Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.Die Blumen des Florentin Kiep Sie ließ sich die Kerzenflammen nicht ausblasen, die ihr aufgestrahlt waren. "Weißt," meinte der Florentin sicher, "es hat schon manch' einer geprahlt. Wieschen hob ihre Hand und ballte sie zur Faust. "Kommen magste, Es war in der Stunde danach. Wieschen saß mit Jedem in der Nah^ Wieschens Frage war ungesehen. Man soll keinen Nachmittagsschläfer In dieser Stimmung saßen sie noch beisammen, als durch die Pforte Es geschah nun alles in einen: Augenblick, und ehe der eine von allen Die Blumen des Florentin Kiep Sie ließ sich die Kerzenflammen nicht ausblasen, die ihr aufgestrahlt waren. „Weißt," meinte der Florentin sicher, „es hat schon manch' einer geprahlt. Wieschen hob ihre Hand und ballte sie zur Faust. „Kommen magste, Es war in der Stunde danach. Wieschen saß mit Jedem in der Nah^ Wieschens Frage war ungesehen. Man soll keinen Nachmittagsschläfer In dieser Stimmung saßen sie noch beisammen, als durch die Pforte Es geschah nun alles in einen: Augenblick, und ehe der eine von allen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0137" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321884"/> <fw type="header" place="top"> Die Blumen des Florentin Kiep</fw><lb/> <p xml:id="ID_482"> Sie ließ sich die Kerzenflammen nicht ausblasen, die ihr aufgestrahlt waren.<lb/> „Wenn ich einem die Hand gebe, ist mir's immer, fest müsse der Druck sein,<lb/> damit man zeige, was man in sich hat. Hast es schon einmal gespürt, Florin,<lb/> viel Kraft ist in mir."</p><lb/> <p xml:id="ID_483"> „Weißt," meinte der Florentin sicher, „es hat schon manch' einer geprahlt.<lb/> Es hat schon einer eine Eiche niedergeschlagen und einen Tag ausgedauert<lb/> mit seiner Kraft, aber er hat nicht ein volles Blumenglas Hinhalten können,<lb/> minutenlang mit dem gestreckten Arm." Er lachte. „Und wenn ich soweit<lb/> nun mit der Regime stehe, soll ich dir Bescheid geben, daß dn dich noch besinnen<lb/> kannst?"</p><lb/> <p xml:id="ID_484"> Wieschen hob ihre Hand und ballte sie zur Faust. „Kommen magste,<lb/> und ich will dir ins Gesicht schlagen!"</p><lb/> <p xml:id="ID_485"> Es war in der Stunde danach. Wieschen saß mit Jedem in der Nah^<lb/> stube, ein Zeitungsblatt im Schoß, die zitternden Hände darüber gefaltet. Sie<lb/> war innen ganz ruhig um sich, aber sie hatte Leid und Angst um den Burschen.<lb/> Jelde schlief in einem von gemächlichen Schlummer ausgeweideten Korbsessel.<lb/> Sie hatte es immer mit den Sonntagen nach dem Kirchgang, ihr schwächlicher<lb/> Körper und die zähe Natur stritten sich um das Ungewohnte. Die Kopfhaut<lb/> war ihr wie gekräuselt, und dieser empfindliche Schmerz bedrückte sie seelisch so,<lb/> daß sie Laune und Lust in einem verlor und mißgestimmt war. Selbst in<lb/> ihrem Schlummer war sie ein Bild aller Unzufriedenheit, wenn sie mit Gesicht<lb/> und Händen zuckte, um den Fliegen zu wehren. Als sie dann aufwachte, griff<lb/> Wieschen verwirrt nach einem Zeitungsblatt in ihrem Schoß. Ob sie ge¬<lb/> schlafen habe?</p><lb/> <p xml:id="ID_486"> Wieschens Frage war ungesehen. Man soll keinen Nachmittagsschläfer<lb/> darum befragen, wie tief er sich von innen besehen hat, es verdrießt ihn meist.<lb/> Geschlafen habe sie schon, und immerhin sei es besser, ehrlich zu schlafen, als<lb/> daß ein's dasäße wie es eben, mit solchen Gedanken, aus denen man auffahre<lb/> und nach einer Zeitung greife, wenn einer dazu käme, sagte sie spitz.</p><lb/> <p xml:id="ID_487"> In dieser Stimmung saßen sie noch beisammen, als durch die Pforte<lb/> draußen ein leichter, flinker Schritt hereinlenkte, über den backsteingepflasterten<lb/> Pfad bis zum Hause trat, die Treppe, je eine Stufe überspringend, hinauf<lb/> nahm und die Haustür öffnete. Eine kleine Krämerglocke schellte oben an dieser<lb/> Tür, daß es freundlich klang, wenn jemand sie öffnete; wie mit Tanzschritten<lb/> und Schuhen schlürfte es im Flur, dann klopfte es an die Radstube.</p><lb/> <p xml:id="ID_488" next="#ID_489"> Es geschah nun alles in einen: Augenblick, und ehe der eine von allen<lb/> Dreien das Wort und Wesen des anderen abwartete: Jelde sagte das Ja,<lb/> Wieschen streckte wie abwehrend die Hände, eine gegen Jelde und eine gegen<lb/> Regime Sträter, welche durch die Tür trat, noch ehe sie hereingefordert war.<lb/> So völlig auf sperrte sie die Tür, daß jeder erste Blick ihre ganze Gestalt um¬<lb/> fassen mußte. Sie brachte mit ihrem roten Haar und mit ihrem Lachen viel<lb/> Glanz und Freude von draußen mit in die Stube herein, wo die Luft dumpf.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0137]
Die Blumen des Florentin Kiep
Sie ließ sich die Kerzenflammen nicht ausblasen, die ihr aufgestrahlt waren.
„Wenn ich einem die Hand gebe, ist mir's immer, fest müsse der Druck sein,
damit man zeige, was man in sich hat. Hast es schon einmal gespürt, Florin,
viel Kraft ist in mir."
„Weißt," meinte der Florentin sicher, „es hat schon manch' einer geprahlt.
Es hat schon einer eine Eiche niedergeschlagen und einen Tag ausgedauert
mit seiner Kraft, aber er hat nicht ein volles Blumenglas Hinhalten können,
minutenlang mit dem gestreckten Arm." Er lachte. „Und wenn ich soweit
nun mit der Regime stehe, soll ich dir Bescheid geben, daß dn dich noch besinnen
kannst?"
Wieschen hob ihre Hand und ballte sie zur Faust. „Kommen magste,
und ich will dir ins Gesicht schlagen!"
Es war in der Stunde danach. Wieschen saß mit Jedem in der Nah^
stube, ein Zeitungsblatt im Schoß, die zitternden Hände darüber gefaltet. Sie
war innen ganz ruhig um sich, aber sie hatte Leid und Angst um den Burschen.
Jelde schlief in einem von gemächlichen Schlummer ausgeweideten Korbsessel.
Sie hatte es immer mit den Sonntagen nach dem Kirchgang, ihr schwächlicher
Körper und die zähe Natur stritten sich um das Ungewohnte. Die Kopfhaut
war ihr wie gekräuselt, und dieser empfindliche Schmerz bedrückte sie seelisch so,
daß sie Laune und Lust in einem verlor und mißgestimmt war. Selbst in
ihrem Schlummer war sie ein Bild aller Unzufriedenheit, wenn sie mit Gesicht
und Händen zuckte, um den Fliegen zu wehren. Als sie dann aufwachte, griff
Wieschen verwirrt nach einem Zeitungsblatt in ihrem Schoß. Ob sie ge¬
schlafen habe?
Wieschens Frage war ungesehen. Man soll keinen Nachmittagsschläfer
darum befragen, wie tief er sich von innen besehen hat, es verdrießt ihn meist.
Geschlafen habe sie schon, und immerhin sei es besser, ehrlich zu schlafen, als
daß ein's dasäße wie es eben, mit solchen Gedanken, aus denen man auffahre
und nach einer Zeitung greife, wenn einer dazu käme, sagte sie spitz.
In dieser Stimmung saßen sie noch beisammen, als durch die Pforte
draußen ein leichter, flinker Schritt hereinlenkte, über den backsteingepflasterten
Pfad bis zum Hause trat, die Treppe, je eine Stufe überspringend, hinauf
nahm und die Haustür öffnete. Eine kleine Krämerglocke schellte oben an dieser
Tür, daß es freundlich klang, wenn jemand sie öffnete; wie mit Tanzschritten
und Schuhen schlürfte es im Flur, dann klopfte es an die Radstube.
Es geschah nun alles in einen: Augenblick, und ehe der eine von allen
Dreien das Wort und Wesen des anderen abwartete: Jelde sagte das Ja,
Wieschen streckte wie abwehrend die Hände, eine gegen Jelde und eine gegen
Regime Sträter, welche durch die Tür trat, noch ehe sie hereingefordert war.
So völlig auf sperrte sie die Tür, daß jeder erste Blick ihre ganze Gestalt um¬
fassen mußte. Sie brachte mit ihrem roten Haar und mit ihrem Lachen viel
Glanz und Freude von draußen mit in die Stube herein, wo die Luft dumpf.
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