtlich zu der Frage unparteiischer stehen. Über diese und andere SpezialPunkte berichte ich heute an den Ministerpräsidenten ausführlich mit der Bitte um Instruktion.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/217>, abgerufen am 03.07.2024.