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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Die Blumen des Florentin Uley

Tellers und blickte das Wieschen verstohlen an. Wenn sie wie die Regime
wäre -- so ein Funke, dachte er. Wie er sich ganz in dem Gedanken verlor,
vergaß er. sie wäre dann das Wieschen nicht gewesen, so wie es nur eines gab
in aller Welt, eben dieses einzige Wieschen.

Nach Tisch hielt er sie an. Sie hatte weg wollen ohne ihn angesehen zu
haben während des ganzen Mahles, nun blieb sie, war verwundert über seine
Unruhe, über sein Gesicht und Wesen und über seine Ansprache überhaupt.

"Wie du mir die Hand gegeben hast heute morgen," sagte er, "da hab'
ich gewußt, das Wieschen hat sich bedacht und zu dir umgetan. Gott bewahr'
ist Zank mit uns gewesen. Es soll wohl alles recht werden, wir wollen uns
drum bereden, wenn's auf den Abend geht."

Sie sah ihn an, wie mit einem gemeinen Wort aus einem Gebet auf¬
gestört. "Florin," antwortete sie, ihn voll anblickend, "was hätte ich in einer
Kirchenbank sitzen sollen und mit den Augen aus den Altar sehen, wenn ich
mich im Herzen zu dir umgetan hätte?"

Er hing aber an seiner Idee fest und ließ sich nicht wegschieben. "Mir
ist ganz wirr im Kopf, soviel hab' ich mich auszureden mit dir."

Er stritt um ihre Hand, die sie hinter sich hielt, und als er sie nicht
gewann, lachte er auf, und er sagte mit anderer Stimme als eben: "Meinst
du, ich lasse mich narren von dir? Du könntest mir die Hand Hinhalten und
ich sollte sie nehmen wenn du wolltest, und wenn du nicht wolltest, könntest du
sie hinter tun? Meine brauch' ich nur hinzuhalten, und --"

Sie vernahm alle Drohung und sah ihn fast bittend an. Als sie dann
die Augen wie im Zusammenschauern schloß, hörte sie seine Stimme sich ver¬
ändern und plötzlich klang seine Frage, als schüttele er einen Rosenstamm und
die duftenden Blätter fielen über sie: "Wissen möcht' ich, wie lieb ich dir gewesen
bin in aller Zeit vorher."

Da öffnete sie die Augen wieder, und eine leuchtende Wärme kam über
ihr Gesicht. "Ich wär' neben dir hergegangen ein ganzes Lebenlang mit einem
Stein im Schuh, wenn es hätte sein müssen, meine Liebe damit zu zeigen."

"Und dann?"

"Ich wollte mir Kletten ins Haar setzen und mich nicht munter, wenn ich
mich kämmte, müßt' ich bloß, dein Sinn wäre dir rein geblieben."

"Und jetzt?"

Sie streckte sich und stand leuchtend wie eine Altarlerze. "Schenktest du
mir ein Kissen mit Taubenfedern darin und setztest mich in die Reihe von
Prinzessinnen -- lieber auf meinem Brettftuhl verbliebe ich in der Radstube
bei Jedem, als daß ich soviel an mich kommen ließe, wie der Hauch von einem
Mund in einer Fensterscheibe an Unreinheit bedeutet, wenn er auch gleich
verfliegt."

"Auch --," fragte der Florentin, stockte und lachte heimlich, "wenn ich
die Regime als Weib in dieses Haus hereinholte?"


Die Blumen des Florentin Uley

Tellers und blickte das Wieschen verstohlen an. Wenn sie wie die Regime
wäre — so ein Funke, dachte er. Wie er sich ganz in dem Gedanken verlor,
vergaß er. sie wäre dann das Wieschen nicht gewesen, so wie es nur eines gab
in aller Welt, eben dieses einzige Wieschen.

Nach Tisch hielt er sie an. Sie hatte weg wollen ohne ihn angesehen zu
haben während des ganzen Mahles, nun blieb sie, war verwundert über seine
Unruhe, über sein Gesicht und Wesen und über seine Ansprache überhaupt.

„Wie du mir die Hand gegeben hast heute morgen," sagte er, „da hab'
ich gewußt, das Wieschen hat sich bedacht und zu dir umgetan. Gott bewahr'
ist Zank mit uns gewesen. Es soll wohl alles recht werden, wir wollen uns
drum bereden, wenn's auf den Abend geht."

Sie sah ihn an, wie mit einem gemeinen Wort aus einem Gebet auf¬
gestört. „Florin," antwortete sie, ihn voll anblickend, „was hätte ich in einer
Kirchenbank sitzen sollen und mit den Augen aus den Altar sehen, wenn ich
mich im Herzen zu dir umgetan hätte?"

Er hing aber an seiner Idee fest und ließ sich nicht wegschieben. „Mir
ist ganz wirr im Kopf, soviel hab' ich mich auszureden mit dir."

Er stritt um ihre Hand, die sie hinter sich hielt, und als er sie nicht
gewann, lachte er auf, und er sagte mit anderer Stimme als eben: „Meinst
du, ich lasse mich narren von dir? Du könntest mir die Hand Hinhalten und
ich sollte sie nehmen wenn du wolltest, und wenn du nicht wolltest, könntest du
sie hinter tun? Meine brauch' ich nur hinzuhalten, und —"

Sie vernahm alle Drohung und sah ihn fast bittend an. Als sie dann
die Augen wie im Zusammenschauern schloß, hörte sie seine Stimme sich ver¬
ändern und plötzlich klang seine Frage, als schüttele er einen Rosenstamm und
die duftenden Blätter fielen über sie: „Wissen möcht' ich, wie lieb ich dir gewesen
bin in aller Zeit vorher."

Da öffnete sie die Augen wieder, und eine leuchtende Wärme kam über
ihr Gesicht. „Ich wär' neben dir hergegangen ein ganzes Lebenlang mit einem
Stein im Schuh, wenn es hätte sein müssen, meine Liebe damit zu zeigen."

„Und dann?"

„Ich wollte mir Kletten ins Haar setzen und mich nicht munter, wenn ich
mich kämmte, müßt' ich bloß, dein Sinn wäre dir rein geblieben."

„Und jetzt?"

Sie streckte sich und stand leuchtend wie eine Altarlerze. „Schenktest du
mir ein Kissen mit Taubenfedern darin und setztest mich in die Reihe von
Prinzessinnen — lieber auf meinem Brettftuhl verbliebe ich in der Radstube
bei Jedem, als daß ich soviel an mich kommen ließe, wie der Hauch von einem
Mund in einer Fensterscheibe an Unreinheit bedeutet, wenn er auch gleich
verfliegt."

„Auch —," fragte der Florentin, stockte und lachte heimlich, „wenn ich
die Regime als Weib in dieses Haus hereinholte?"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/136>, abgerufen am 03.07.2024.