Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Heimatmuseen

Schon aus diesen wenigen Beispielen läßt sich erkennen, welchen Gewinn
die Wissenschaft, hier in erster Linie das wissenschaftlich arbeitende Heimat¬
museum, von solch allgemeiner Teilnahme der Bevölkerung hat. Das Schöne
aber ist die Wechselwirkung, der Gewinn, die Bereicherung, die durch die Arbeit
des Museums zurückströme in die Bevölkerung.

Man achte den Wert dessen, was die Leute empfangen, nicht gering. Die
Geschichte ihrer Heimat gewinnt Gestalt vor ihren Augen. Aus ihrem eigenen
Grund und Boden wächst sie ihnen in greifbaren Funden entgegen. Den mit
aller Sorgfalt und aller wissenschaftlichen Gründlichkeit geleiteten Ausgrabungen
wohnen sie meist mit hohem Interesse bei. Es kommt vor, daß der Bauer
seine dringliche Feldbestellung im Stich läßt, um keine Phase der Ausgrabung
zu verlieren. Wenn er dann in das Museum kommt, sieht er die Funde
geordnet, aufgestellt und mit ausführlichen Erklärungen versehen. Daneben
findet er verwandte Dinge aus benachbarten Ortschaften, die ihm auch heimatlich
und vertraut sind, deren Lage er sich leicht vergegenwärtigen kann. Durch Vor¬
träge, die der Leiter des Museums an Familienabenden winters in verschiedenen
Ortschaften hält, wird dafür gesorgt, daß den Leuten diese Vergangenheit in
lebendigem Zusammenhang als Ganzes dargestellt wird. Ihre Heimatliebe
vertieft sich, ihr Sinn für die Schönheit und Eigentümlichkeit ihrer Gegend
wird geweckt. In ihr Leben sind nun Interessen getragen, die wahrhaft boden¬
ständiger Natur sind.

Es ist wahrlich nicht gleichgültig, daß die Jungen bei ihren Schulausflügen
das Museum besuchen und es lernen, sich für das zu interessieren, was ihr
Heimatboden ihnen erzählt. Jeder rechte Junge hat von Natur den Trieb, sich
der Umwelt zu bemächtigen, seine Tasche pflegt meist selbst ein kleines Museum
darzustellen. Diese Naturanlagen gilt es zu benutzen, auf ihnen weiter¬
zubauen, um Sinn und Blick und Herz zu weiten. In dem Heimatmuseum
sollen die Kinder für das Leben le-rnen. dort sollen sie einen offenen Blick
gewinnen für Natur und Geschichte. Nicht stumpf und teilnahmlos sollen sie
an den gewaltigen Zeugen einer großen Vergangenheit vorübergehen. Staunen
sollen sie über die Arbeit, die der Mensch, hineingestellt in eine ihm fremde,
feindliche Natur, geleistet hat, von jenen ersten Anfängen an, als er einen Stein
hob, sich gegen die Tiere des Waldes zu wehren, durch alle Stufen hindurch,
bis zu der Herstellung kunstreich geschmiedeter Waffen der Bronzezeit und weiter
hinein bis in unsere Tage mit dem atemloser Fortschritt aus jedem Gebiet. Ehr¬
furcht sollen sie lernen und erkennen, daß vielleicht intensivere Geistesarbeit dazu
gehörte, aus spröden Material den ersten Hammer, den ersten Meißel, das erste
Messer zu schlagen, als heute, fußend auf einer Jahrtausend alten Technik, ein
Luftschiff zu bauen. Stolz soll ihr Herz schlagen, daß sie Germanen sind und
im germanischen Lande wohnen, wenn sie den kühnen Geist und das stolze Fühlen
ihrer Vorfahren an den mächtigen Hügelgräbern erkennen. Das Königsgrab
von Seddin, dessen Inhalt in das Berliner Märkische Museum gewandert ist.


Heimatmuseen

Schon aus diesen wenigen Beispielen läßt sich erkennen, welchen Gewinn
die Wissenschaft, hier in erster Linie das wissenschaftlich arbeitende Heimat¬
museum, von solch allgemeiner Teilnahme der Bevölkerung hat. Das Schöne
aber ist die Wechselwirkung, der Gewinn, die Bereicherung, die durch die Arbeit
des Museums zurückströme in die Bevölkerung.

Man achte den Wert dessen, was die Leute empfangen, nicht gering. Die
Geschichte ihrer Heimat gewinnt Gestalt vor ihren Augen. Aus ihrem eigenen
Grund und Boden wächst sie ihnen in greifbaren Funden entgegen. Den mit
aller Sorgfalt und aller wissenschaftlichen Gründlichkeit geleiteten Ausgrabungen
wohnen sie meist mit hohem Interesse bei. Es kommt vor, daß der Bauer
seine dringliche Feldbestellung im Stich läßt, um keine Phase der Ausgrabung
zu verlieren. Wenn er dann in das Museum kommt, sieht er die Funde
geordnet, aufgestellt und mit ausführlichen Erklärungen versehen. Daneben
findet er verwandte Dinge aus benachbarten Ortschaften, die ihm auch heimatlich
und vertraut sind, deren Lage er sich leicht vergegenwärtigen kann. Durch Vor¬
träge, die der Leiter des Museums an Familienabenden winters in verschiedenen
Ortschaften hält, wird dafür gesorgt, daß den Leuten diese Vergangenheit in
lebendigem Zusammenhang als Ganzes dargestellt wird. Ihre Heimatliebe
vertieft sich, ihr Sinn für die Schönheit und Eigentümlichkeit ihrer Gegend
wird geweckt. In ihr Leben sind nun Interessen getragen, die wahrhaft boden¬
ständiger Natur sind.

Es ist wahrlich nicht gleichgültig, daß die Jungen bei ihren Schulausflügen
das Museum besuchen und es lernen, sich für das zu interessieren, was ihr
Heimatboden ihnen erzählt. Jeder rechte Junge hat von Natur den Trieb, sich
der Umwelt zu bemächtigen, seine Tasche pflegt meist selbst ein kleines Museum
darzustellen. Diese Naturanlagen gilt es zu benutzen, auf ihnen weiter¬
zubauen, um Sinn und Blick und Herz zu weiten. In dem Heimatmuseum
sollen die Kinder für das Leben le-rnen. dort sollen sie einen offenen Blick
gewinnen für Natur und Geschichte. Nicht stumpf und teilnahmlos sollen sie
an den gewaltigen Zeugen einer großen Vergangenheit vorübergehen. Staunen
sollen sie über die Arbeit, die der Mensch, hineingestellt in eine ihm fremde,
feindliche Natur, geleistet hat, von jenen ersten Anfängen an, als er einen Stein
hob, sich gegen die Tiere des Waldes zu wehren, durch alle Stufen hindurch,
bis zu der Herstellung kunstreich geschmiedeter Waffen der Bronzezeit und weiter
hinein bis in unsere Tage mit dem atemloser Fortschritt aus jedem Gebiet. Ehr¬
furcht sollen sie lernen und erkennen, daß vielleicht intensivere Geistesarbeit dazu
gehörte, aus spröden Material den ersten Hammer, den ersten Meißel, das erste
Messer zu schlagen, als heute, fußend auf einer Jahrtausend alten Technik, ein
Luftschiff zu bauen. Stolz soll ihr Herz schlagen, daß sie Germanen sind und
im germanischen Lande wohnen, wenn sie den kühnen Geist und das stolze Fühlen
ihrer Vorfahren an den mächtigen Hügelgräbern erkennen. Das Königsgrab
von Seddin, dessen Inhalt in das Berliner Märkische Museum gewandert ist.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0145" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321892"/>
          <fw type="header" place="top"> Heimatmuseen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_532"> Schon aus diesen wenigen Beispielen läßt sich erkennen, welchen Gewinn<lb/>
die Wissenschaft, hier in erster Linie das wissenschaftlich arbeitende Heimat¬<lb/>
museum, von solch allgemeiner Teilnahme der Bevölkerung hat. Das Schöne<lb/>
aber ist die Wechselwirkung, der Gewinn, die Bereicherung, die durch die Arbeit<lb/>
des Museums zurückströme in die Bevölkerung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_533"> Man achte den Wert dessen, was die Leute empfangen, nicht gering. Die<lb/>
Geschichte ihrer Heimat gewinnt Gestalt vor ihren Augen. Aus ihrem eigenen<lb/>
Grund und Boden wächst sie ihnen in greifbaren Funden entgegen. Den mit<lb/>
aller Sorgfalt und aller wissenschaftlichen Gründlichkeit geleiteten Ausgrabungen<lb/>
wohnen sie meist mit hohem Interesse bei. Es kommt vor, daß der Bauer<lb/>
seine dringliche Feldbestellung im Stich läßt, um keine Phase der Ausgrabung<lb/>
zu verlieren. Wenn er dann in das Museum kommt, sieht er die Funde<lb/>
geordnet, aufgestellt und mit ausführlichen Erklärungen versehen. Daneben<lb/>
findet er verwandte Dinge aus benachbarten Ortschaften, die ihm auch heimatlich<lb/>
und vertraut sind, deren Lage er sich leicht vergegenwärtigen kann. Durch Vor¬<lb/>
träge, die der Leiter des Museums an Familienabenden winters in verschiedenen<lb/>
Ortschaften hält, wird dafür gesorgt, daß den Leuten diese Vergangenheit in<lb/>
lebendigem Zusammenhang als Ganzes dargestellt wird. Ihre Heimatliebe<lb/>
vertieft sich, ihr Sinn für die Schönheit und Eigentümlichkeit ihrer Gegend<lb/>
wird geweckt. In ihr Leben sind nun Interessen getragen, die wahrhaft boden¬<lb/>
ständiger Natur sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_534" next="#ID_535"> Es ist wahrlich nicht gleichgültig, daß die Jungen bei ihren Schulausflügen<lb/>
das Museum besuchen und es lernen, sich für das zu interessieren, was ihr<lb/>
Heimatboden ihnen erzählt. Jeder rechte Junge hat von Natur den Trieb, sich<lb/>
der Umwelt zu bemächtigen, seine Tasche pflegt meist selbst ein kleines Museum<lb/>
darzustellen. Diese Naturanlagen gilt es zu benutzen, auf ihnen weiter¬<lb/>
zubauen, um Sinn und Blick und Herz zu weiten. In dem Heimatmuseum<lb/>
sollen die Kinder für das Leben le-rnen. dort sollen sie einen offenen Blick<lb/>
gewinnen für Natur und Geschichte. Nicht stumpf und teilnahmlos sollen sie<lb/>
an den gewaltigen Zeugen einer großen Vergangenheit vorübergehen. Staunen<lb/>
sollen sie über die Arbeit, die der Mensch, hineingestellt in eine ihm fremde,<lb/>
feindliche Natur, geleistet hat, von jenen ersten Anfängen an, als er einen Stein<lb/>
hob, sich gegen die Tiere des Waldes zu wehren, durch alle Stufen hindurch,<lb/>
bis zu der Herstellung kunstreich geschmiedeter Waffen der Bronzezeit und weiter<lb/>
hinein bis in unsere Tage mit dem atemloser Fortschritt aus jedem Gebiet. Ehr¬<lb/>
furcht sollen sie lernen und erkennen, daß vielleicht intensivere Geistesarbeit dazu<lb/>
gehörte, aus spröden Material den ersten Hammer, den ersten Meißel, das erste<lb/>
Messer zu schlagen, als heute, fußend auf einer Jahrtausend alten Technik, ein<lb/>
Luftschiff zu bauen. Stolz soll ihr Herz schlagen, daß sie Germanen sind und<lb/>
im germanischen Lande wohnen, wenn sie den kühnen Geist und das stolze Fühlen<lb/>
ihrer Vorfahren an den mächtigen Hügelgräbern erkennen. Das Königsgrab<lb/>
von Seddin, dessen Inhalt in das Berliner Märkische Museum gewandert ist.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0145] Heimatmuseen Schon aus diesen wenigen Beispielen läßt sich erkennen, welchen Gewinn die Wissenschaft, hier in erster Linie das wissenschaftlich arbeitende Heimat¬ museum, von solch allgemeiner Teilnahme der Bevölkerung hat. Das Schöne aber ist die Wechselwirkung, der Gewinn, die Bereicherung, die durch die Arbeit des Museums zurückströme in die Bevölkerung. Man achte den Wert dessen, was die Leute empfangen, nicht gering. Die Geschichte ihrer Heimat gewinnt Gestalt vor ihren Augen. Aus ihrem eigenen Grund und Boden wächst sie ihnen in greifbaren Funden entgegen. Den mit aller Sorgfalt und aller wissenschaftlichen Gründlichkeit geleiteten Ausgrabungen wohnen sie meist mit hohem Interesse bei. Es kommt vor, daß der Bauer seine dringliche Feldbestellung im Stich läßt, um keine Phase der Ausgrabung zu verlieren. Wenn er dann in das Museum kommt, sieht er die Funde geordnet, aufgestellt und mit ausführlichen Erklärungen versehen. Daneben findet er verwandte Dinge aus benachbarten Ortschaften, die ihm auch heimatlich und vertraut sind, deren Lage er sich leicht vergegenwärtigen kann. Durch Vor¬ träge, die der Leiter des Museums an Familienabenden winters in verschiedenen Ortschaften hält, wird dafür gesorgt, daß den Leuten diese Vergangenheit in lebendigem Zusammenhang als Ganzes dargestellt wird. Ihre Heimatliebe vertieft sich, ihr Sinn für die Schönheit und Eigentümlichkeit ihrer Gegend wird geweckt. In ihr Leben sind nun Interessen getragen, die wahrhaft boden¬ ständiger Natur sind. Es ist wahrlich nicht gleichgültig, daß die Jungen bei ihren Schulausflügen das Museum besuchen und es lernen, sich für das zu interessieren, was ihr Heimatboden ihnen erzählt. Jeder rechte Junge hat von Natur den Trieb, sich der Umwelt zu bemächtigen, seine Tasche pflegt meist selbst ein kleines Museum darzustellen. Diese Naturanlagen gilt es zu benutzen, auf ihnen weiter¬ zubauen, um Sinn und Blick und Herz zu weiten. In dem Heimatmuseum sollen die Kinder für das Leben le-rnen. dort sollen sie einen offenen Blick gewinnen für Natur und Geschichte. Nicht stumpf und teilnahmlos sollen sie an den gewaltigen Zeugen einer großen Vergangenheit vorübergehen. Staunen sollen sie über die Arbeit, die der Mensch, hineingestellt in eine ihm fremde, feindliche Natur, geleistet hat, von jenen ersten Anfängen an, als er einen Stein hob, sich gegen die Tiere des Waldes zu wehren, durch alle Stufen hindurch, bis zu der Herstellung kunstreich geschmiedeter Waffen der Bronzezeit und weiter hinein bis in unsere Tage mit dem atemloser Fortschritt aus jedem Gebiet. Ehr¬ furcht sollen sie lernen und erkennen, daß vielleicht intensivere Geistesarbeit dazu gehörte, aus spröden Material den ersten Hammer, den ersten Meißel, das erste Messer zu schlagen, als heute, fußend auf einer Jahrtausend alten Technik, ein Luftschiff zu bauen. Stolz soll ihr Herz schlagen, daß sie Germanen sind und im germanischen Lande wohnen, wenn sie den kühnen Geist und das stolze Fühlen ihrer Vorfahren an den mächtigen Hügelgräbern erkennen. Das Königsgrab von Seddin, dessen Inhalt in das Berliner Märkische Museum gewandert ist.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/145
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/145>, abgerufen am 03.07.2024.