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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Heimatmuseen

ist nicht das einzige ruhmreiche Zeugnis, wie Germanen ihre gefallenen Helden
zu ehren wußten. Gewaltige Begräbnisstätten, Hügel, mit knorrigen Kiefern
bestanden, finden sich noch hier und dort in einsamen Gegenden der Prignitz.
Auch in diesen Jungen wird das Heimatmuseum sich Mitarbeiter gewinnen, sich
selbst zum Nutzen. Aber noch einmal sei es gesagt, weit wichtiger ist der Nutzen,
den die Leute selbst haben. Wichtig auf diesem Gebiet ist alles, was dem Volk,
dem einfachen Mann Gelegenheit zur Mitarbeit gibt. Mitarbeit erzieht zur
Mitfreude, zum Mitinteresse. Geschieht solche Arbeit an einer Sache von
allgemeiner Bedeutung, zu allgemeinem Nutzen, so ist sie von doppeltem Werte.
Sie lehrt dem in enge Lebensbegrenztheit Gespannten, der oft in Gefahr steht,
darin zu verknöchern, den Blick für höhere Güter.

Das alles sind keine Theorien, sondern einfach der Beobachtung entsprungene
Erfahrungen, die wir in dem Prignitzmuseum gemacht haben und die sich schier
zahlenmäßig nachweisen lassen. Ein Buch, in das die Besucher des Museums
nach beendeten Rundgang ihren Namen eintragen müssen, bekundet das immer
wachsende Interesse der Bevölkerung. Im ersten Jahre, in dem es auflag,
hatten sich etwa zweitausend Personen eingeschrieben, im zweiten Jahre waren
es schon dreitausend, und in diesem Jahre dürften es weit über viertausend sein,
sind doch allein in einer Woche, ausschließlich des Sonntags, dreihundertfünf-
undsechzig Menschen hier gewesen, allein in den Monaten Mai und Juni gegen
dreißig Schulen. Und die Besucher sind nur zum geringsten Teil Touristen,
weitaus der größte Teil sind Bauern, Handwerker, Arbeiter, die nicht einmal,
sondern zu wiederholten Malen kommen.

Welches Museum Deutschlands kann sich damit vergleichen? Ein völliges
Unikum aber dürfte es sein, daß eine der hiesigen Bauerngemeinden einen
Jahresbeitrag von 10 Mark für das Museum bewilligt hat "in Anerkennung
seines kulturellen Wertes". Ebenso hat sich ein Handwerkerverein zu einem
jährlichen Beitrag verpflichtet. Andere Gemeinden, andere Vereine werden
folgen, das ist nur eine Frage der Zeit.

Damit ist auch der gewiß nicht unwichtige Punkt berührt, aus wasfür
Mitteln das Museum besteht. Es erhält Zuschüsse vom Stift, vom Kreise und
von der Provinz, die aber zusammen die Summe von 600 Mark nicht über¬
steigen. Als Ausgabe steht dem gegenüber die Anschaffung großer, teurer
Schränke, die durch Ausgrabungen verursachten Kosten und die Besoldung eines
Arbeiters, der die Urnen kittet und die gefundenen Gegenstände konserviert.
Daß die erwähnte Summe dafür unzureichend ist, braucht nicht gesagt zu
werden. Ergänzt wird sie durch eine im Museum aufgestellte Büchse sür frei¬
willige Gaben, in die besonders die kleinen Leute oft große Scherflein tun,
zum Dank dafür, daß das Museum täglich vom Morgen bis zum Abend für
jeden unentgeltlich geöffnet ist und daß jederzeit sür Führung mit verständnis¬
voller Erklärung gesorgt ist. Immerhin wird jetzt zur Beschaffung ausreichender
Mittel die Gründung eines Museumsvereins angestrebt. Daß das Werk unter


Heimatmuseen

ist nicht das einzige ruhmreiche Zeugnis, wie Germanen ihre gefallenen Helden
zu ehren wußten. Gewaltige Begräbnisstätten, Hügel, mit knorrigen Kiefern
bestanden, finden sich noch hier und dort in einsamen Gegenden der Prignitz.
Auch in diesen Jungen wird das Heimatmuseum sich Mitarbeiter gewinnen, sich
selbst zum Nutzen. Aber noch einmal sei es gesagt, weit wichtiger ist der Nutzen,
den die Leute selbst haben. Wichtig auf diesem Gebiet ist alles, was dem Volk,
dem einfachen Mann Gelegenheit zur Mitarbeit gibt. Mitarbeit erzieht zur
Mitfreude, zum Mitinteresse. Geschieht solche Arbeit an einer Sache von
allgemeiner Bedeutung, zu allgemeinem Nutzen, so ist sie von doppeltem Werte.
Sie lehrt dem in enge Lebensbegrenztheit Gespannten, der oft in Gefahr steht,
darin zu verknöchern, den Blick für höhere Güter.

Das alles sind keine Theorien, sondern einfach der Beobachtung entsprungene
Erfahrungen, die wir in dem Prignitzmuseum gemacht haben und die sich schier
zahlenmäßig nachweisen lassen. Ein Buch, in das die Besucher des Museums
nach beendeten Rundgang ihren Namen eintragen müssen, bekundet das immer
wachsende Interesse der Bevölkerung. Im ersten Jahre, in dem es auflag,
hatten sich etwa zweitausend Personen eingeschrieben, im zweiten Jahre waren
es schon dreitausend, und in diesem Jahre dürften es weit über viertausend sein,
sind doch allein in einer Woche, ausschließlich des Sonntags, dreihundertfünf-
undsechzig Menschen hier gewesen, allein in den Monaten Mai und Juni gegen
dreißig Schulen. Und die Besucher sind nur zum geringsten Teil Touristen,
weitaus der größte Teil sind Bauern, Handwerker, Arbeiter, die nicht einmal,
sondern zu wiederholten Malen kommen.

Welches Museum Deutschlands kann sich damit vergleichen? Ein völliges
Unikum aber dürfte es sein, daß eine der hiesigen Bauerngemeinden einen
Jahresbeitrag von 10 Mark für das Museum bewilligt hat „in Anerkennung
seines kulturellen Wertes". Ebenso hat sich ein Handwerkerverein zu einem
jährlichen Beitrag verpflichtet. Andere Gemeinden, andere Vereine werden
folgen, das ist nur eine Frage der Zeit.

Damit ist auch der gewiß nicht unwichtige Punkt berührt, aus wasfür
Mitteln das Museum besteht. Es erhält Zuschüsse vom Stift, vom Kreise und
von der Provinz, die aber zusammen die Summe von 600 Mark nicht über¬
steigen. Als Ausgabe steht dem gegenüber die Anschaffung großer, teurer
Schränke, die durch Ausgrabungen verursachten Kosten und die Besoldung eines
Arbeiters, der die Urnen kittet und die gefundenen Gegenstände konserviert.
Daß die erwähnte Summe dafür unzureichend ist, braucht nicht gesagt zu
werden. Ergänzt wird sie durch eine im Museum aufgestellte Büchse sür frei¬
willige Gaben, in die besonders die kleinen Leute oft große Scherflein tun,
zum Dank dafür, daß das Museum täglich vom Morgen bis zum Abend für
jeden unentgeltlich geöffnet ist und daß jederzeit sür Führung mit verständnis¬
voller Erklärung gesorgt ist. Immerhin wird jetzt zur Beschaffung ausreichender
Mittel die Gründung eines Museumsvereins angestrebt. Daß das Werk unter


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[0146] Heimatmuseen ist nicht das einzige ruhmreiche Zeugnis, wie Germanen ihre gefallenen Helden zu ehren wußten. Gewaltige Begräbnisstätten, Hügel, mit knorrigen Kiefern bestanden, finden sich noch hier und dort in einsamen Gegenden der Prignitz. Auch in diesen Jungen wird das Heimatmuseum sich Mitarbeiter gewinnen, sich selbst zum Nutzen. Aber noch einmal sei es gesagt, weit wichtiger ist der Nutzen, den die Leute selbst haben. Wichtig auf diesem Gebiet ist alles, was dem Volk, dem einfachen Mann Gelegenheit zur Mitarbeit gibt. Mitarbeit erzieht zur Mitfreude, zum Mitinteresse. Geschieht solche Arbeit an einer Sache von allgemeiner Bedeutung, zu allgemeinem Nutzen, so ist sie von doppeltem Werte. Sie lehrt dem in enge Lebensbegrenztheit Gespannten, der oft in Gefahr steht, darin zu verknöchern, den Blick für höhere Güter. Das alles sind keine Theorien, sondern einfach der Beobachtung entsprungene Erfahrungen, die wir in dem Prignitzmuseum gemacht haben und die sich schier zahlenmäßig nachweisen lassen. Ein Buch, in das die Besucher des Museums nach beendeten Rundgang ihren Namen eintragen müssen, bekundet das immer wachsende Interesse der Bevölkerung. Im ersten Jahre, in dem es auflag, hatten sich etwa zweitausend Personen eingeschrieben, im zweiten Jahre waren es schon dreitausend, und in diesem Jahre dürften es weit über viertausend sein, sind doch allein in einer Woche, ausschließlich des Sonntags, dreihundertfünf- undsechzig Menschen hier gewesen, allein in den Monaten Mai und Juni gegen dreißig Schulen. Und die Besucher sind nur zum geringsten Teil Touristen, weitaus der größte Teil sind Bauern, Handwerker, Arbeiter, die nicht einmal, sondern zu wiederholten Malen kommen. Welches Museum Deutschlands kann sich damit vergleichen? Ein völliges Unikum aber dürfte es sein, daß eine der hiesigen Bauerngemeinden einen Jahresbeitrag von 10 Mark für das Museum bewilligt hat „in Anerkennung seines kulturellen Wertes". Ebenso hat sich ein Handwerkerverein zu einem jährlichen Beitrag verpflichtet. Andere Gemeinden, andere Vereine werden folgen, das ist nur eine Frage der Zeit. Damit ist auch der gewiß nicht unwichtige Punkt berührt, aus wasfür Mitteln das Museum besteht. Es erhält Zuschüsse vom Stift, vom Kreise und von der Provinz, die aber zusammen die Summe von 600 Mark nicht über¬ steigen. Als Ausgabe steht dem gegenüber die Anschaffung großer, teurer Schränke, die durch Ausgrabungen verursachten Kosten und die Besoldung eines Arbeiters, der die Urnen kittet und die gefundenen Gegenstände konserviert. Daß die erwähnte Summe dafür unzureichend ist, braucht nicht gesagt zu werden. Ergänzt wird sie durch eine im Museum aufgestellte Büchse sür frei¬ willige Gaben, in die besonders die kleinen Leute oft große Scherflein tun, zum Dank dafür, daß das Museum täglich vom Morgen bis zum Abend für jeden unentgeltlich geöffnet ist und daß jederzeit sür Führung mit verständnis¬ voller Erklärung gesorgt ist. Immerhin wird jetzt zur Beschaffung ausreichender Mittel die Gründung eines Museumsvereins angestrebt. Daß das Werk unter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/146>, abgerufen am 03.07.2024.