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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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An der lviege des Königreichs Rumänien

daß ich eigentlich bis jetzt der Meinung gewesen sei, daß es geradehin in der
Unmöglichkeit liege, daß die Rumänen in jenen Ländern sich sehnen könnten,
unter moldau-walachische Herrschaft zu kommen; ich glaubte auch, daß für die
Provinz Posen nichts zu fürchten sei.

Der russische Kommissär Basilv leitete seinen Besuch bei mir mit einer
Äußerung über meine Wirksamkeit in der Moldau und Walachei in den Jahren
1846 bis 1848 ein*); es war ihm bekannt, daß damals falsche oder übereifrige
Freunde von Rußland die von mir an Euer Königlichen Majestät Regierung
erstatteten wahrheitsgetreuer Berichte über das gewissenlose Gebaren der da¬
maligen russischen Agenten in den Fürstentümern an das Kaiserliche Kabinett
hatten transpirieren lassen, und daß Graf Nesselrode infolge dessen meine
Abberufung beantragt und diese durchgesetzt hatte. nachmalige, traurige Er¬
fahrungen hätten das Kaiserliche Kabinett die Überzeugung gewinnen lassen,
daß meine damaligen Angaben, weit entfernt, übertrieben gewesen zu sein,
noch weit gegen den eigentlichen Sachverhalt zurückgestanden hätten, und
daß das damalige, wie er sich ausdrückte, schamlose Benehmen der russischen
Agenten, wie es selbstverständlich ganz gegen den Willen des höchst¬
seligen Kaisers (Nikolaus des Ersten), so auch ganz geeignet gewesen sei, sich
die Sympathien der Fürstentümer zu entfremden und Bedenken im Auslande
zu erregen.

Jetzt seien alle Maßregeln getroffen, und er. Herr Bastln, insbesondere
dazu ausersehen, der ursprünglich traditionellen, und nur durch mangelhafte
Agenten verfälscht gewesene Politik Rußlands in den Fürstentümern, welche
stets nichts anderes als den möglichsten Aufschwung derselben in Absicht gehabt
habe, Geltung zu verschaffen; man werde Rußland überall als Gegner auf dem
Platze finden, wenn es von anderer Seite versucht werden sollte, der Aus¬
führung der wohlwollenden Absichten des Pariser Friedens für die Fürsten¬
tümer Eintrag zu thun.



*) Richthofen war vom 28. August 1846 bis zum 12. Februar 1849 preußischer General¬
konsul für die Moldau-Fürstentümer mit dem Sitz in Jassy. (A. a. O. S. 611 bis 620.) Aus
seinen höchst interessanten Erzählungen aus jener Zeit muß hier das folgende hervorgehoben
werden. In den Jahren 1847/48 war die Moldau von russischen Truppen besetzt. Richthofen
erwartete von Tag zu Tag den Ausbruch einer Revolution gegen den seit 1834 regierenden
Hospodor, Fürsten Michael Sturdza, und berichtete demgemäß sowohl an den Preußischen
Gesandten nach Konstantinopel wie nach Berlin. "Meine politischen . . . Berichte," schreibt
Richthofen a. a. O. S. 616, "insbesondere auch diejenigen vertraulicher Natur, waren bei dem
damaligen intimen Verhältnis zwischen Preußen und Rußland Wohl... aus dem königlichen
Kabinett zur Kenntnis der russischen Regierung gelangt und hatten dort Aufsehen und Mi߬
fallen erregt; größeres noch in Jassy bei dem russischen Konsul und dem Fürsten (Sturdza).
. . . Von beiden Seiten gingen Rechtfertigungsberichte und Anträge auf Vermittlung meiner
Abberufung an das Petersburger Kabinett ab..." Im Juli 1843 wurde Richthofen durch die Mitteilung aus Berlin überrascht, seine
"Abreise in Form einer Beurlaubung erweise sich als nötig"!
An der lviege des Königreichs Rumänien

daß ich eigentlich bis jetzt der Meinung gewesen sei, daß es geradehin in der
Unmöglichkeit liege, daß die Rumänen in jenen Ländern sich sehnen könnten,
unter moldau-walachische Herrschaft zu kommen; ich glaubte auch, daß für die
Provinz Posen nichts zu fürchten sei.

Der russische Kommissär Basilv leitete seinen Besuch bei mir mit einer
Äußerung über meine Wirksamkeit in der Moldau und Walachei in den Jahren
1846 bis 1848 ein*); es war ihm bekannt, daß damals falsche oder übereifrige
Freunde von Rußland die von mir an Euer Königlichen Majestät Regierung
erstatteten wahrheitsgetreuer Berichte über das gewissenlose Gebaren der da¬
maligen russischen Agenten in den Fürstentümern an das Kaiserliche Kabinett
hatten transpirieren lassen, und daß Graf Nesselrode infolge dessen meine
Abberufung beantragt und diese durchgesetzt hatte. nachmalige, traurige Er¬
fahrungen hätten das Kaiserliche Kabinett die Überzeugung gewinnen lassen,
daß meine damaligen Angaben, weit entfernt, übertrieben gewesen zu sein,
noch weit gegen den eigentlichen Sachverhalt zurückgestanden hätten, und
daß das damalige, wie er sich ausdrückte, schamlose Benehmen der russischen
Agenten, wie es selbstverständlich ganz gegen den Willen des höchst¬
seligen Kaisers (Nikolaus des Ersten), so auch ganz geeignet gewesen sei, sich
die Sympathien der Fürstentümer zu entfremden und Bedenken im Auslande
zu erregen.

Jetzt seien alle Maßregeln getroffen, und er. Herr Bastln, insbesondere
dazu ausersehen, der ursprünglich traditionellen, und nur durch mangelhafte
Agenten verfälscht gewesene Politik Rußlands in den Fürstentümern, welche
stets nichts anderes als den möglichsten Aufschwung derselben in Absicht gehabt
habe, Geltung zu verschaffen; man werde Rußland überall als Gegner auf dem
Platze finden, wenn es von anderer Seite versucht werden sollte, der Aus¬
führung der wohlwollenden Absichten des Pariser Friedens für die Fürsten¬
tümer Eintrag zu thun.



*) Richthofen war vom 28. August 1846 bis zum 12. Februar 1849 preußischer General¬
konsul für die Moldau-Fürstentümer mit dem Sitz in Jassy. (A. a. O. S. 611 bis 620.) Aus
seinen höchst interessanten Erzählungen aus jener Zeit muß hier das folgende hervorgehoben
werden. In den Jahren 1847/48 war die Moldau von russischen Truppen besetzt. Richthofen
erwartete von Tag zu Tag den Ausbruch einer Revolution gegen den seit 1834 regierenden
Hospodor, Fürsten Michael Sturdza, und berichtete demgemäß sowohl an den Preußischen
Gesandten nach Konstantinopel wie nach Berlin. „Meine politischen . . . Berichte," schreibt
Richthofen a. a. O. S. 616, „insbesondere auch diejenigen vertraulicher Natur, waren bei dem
damaligen intimen Verhältnis zwischen Preußen und Rußland Wohl... aus dem königlichen
Kabinett zur Kenntnis der russischen Regierung gelangt und hatten dort Aufsehen und Mi߬
fallen erregt; größeres noch in Jassy bei dem russischen Konsul und dem Fürsten (Sturdza).
. . . Von beiden Seiten gingen Rechtfertigungsberichte und Anträge auf Vermittlung meiner
Abberufung an das Petersburger Kabinett ab..." Im Juli 1843 wurde Richthofen durch die Mitteilung aus Berlin überrascht, seine
„Abreise in Form einer Beurlaubung erweise sich als nötig"!
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[0216] An der lviege des Königreichs Rumänien daß ich eigentlich bis jetzt der Meinung gewesen sei, daß es geradehin in der Unmöglichkeit liege, daß die Rumänen in jenen Ländern sich sehnen könnten, unter moldau-walachische Herrschaft zu kommen; ich glaubte auch, daß für die Provinz Posen nichts zu fürchten sei. Der russische Kommissär Basilv leitete seinen Besuch bei mir mit einer Äußerung über meine Wirksamkeit in der Moldau und Walachei in den Jahren 1846 bis 1848 ein*); es war ihm bekannt, daß damals falsche oder übereifrige Freunde von Rußland die von mir an Euer Königlichen Majestät Regierung erstatteten wahrheitsgetreuer Berichte über das gewissenlose Gebaren der da¬ maligen russischen Agenten in den Fürstentümern an das Kaiserliche Kabinett hatten transpirieren lassen, und daß Graf Nesselrode infolge dessen meine Abberufung beantragt und diese durchgesetzt hatte. nachmalige, traurige Er¬ fahrungen hätten das Kaiserliche Kabinett die Überzeugung gewinnen lassen, daß meine damaligen Angaben, weit entfernt, übertrieben gewesen zu sein, noch weit gegen den eigentlichen Sachverhalt zurückgestanden hätten, und daß das damalige, wie er sich ausdrückte, schamlose Benehmen der russischen Agenten, wie es selbstverständlich ganz gegen den Willen des höchst¬ seligen Kaisers (Nikolaus des Ersten), so auch ganz geeignet gewesen sei, sich die Sympathien der Fürstentümer zu entfremden und Bedenken im Auslande zu erregen. Jetzt seien alle Maßregeln getroffen, und er. Herr Bastln, insbesondere dazu ausersehen, der ursprünglich traditionellen, und nur durch mangelhafte Agenten verfälscht gewesene Politik Rußlands in den Fürstentümern, welche stets nichts anderes als den möglichsten Aufschwung derselben in Absicht gehabt habe, Geltung zu verschaffen; man werde Rußland überall als Gegner auf dem Platze finden, wenn es von anderer Seite versucht werden sollte, der Aus¬ führung der wohlwollenden Absichten des Pariser Friedens für die Fürsten¬ tümer Eintrag zu thun. *) Richthofen war vom 28. August 1846 bis zum 12. Februar 1849 preußischer General¬ konsul für die Moldau-Fürstentümer mit dem Sitz in Jassy. (A. a. O. S. 611 bis 620.) Aus seinen höchst interessanten Erzählungen aus jener Zeit muß hier das folgende hervorgehoben werden. In den Jahren 1847/48 war die Moldau von russischen Truppen besetzt. Richthofen erwartete von Tag zu Tag den Ausbruch einer Revolution gegen den seit 1834 regierenden Hospodor, Fürsten Michael Sturdza, und berichtete demgemäß sowohl an den Preußischen Gesandten nach Konstantinopel wie nach Berlin. „Meine politischen . . . Berichte," schreibt Richthofen a. a. O. S. 616, „insbesondere auch diejenigen vertraulicher Natur, waren bei dem damaligen intimen Verhältnis zwischen Preußen und Rußland Wohl... aus dem königlichen Kabinett zur Kenntnis der russischen Regierung gelangt und hatten dort Aufsehen und Mi߬ fallen erregt; größeres noch in Jassy bei dem russischen Konsul und dem Fürsten (Sturdza). . . . Von beiden Seiten gingen Rechtfertigungsberichte und Anträge auf Vermittlung meiner Abberufung an das Petersburger Kabinett ab..." Im Juli 1843 wurde Richthofen durch die Mitteilung aus Berlin überrascht, seine „Abreise in Form einer Beurlaubung erweise sich als nötig"!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/216>, abgerufen am 03.07.2024.