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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Mirow

gepflanzt gewesen, und daß nicht zwei Kraniche Schildwache davor gestanden
hätten. Ich kam ans Haus heran, und nachdem ich wohl eine halbe Stunde
an die Thür geklopft hatte, so kam eine ganz alte Magd, die wohl aussahe,
als wenn sie des Prinzen Mirow seines Vaters Amme gewesen wäre, und als
die gute Frau fremde Gesichter zu sehen kriegt, so war sie dermaßen erschrocken,
daß sie uns die Thür vor der Nase zuschmiß." -

Da die Tür trotz wiederholten Klopfens nicht wieder geöffnet wurde, wandte
sich der Prinz dem Stalle zu und erfuhr nun, daß die Herrschaften mit der
gesamten Dienerschaft nach Neustrelitz gefahren seien. Ihnen dorthin folgend,
trifft er sie auch da nicht mehr und erreicht sie endlich in Kanow, wo er in der
Mühle einkehrt und sich durch eine Magd anmelden läßt. Man kann sich die
Verlegenheit der fürstlichen Familie denken, die, auf einer kleinen Landpartie
begriffen, in keiner Weise auf den Empfang eines solchen Gastes vorbereitet
war. "Kanow ist ein pures Dorf, das Lustschloß des Prinzen nichts anderes
als ein ordinäres Jägerhaus, wie alle Haideläufer haben," schreibt Friedrich.

Da die ganze Einrichtung nur aus einfachen hölzernen Tischen und Bänken
und Hirschgeweihen an den Wänden bestand, so hielten die Herrschaften sich dort
wohl meist unter den schönen Kastanienbäumen oder auf der Gartenterrasse auf,
von wo man einen hübschen Blick auf See und Wald hatte. Der Kronprinz
fand die ganze Mirower Familie dort versammelt. Er meint, die Herzogin-
Mutter sei die Klügste von allen und erzählt: "Das Erstere, womit ich entre-
teniret wurde, war das Unglück, welches dem besten Koch geschehen wäre, welcher
mit sammt dem Wagen, welcher Provision sollte bringen, umgefallen wäre und
sich den Arm gebrochen, und die Provisions wären dadurch alle zu nichte
gegangen. Ich ließ mich insgeheim darnach erkundigen, so war nicht ein wahr
Wort daran. Endlich ging man an Tafel, dar es denn auch gewiß schien, als
wenn denen Provisions nebst dem Koch ein Unglück geschehen wäre." --

Wohl möglich, daß man sich durch diese Notlüge aus der Verlegenheit zu
helfen suchte, doch endete dieser Besuch mit dem Versprechen eines Gegenbesuchs
in Rheinsberg. Als dieser nach einigen Wochen erfolgte, gab es wieder einen
spaßhaften Bericht an den König. Der Kronprinz schreibt:

"Des Prinzen von Mirow Visite ist gar zu curieuse gewesen, auf daß
ich nicht meinem allergnädigsten Vater alle Umstände darin berichte." Er erzählt
dann, daß der dänische Gesandte, General Prätorius, als der Kronprinz mit
seinem Gast eintrat, ganz laut gesagt habe: "Vvilü, le prines LajuLa." Kein
Mensch konnte das Lachen lassen, und hatte ich alle Mühe, daß ich es so drehte,
daß er nicht böse wurde. Kaum war der Prinz im Hause, daß man mir
sagen kam, daß dem armen Prinzen zum Unglück der Prinz Heinins (Markgraf
von Schwedt) gekommen wäre, -- welcher ihn dann dermaßen aufzog, daß
wir alle gedacht, todt vor Lachen zu bleiben... den Nachmittag um ihn den
Rock zu verderben, so haben wir in Regen nach dem Vogel geschossen. Er
wollte wohl nichts sagen, aber man konnte doch sehen, wie er sich um den Rock


Mirow

gepflanzt gewesen, und daß nicht zwei Kraniche Schildwache davor gestanden
hätten. Ich kam ans Haus heran, und nachdem ich wohl eine halbe Stunde
an die Thür geklopft hatte, so kam eine ganz alte Magd, die wohl aussahe,
als wenn sie des Prinzen Mirow seines Vaters Amme gewesen wäre, und als
die gute Frau fremde Gesichter zu sehen kriegt, so war sie dermaßen erschrocken,
daß sie uns die Thür vor der Nase zuschmiß." -

Da die Tür trotz wiederholten Klopfens nicht wieder geöffnet wurde, wandte
sich der Prinz dem Stalle zu und erfuhr nun, daß die Herrschaften mit der
gesamten Dienerschaft nach Neustrelitz gefahren seien. Ihnen dorthin folgend,
trifft er sie auch da nicht mehr und erreicht sie endlich in Kanow, wo er in der
Mühle einkehrt und sich durch eine Magd anmelden läßt. Man kann sich die
Verlegenheit der fürstlichen Familie denken, die, auf einer kleinen Landpartie
begriffen, in keiner Weise auf den Empfang eines solchen Gastes vorbereitet
war. „Kanow ist ein pures Dorf, das Lustschloß des Prinzen nichts anderes
als ein ordinäres Jägerhaus, wie alle Haideläufer haben," schreibt Friedrich.

Da die ganze Einrichtung nur aus einfachen hölzernen Tischen und Bänken
und Hirschgeweihen an den Wänden bestand, so hielten die Herrschaften sich dort
wohl meist unter den schönen Kastanienbäumen oder auf der Gartenterrasse auf,
von wo man einen hübschen Blick auf See und Wald hatte. Der Kronprinz
fand die ganze Mirower Familie dort versammelt. Er meint, die Herzogin-
Mutter sei die Klügste von allen und erzählt: „Das Erstere, womit ich entre-
teniret wurde, war das Unglück, welches dem besten Koch geschehen wäre, welcher
mit sammt dem Wagen, welcher Provision sollte bringen, umgefallen wäre und
sich den Arm gebrochen, und die Provisions wären dadurch alle zu nichte
gegangen. Ich ließ mich insgeheim darnach erkundigen, so war nicht ein wahr
Wort daran. Endlich ging man an Tafel, dar es denn auch gewiß schien, als
wenn denen Provisions nebst dem Koch ein Unglück geschehen wäre." —

Wohl möglich, daß man sich durch diese Notlüge aus der Verlegenheit zu
helfen suchte, doch endete dieser Besuch mit dem Versprechen eines Gegenbesuchs
in Rheinsberg. Als dieser nach einigen Wochen erfolgte, gab es wieder einen
spaßhaften Bericht an den König. Der Kronprinz schreibt:

„Des Prinzen von Mirow Visite ist gar zu curieuse gewesen, auf daß
ich nicht meinem allergnädigsten Vater alle Umstände darin berichte." Er erzählt
dann, daß der dänische Gesandte, General Prätorius, als der Kronprinz mit
seinem Gast eintrat, ganz laut gesagt habe: „Vvilü, le prines LajuLa." Kein
Mensch konnte das Lachen lassen, und hatte ich alle Mühe, daß ich es so drehte,
daß er nicht böse wurde. Kaum war der Prinz im Hause, daß man mir
sagen kam, daß dem armen Prinzen zum Unglück der Prinz Heinins (Markgraf
von Schwedt) gekommen wäre, — welcher ihn dann dermaßen aufzog, daß
wir alle gedacht, todt vor Lachen zu bleiben... den Nachmittag um ihn den
Rock zu verderben, so haben wir in Regen nach dem Vogel geschossen. Er
wollte wohl nichts sagen, aber man konnte doch sehen, wie er sich um den Rock


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/190>, abgerufen am 03.07.2024.