Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die naturwissenschaftliche Weltanschauung

eines Kabincttswechscls aus anderen Gründen zusammenfällt. Der Minister¬
präsident Graf Stürgkh wird die volle Gebrauchsfähigkeit seines Auges (auf einem
ist er schon seit Jahren blind) kaum wiedererlangen, das Ackerbauportefeuille
ist durch den Tod Brass verwaist, der Handelsminister und der Finanzminister
sind leidend; aber auch ein physisch stärkeres Kabinett als dieses hätte es schwer,
dem Ansturm der Parteien, die eine Parlamentarisierung fordern, standzuhalten;
zudem dieses Kabinett vom Parlament Dinge zu fordern hat, die ihm der Z 14
nicht gewähren kann: neue Steuern. Wer dann kommen wird: Bninski, Fürst
-- i -- Thun, Baron Heinold, ist heute noch ein müßiges Fragespiel.




Die naturwissenschaftliche Weltanschauung
als Schöpferin der französischen Literatur
des neunzehnten Jahrhunderts
Dr, p. Hauck-Lösen von
2. Der konsequente naturwissenschaftliche Positivismus und der Roman Flauberts

le Jnkonsequenzen in der naturwissenschaftlichen Weltanschauung
des Zeitalters zwischen 1830 und 1850 konnten nicht unbemerkt
bleiben. Je mehr man sich in den neuen Geist einlebte, desto
weniger schreckte man vor den letzten Folgerungen zurück. Die
neue Kunst selbst, welche noch nicht voll und ganz, aber doch in
ihren Hauptzügen den Postulaten des Positivismus entsprach, führte die Geister
weiter zu der neuen Weltanschauung hin. So kam es, daß die neue Auffassung
der Kunst nach 1850 viel kecker alle Folgerungen ziehen konnte als nach 1830.
Welche Veränderungen nun hat diese fortschreitende Entwicklung des Positivtsmus
nach der Breite und nach der Tiefe in der Theorie und Praxis der Dichtkunst
hervorgerufen? Unterscheidet sich der Roman nach 1850 wesentlich von dem
Roman Beyles und Balzacs? Diese Unterschiede müssen wir dann in Beziehung
setzen zu der naturwissenschaftlichen Weltanschauung und ihren Wandlungen.
Da es uns nur auf die Beantwortung der allgemeinen Frage ankommt, so
wird es auch hier genügen, uns mit dem führenden Geiste der literarischen
Bewegung jener Zeit zu beschäftigen, mit Gustave Flaubert, zumal völlig
unbestritten ist, daß er überhaupt den nachhaltigsten Einfluß auf die französische
Literatur der Folgezeit ausgeübt hat."

Sein Hauptwerk .Maäame Lovai^ macht gleich auf den ersten Blick einen
völlig anderen Eindruck als die Werke Beyles und Balzacs. Abgesehen von


Die naturwissenschaftliche Weltanschauung

eines Kabincttswechscls aus anderen Gründen zusammenfällt. Der Minister¬
präsident Graf Stürgkh wird die volle Gebrauchsfähigkeit seines Auges (auf einem
ist er schon seit Jahren blind) kaum wiedererlangen, das Ackerbauportefeuille
ist durch den Tod Brass verwaist, der Handelsminister und der Finanzminister
sind leidend; aber auch ein physisch stärkeres Kabinett als dieses hätte es schwer,
dem Ansturm der Parteien, die eine Parlamentarisierung fordern, standzuhalten;
zudem dieses Kabinett vom Parlament Dinge zu fordern hat, die ihm der Z 14
nicht gewähren kann: neue Steuern. Wer dann kommen wird: Bninski, Fürst
— i — Thun, Baron Heinold, ist heute noch ein müßiges Fragespiel.




Die naturwissenschaftliche Weltanschauung
als Schöpferin der französischen Literatur
des neunzehnten Jahrhunderts
Dr, p. Hauck-Lösen von
2. Der konsequente naturwissenschaftliche Positivismus und der Roman Flauberts

le Jnkonsequenzen in der naturwissenschaftlichen Weltanschauung
des Zeitalters zwischen 1830 und 1850 konnten nicht unbemerkt
bleiben. Je mehr man sich in den neuen Geist einlebte, desto
weniger schreckte man vor den letzten Folgerungen zurück. Die
neue Kunst selbst, welche noch nicht voll und ganz, aber doch in
ihren Hauptzügen den Postulaten des Positivismus entsprach, führte die Geister
weiter zu der neuen Weltanschauung hin. So kam es, daß die neue Auffassung
der Kunst nach 1850 viel kecker alle Folgerungen ziehen konnte als nach 1830.
Welche Veränderungen nun hat diese fortschreitende Entwicklung des Positivtsmus
nach der Breite und nach der Tiefe in der Theorie und Praxis der Dichtkunst
hervorgerufen? Unterscheidet sich der Roman nach 1850 wesentlich von dem
Roman Beyles und Balzacs? Diese Unterschiede müssen wir dann in Beziehung
setzen zu der naturwissenschaftlichen Weltanschauung und ihren Wandlungen.
Da es uns nur auf die Beantwortung der allgemeinen Frage ankommt, so
wird es auch hier genügen, uns mit dem führenden Geiste der literarischen
Bewegung jener Zeit zu beschäftigen, mit Gustave Flaubert, zumal völlig
unbestritten ist, daß er überhaupt den nachhaltigsten Einfluß auf die französische
Literatur der Folgezeit ausgeübt hat."

Sein Hauptwerk .Maäame Lovai^ macht gleich auf den ersten Blick einen
völlig anderen Eindruck als die Werke Beyles und Balzacs. Abgesehen von


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0114" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321861"/>
          <fw type="header" place="top"> Die naturwissenschaftliche Weltanschauung</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_405" prev="#ID_404"> eines Kabincttswechscls aus anderen Gründen zusammenfällt. Der Minister¬<lb/>
präsident Graf Stürgkh wird die volle Gebrauchsfähigkeit seines Auges (auf einem<lb/>
ist er schon seit Jahren blind) kaum wiedererlangen, das Ackerbauportefeuille<lb/>
ist durch den Tod Brass verwaist, der Handelsminister und der Finanzminister<lb/>
sind leidend; aber auch ein physisch stärkeres Kabinett als dieses hätte es schwer,<lb/>
dem Ansturm der Parteien, die eine Parlamentarisierung fordern, standzuhalten;<lb/>
zudem dieses Kabinett vom Parlament Dinge zu fordern hat, die ihm der Z 14<lb/>
nicht gewähren kann: neue Steuern. Wer dann kommen wird: Bninski, Fürst<lb/><note type="byline"> &#x2014; i &#x2014;</note> Thun, Baron Heinold, ist heute noch ein müßiges Fragespiel. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die naturwissenschaftliche Weltanschauung<lb/>
als Schöpferin der französischen Literatur<lb/>
des neunzehnten Jahrhunderts<lb/><note type="byline"> Dr, p. Hauck-Lösen</note> von</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> 2. Der konsequente naturwissenschaftliche Positivismus und der Roman Flauberts</head><lb/>
            <p xml:id="ID_406"> le Jnkonsequenzen in der naturwissenschaftlichen Weltanschauung<lb/>
des Zeitalters zwischen 1830 und 1850 konnten nicht unbemerkt<lb/>
bleiben. Je mehr man sich in den neuen Geist einlebte, desto<lb/>
weniger schreckte man vor den letzten Folgerungen zurück. Die<lb/>
neue Kunst selbst, welche noch nicht voll und ganz, aber doch in<lb/>
ihren Hauptzügen den Postulaten des Positivismus entsprach, führte die Geister<lb/>
weiter zu der neuen Weltanschauung hin. So kam es, daß die neue Auffassung<lb/>
der Kunst nach 1850 viel kecker alle Folgerungen ziehen konnte als nach 1830.<lb/>
Welche Veränderungen nun hat diese fortschreitende Entwicklung des Positivtsmus<lb/>
nach der Breite und nach der Tiefe in der Theorie und Praxis der Dichtkunst<lb/>
hervorgerufen? Unterscheidet sich der Roman nach 1850 wesentlich von dem<lb/>
Roman Beyles und Balzacs? Diese Unterschiede müssen wir dann in Beziehung<lb/>
setzen zu der naturwissenschaftlichen Weltanschauung und ihren Wandlungen.<lb/>
Da es uns nur auf die Beantwortung der allgemeinen Frage ankommt, so<lb/>
wird es auch hier genügen, uns mit dem führenden Geiste der literarischen<lb/>
Bewegung jener Zeit zu beschäftigen, mit Gustave Flaubert, zumal völlig<lb/>
unbestritten ist, daß er überhaupt den nachhaltigsten Einfluß auf die französische<lb/>
Literatur der Folgezeit ausgeübt hat."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_407" next="#ID_408"> Sein Hauptwerk .Maäame Lovai^ macht gleich auf den ersten Blick einen<lb/>
völlig anderen Eindruck als die Werke Beyles und Balzacs.  Abgesehen von</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0114] Die naturwissenschaftliche Weltanschauung eines Kabincttswechscls aus anderen Gründen zusammenfällt. Der Minister¬ präsident Graf Stürgkh wird die volle Gebrauchsfähigkeit seines Auges (auf einem ist er schon seit Jahren blind) kaum wiedererlangen, das Ackerbauportefeuille ist durch den Tod Brass verwaist, der Handelsminister und der Finanzminister sind leidend; aber auch ein physisch stärkeres Kabinett als dieses hätte es schwer, dem Ansturm der Parteien, die eine Parlamentarisierung fordern, standzuhalten; zudem dieses Kabinett vom Parlament Dinge zu fordern hat, die ihm der Z 14 nicht gewähren kann: neue Steuern. Wer dann kommen wird: Bninski, Fürst — i — Thun, Baron Heinold, ist heute noch ein müßiges Fragespiel. Die naturwissenschaftliche Weltanschauung als Schöpferin der französischen Literatur des neunzehnten Jahrhunderts Dr, p. Hauck-Lösen von 2. Der konsequente naturwissenschaftliche Positivismus und der Roman Flauberts le Jnkonsequenzen in der naturwissenschaftlichen Weltanschauung des Zeitalters zwischen 1830 und 1850 konnten nicht unbemerkt bleiben. Je mehr man sich in den neuen Geist einlebte, desto weniger schreckte man vor den letzten Folgerungen zurück. Die neue Kunst selbst, welche noch nicht voll und ganz, aber doch in ihren Hauptzügen den Postulaten des Positivismus entsprach, führte die Geister weiter zu der neuen Weltanschauung hin. So kam es, daß die neue Auffassung der Kunst nach 1850 viel kecker alle Folgerungen ziehen konnte als nach 1830. Welche Veränderungen nun hat diese fortschreitende Entwicklung des Positivtsmus nach der Breite und nach der Tiefe in der Theorie und Praxis der Dichtkunst hervorgerufen? Unterscheidet sich der Roman nach 1850 wesentlich von dem Roman Beyles und Balzacs? Diese Unterschiede müssen wir dann in Beziehung setzen zu der naturwissenschaftlichen Weltanschauung und ihren Wandlungen. Da es uns nur auf die Beantwortung der allgemeinen Frage ankommt, so wird es auch hier genügen, uns mit dem führenden Geiste der literarischen Bewegung jener Zeit zu beschäftigen, mit Gustave Flaubert, zumal völlig unbestritten ist, daß er überhaupt den nachhaltigsten Einfluß auf die französische Literatur der Folgezeit ausgeübt hat." Sein Hauptwerk .Maäame Lovai^ macht gleich auf den ersten Blick einen völlig anderen Eindruck als die Werke Beyles und Balzacs. Abgesehen von

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/114
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/114>, abgerufen am 03.07.2024.