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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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"Untertanen"

Sinne der katholischen Salbung durch die Kirche gebraucht werden könnte,
außerdem aber doch juristisch nur in einer Umdeutung gerechtfertigt werden
mag, die selbst mit dem weitestell Wortverstande von "heilig" nicht mehr
zusammenstimmen will. Allein das Wort tut niemandem weh, und in der
Empfindung des Volkes steht die Fürstenwürde noch in engerem Zusammenhange
mit Religion und Kirche als im modernen Staatsrecht, welches auch ungekrönten
und ungesalbten Häuptern die Majestät der Krone zuerkennt."

Was nicht von der theokratischen Theorie sagt, gilt auch von der patri-
monialen. Wie in der Vorstellung des Königtums von Gottes Gnaden vielfach
noch die Auffassung des Königtums als göttliche Statthalterschaft fortlebt, so
wird auch in der Empfindung des Volkes noch vielfach an den durch das
moderne Staatsrecht überwundenen patrimonialen Anschauungen festgehalten.

Aber nicht bloß unbewußt geschieht dies. Eine mächtige Partei baut ihr
politisches Glaubensbekenntnis auf der Verbindung von Thron und Altar auf,
auf der Ansicht, daß auch heutzutage der Monarch Eigentümer des Staates ist,
daß das Land ihm gehört, daß die Staatsangehörigen ihm Untertan find.
Man glaubt, daß durch die Lehre von der Persönlichkeit des Staates die
Monarchie in ihrem Bestände gefährdet werde. Mit Unrecht. An der großen
Anpassungsfähigkeit der Monarchie an die geschichtliche Entwicklung liegt ihre
sicherste Gewähr für die Zukunft.

Bedeutsamer noch als diese politischen Momente ist eine Erwägung, die
aus dem Staatsrechte selbst fließt.

Wir sahen: Subjekt, Inhaber der Staatsgewalt ist der Staat selbst. Es
bedarf nun aber physischer Personen, welche von der Rechtsordnung berufen
sind, für den Staat zu wollen und zu handeln. Das sind die Organe des
Staates. Es gibt eine Menge von Staatsorganen. Auch der Monarch ist ein
Staatsorgan. Aber der Monarch ist ein Organ von ganz einzigartiger, hervor¬
ragender Stellung. Das bedarf näherer Darlegung.

Unter allen Staatsorganen sind die Organe, die unmittelbar auf der Ver¬
fassung beruhen, von besonderer Bedeutung: sie sind der Befehlsgewalt keines
anderen Organs unterstellt. Zu diesen unmittelbaren Staatsorganen gehören
der Monarch und das Parlament.

Die mittelbaren Organe leiten dagegen ihre Zuständigkeit nicht aus der
Verfassung, sondern vom Monarchen ab; ihre Organschaft beruht auf Anstellung
durch ihn, sie sind ihm untergeordnet und verpflichtet. Das gilt von allen
Behörden und Beamten.

Monarch und Parlament sind beide unmittelbare Staatsorgane, keines von
ihnen hat dem anderen etwas zu befehlen. Hiernach gewinnt es den Anschein,
als ob sie einander gleichgeordnet seien, nebeneinander stünden. Es ist aber
nicht an dem. Der Monarch ist dem Parlament gegenüber das höhere Organ.

Der Monarch ist ein selbständiges, das Parlament ein unselbständiges
Organ. Das will sagen: der Wille des Monarchen besitzt verbindliche Kraft


„Untertanen"

Sinne der katholischen Salbung durch die Kirche gebraucht werden könnte,
außerdem aber doch juristisch nur in einer Umdeutung gerechtfertigt werden
mag, die selbst mit dem weitestell Wortverstande von „heilig" nicht mehr
zusammenstimmen will. Allein das Wort tut niemandem weh, und in der
Empfindung des Volkes steht die Fürstenwürde noch in engerem Zusammenhange
mit Religion und Kirche als im modernen Staatsrecht, welches auch ungekrönten
und ungesalbten Häuptern die Majestät der Krone zuerkennt."

Was nicht von der theokratischen Theorie sagt, gilt auch von der patri-
monialen. Wie in der Vorstellung des Königtums von Gottes Gnaden vielfach
noch die Auffassung des Königtums als göttliche Statthalterschaft fortlebt, so
wird auch in der Empfindung des Volkes noch vielfach an den durch das
moderne Staatsrecht überwundenen patrimonialen Anschauungen festgehalten.

Aber nicht bloß unbewußt geschieht dies. Eine mächtige Partei baut ihr
politisches Glaubensbekenntnis auf der Verbindung von Thron und Altar auf,
auf der Ansicht, daß auch heutzutage der Monarch Eigentümer des Staates ist,
daß das Land ihm gehört, daß die Staatsangehörigen ihm Untertan find.
Man glaubt, daß durch die Lehre von der Persönlichkeit des Staates die
Monarchie in ihrem Bestände gefährdet werde. Mit Unrecht. An der großen
Anpassungsfähigkeit der Monarchie an die geschichtliche Entwicklung liegt ihre
sicherste Gewähr für die Zukunft.

Bedeutsamer noch als diese politischen Momente ist eine Erwägung, die
aus dem Staatsrechte selbst fließt.

Wir sahen: Subjekt, Inhaber der Staatsgewalt ist der Staat selbst. Es
bedarf nun aber physischer Personen, welche von der Rechtsordnung berufen
sind, für den Staat zu wollen und zu handeln. Das sind die Organe des
Staates. Es gibt eine Menge von Staatsorganen. Auch der Monarch ist ein
Staatsorgan. Aber der Monarch ist ein Organ von ganz einzigartiger, hervor¬
ragender Stellung. Das bedarf näherer Darlegung.

Unter allen Staatsorganen sind die Organe, die unmittelbar auf der Ver¬
fassung beruhen, von besonderer Bedeutung: sie sind der Befehlsgewalt keines
anderen Organs unterstellt. Zu diesen unmittelbaren Staatsorganen gehören
der Monarch und das Parlament.

Die mittelbaren Organe leiten dagegen ihre Zuständigkeit nicht aus der
Verfassung, sondern vom Monarchen ab; ihre Organschaft beruht auf Anstellung
durch ihn, sie sind ihm untergeordnet und verpflichtet. Das gilt von allen
Behörden und Beamten.

Monarch und Parlament sind beide unmittelbare Staatsorgane, keines von
ihnen hat dem anderen etwas zu befehlen. Hiernach gewinnt es den Anschein,
als ob sie einander gleichgeordnet seien, nebeneinander stünden. Es ist aber
nicht an dem. Der Monarch ist dem Parlament gegenüber das höhere Organ.

Der Monarch ist ein selbständiges, das Parlament ein unselbständiges
Organ. Das will sagen: der Wille des Monarchen besitzt verbindliche Kraft


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[0175] „Untertanen" Sinne der katholischen Salbung durch die Kirche gebraucht werden könnte, außerdem aber doch juristisch nur in einer Umdeutung gerechtfertigt werden mag, die selbst mit dem weitestell Wortverstande von „heilig" nicht mehr zusammenstimmen will. Allein das Wort tut niemandem weh, und in der Empfindung des Volkes steht die Fürstenwürde noch in engerem Zusammenhange mit Religion und Kirche als im modernen Staatsrecht, welches auch ungekrönten und ungesalbten Häuptern die Majestät der Krone zuerkennt." Was nicht von der theokratischen Theorie sagt, gilt auch von der patri- monialen. Wie in der Vorstellung des Königtums von Gottes Gnaden vielfach noch die Auffassung des Königtums als göttliche Statthalterschaft fortlebt, so wird auch in der Empfindung des Volkes noch vielfach an den durch das moderne Staatsrecht überwundenen patrimonialen Anschauungen festgehalten. Aber nicht bloß unbewußt geschieht dies. Eine mächtige Partei baut ihr politisches Glaubensbekenntnis auf der Verbindung von Thron und Altar auf, auf der Ansicht, daß auch heutzutage der Monarch Eigentümer des Staates ist, daß das Land ihm gehört, daß die Staatsangehörigen ihm Untertan find. Man glaubt, daß durch die Lehre von der Persönlichkeit des Staates die Monarchie in ihrem Bestände gefährdet werde. Mit Unrecht. An der großen Anpassungsfähigkeit der Monarchie an die geschichtliche Entwicklung liegt ihre sicherste Gewähr für die Zukunft. Bedeutsamer noch als diese politischen Momente ist eine Erwägung, die aus dem Staatsrechte selbst fließt. Wir sahen: Subjekt, Inhaber der Staatsgewalt ist der Staat selbst. Es bedarf nun aber physischer Personen, welche von der Rechtsordnung berufen sind, für den Staat zu wollen und zu handeln. Das sind die Organe des Staates. Es gibt eine Menge von Staatsorganen. Auch der Monarch ist ein Staatsorgan. Aber der Monarch ist ein Organ von ganz einzigartiger, hervor¬ ragender Stellung. Das bedarf näherer Darlegung. Unter allen Staatsorganen sind die Organe, die unmittelbar auf der Ver¬ fassung beruhen, von besonderer Bedeutung: sie sind der Befehlsgewalt keines anderen Organs unterstellt. Zu diesen unmittelbaren Staatsorganen gehören der Monarch und das Parlament. Die mittelbaren Organe leiten dagegen ihre Zuständigkeit nicht aus der Verfassung, sondern vom Monarchen ab; ihre Organschaft beruht auf Anstellung durch ihn, sie sind ihm untergeordnet und verpflichtet. Das gilt von allen Behörden und Beamten. Monarch und Parlament sind beide unmittelbare Staatsorgane, keines von ihnen hat dem anderen etwas zu befehlen. Hiernach gewinnt es den Anschein, als ob sie einander gleichgeordnet seien, nebeneinander stünden. Es ist aber nicht an dem. Der Monarch ist dem Parlament gegenüber das höhere Organ. Der Monarch ist ein selbständiges, das Parlament ein unselbständiges Organ. Das will sagen: der Wille des Monarchen besitzt verbindliche Kraft

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/175>, abgerufen am 03.07.2024.