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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Gin unbekannter Zugendaufsatz Friedrich Hebbels

Theorien und volksfremden Ideen kann auf die Dauer ein Staat wie China
nicht leben.

Wir haben damit nur die historische Bestimmtheit und Eigenart der
chinesischen Revolution berührt. Es fehlt noch eine, zu ihrer Ergänzung not¬
wendige Betrachtung, nämlich die Psychologie der Kreise, die an den Kämpfen
beteiligt sind. Auch hier ergibt sich ein höchst verwickeltes, vielfach abgestuftes
Bild der ringenden Kräfte, das vor allem durch wirtschaftliche und soziale
Zustände bestimmt ist. Seine Ausführung soll die Aufgabe einer späteren
Darstellung in diesen Blättern sein.




Ein unbekannter Iugendaufsatz Friedrich Hebbels
Professor Dr. Richard Maria Werner- Aufgefunden und mitgeteilt von

n dem furchtbaren "Memorial", das Hebbel Ende Mai 1840 an
seine "Wohltäterin" Amalia Schoppe, geb. Weisse, richtete, schildert
er unter anderem seine "Lage in Dithmarschen", wobei er zwischen
seinen Pflichten gegenüber den: Amt und gegenüber seiner dichterischen
Entwicklung unterscheidet; er hebt das Zeugnis seines "Prinzipals"
hervor, das ihm "nicht die gewöhnliche, sondern die ausgezeichnetste Pflichterfüllung
^bestätigte", und fährt dann fort: "Meine Stellung war bürgerlich gesichert, ich
konnte, um mich Ihres verletzenden Ausdrucks zu bedienen, ohne Sie bestehen,
und bei dem allgemeinen Vertrauen, das man mir in öffentlichen Geschäften
bewies, bei der Aufmerksamkeit, die ich noch ganz in der letzten Zeit durch einen
publicistischen Aufsatz erregte, durfte ich auch für die Zukunft auf eine ehrenvolle
Existenz rechnen."

Dieser Aufsatz war bisher nicht nachzuweisen und die Vermutung, daß es
sich um das Gedicht auf die Schlacht von Hemmingstedt handle, stimmte kaum
zu dem Ausdruck des "Memorials"; darum bezeichnete ich in meiner Hebbel-
biographie (S. 36) diesen "publizistischen Aufsatz" als unbekannt. Hebbel selbst
gedenkt seiner nicht wieder und aus den zugänglichen Quellen war nichts zu
schöpfen. Eine neue genaue Durchsicht des Dithmarscher und Eiderstedter Boten,
an dem Hebbel so eifrig mitarbeitete, ergab kein anderes Resultat als die frühere,
wohl aber machte sie mich auf zwei Zeitschriften aufmerksam, die damals in
Hebbels Vaterländchen erschienen: die Schleswig-Holsteinischen Anzeigen und
die Dithmarsische Zeitung. Nach gütiger Mitteilung der Königlichen Unwersitäts-


Gin unbekannter Zugendaufsatz Friedrich Hebbels

Theorien und volksfremden Ideen kann auf die Dauer ein Staat wie China
nicht leben.

Wir haben damit nur die historische Bestimmtheit und Eigenart der
chinesischen Revolution berührt. Es fehlt noch eine, zu ihrer Ergänzung not¬
wendige Betrachtung, nämlich die Psychologie der Kreise, die an den Kämpfen
beteiligt sind. Auch hier ergibt sich ein höchst verwickeltes, vielfach abgestuftes
Bild der ringenden Kräfte, das vor allem durch wirtschaftliche und soziale
Zustände bestimmt ist. Seine Ausführung soll die Aufgabe einer späteren
Darstellung in diesen Blättern sein.




Ein unbekannter Iugendaufsatz Friedrich Hebbels
Professor Dr. Richard Maria Werner- Aufgefunden und mitgeteilt von

n dem furchtbaren „Memorial", das Hebbel Ende Mai 1840 an
seine „Wohltäterin" Amalia Schoppe, geb. Weisse, richtete, schildert
er unter anderem seine „Lage in Dithmarschen", wobei er zwischen
seinen Pflichten gegenüber den: Amt und gegenüber seiner dichterischen
Entwicklung unterscheidet; er hebt das Zeugnis seines „Prinzipals"
hervor, das ihm „nicht die gewöhnliche, sondern die ausgezeichnetste Pflichterfüllung
^bestätigte", und fährt dann fort: „Meine Stellung war bürgerlich gesichert, ich
konnte, um mich Ihres verletzenden Ausdrucks zu bedienen, ohne Sie bestehen,
und bei dem allgemeinen Vertrauen, das man mir in öffentlichen Geschäften
bewies, bei der Aufmerksamkeit, die ich noch ganz in der letzten Zeit durch einen
publicistischen Aufsatz erregte, durfte ich auch für die Zukunft auf eine ehrenvolle
Existenz rechnen."

Dieser Aufsatz war bisher nicht nachzuweisen und die Vermutung, daß es
sich um das Gedicht auf die Schlacht von Hemmingstedt handle, stimmte kaum
zu dem Ausdruck des „Memorials"; darum bezeichnete ich in meiner Hebbel-
biographie (S. 36) diesen „publizistischen Aufsatz" als unbekannt. Hebbel selbst
gedenkt seiner nicht wieder und aus den zugänglichen Quellen war nichts zu
schöpfen. Eine neue genaue Durchsicht des Dithmarscher und Eiderstedter Boten,
an dem Hebbel so eifrig mitarbeitete, ergab kein anderes Resultat als die frühere,
wohl aber machte sie mich auf zwei Zeitschriften aufmerksam, die damals in
Hebbels Vaterländchen erschienen: die Schleswig-Holsteinischen Anzeigen und
die Dithmarsische Zeitung. Nach gütiger Mitteilung der Königlichen Unwersitäts-


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[0640] Gin unbekannter Zugendaufsatz Friedrich Hebbels Theorien und volksfremden Ideen kann auf die Dauer ein Staat wie China nicht leben. Wir haben damit nur die historische Bestimmtheit und Eigenart der chinesischen Revolution berührt. Es fehlt noch eine, zu ihrer Ergänzung not¬ wendige Betrachtung, nämlich die Psychologie der Kreise, die an den Kämpfen beteiligt sind. Auch hier ergibt sich ein höchst verwickeltes, vielfach abgestuftes Bild der ringenden Kräfte, das vor allem durch wirtschaftliche und soziale Zustände bestimmt ist. Seine Ausführung soll die Aufgabe einer späteren Darstellung in diesen Blättern sein. Ein unbekannter Iugendaufsatz Friedrich Hebbels Professor Dr. Richard Maria Werner- Aufgefunden und mitgeteilt von n dem furchtbaren „Memorial", das Hebbel Ende Mai 1840 an seine „Wohltäterin" Amalia Schoppe, geb. Weisse, richtete, schildert er unter anderem seine „Lage in Dithmarschen", wobei er zwischen seinen Pflichten gegenüber den: Amt und gegenüber seiner dichterischen Entwicklung unterscheidet; er hebt das Zeugnis seines „Prinzipals" hervor, das ihm „nicht die gewöhnliche, sondern die ausgezeichnetste Pflichterfüllung ^bestätigte", und fährt dann fort: „Meine Stellung war bürgerlich gesichert, ich konnte, um mich Ihres verletzenden Ausdrucks zu bedienen, ohne Sie bestehen, und bei dem allgemeinen Vertrauen, das man mir in öffentlichen Geschäften bewies, bei der Aufmerksamkeit, die ich noch ganz in der letzten Zeit durch einen publicistischen Aufsatz erregte, durfte ich auch für die Zukunft auf eine ehrenvolle Existenz rechnen." Dieser Aufsatz war bisher nicht nachzuweisen und die Vermutung, daß es sich um das Gedicht auf die Schlacht von Hemmingstedt handle, stimmte kaum zu dem Ausdruck des „Memorials"; darum bezeichnete ich in meiner Hebbel- biographie (S. 36) diesen „publizistischen Aufsatz" als unbekannt. Hebbel selbst gedenkt seiner nicht wieder und aus den zugänglichen Quellen war nichts zu schöpfen. Eine neue genaue Durchsicht des Dithmarscher und Eiderstedter Boten, an dem Hebbel so eifrig mitarbeitete, ergab kein anderes Resultat als die frühere, wohl aber machte sie mich auf zwei Zeitschriften aufmerksam, die damals in Hebbels Vaterländchen erschienen: die Schleswig-Holsteinischen Anzeigen und die Dithmarsische Zeitung. Nach gütiger Mitteilung der Königlichen Unwersitäts-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/640>, abgerufen am 22.07.2024.