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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Zusammenhange zwischen Österreich und Deutschland

Wechselbeziehungen auf dem Felde der gewerblichen Jugendausbildung werden
immer verzweigter, der Austausch von Kräften immer vielfältiger und die
politischen Landesgrenzen sind völlig bedeutungslos.

Ein ähnliches Wechselspiel erfolgte auf dem Gebiete der sogenannten Gewerbe¬
förderung, das ist der individuellen Beeinflussung der bereits in der Berufs-
betätigung begriffenen Gewerbeunternehmer und Arbeiter. Der Gedanke der
Zuführung neuzeitlicher Arbeitsbehelfe und technisch vorgeschrittener Arbeits¬
verfahren sowie der wirtschaftlichen Stärkung der Gewerbeunternehmungen tauchte
zuerst in Westdeutschland, Württemberg und Baden auf und die Anfänge der
Verwirklichung dieses Gedankens waren Erfolg verheißend; die Aktion wurde
in Österreich von deutscher Seite zuerst in Wien im Jahre 1892 aufgenommen
und hat sich, dank der Enttäuschungen, die sich an die österreichische Gewerbe¬
politik knüpften, rasch und mächtig entwickelt. Unsere Einrichtungen fanden durch
ihre augenscheinlichen Erfolge in breitester Weise Nachahmung in allen deutschen
Ländern, Skandinavien, Irland usw. und so wurde die Gewerbeförderung das
wirksamste Requisit der sogenannten Mittelstandsbewegung, die insbesondere der
städtischen Bevölkerung in Deutschland und Belgien zugute kommt.

Die jüngste Großtat deutschen Geistes ist die Begründung des Museums
der Denkmäler der Naturwissenschaften und Technik, des Deutschen Museums,
durch den Bezirksverein deutscher Ingenieure in München, dessen bevollmächtigter
Minister unser Oskar von Miller ist. Der Vorschlag, ein historisches technisches
Museum ins Leben zu rufen, wurde in Österreich schon in den neunziger Jahren
des vorigen Jahrhunderts von deutscher Seite lebhaft propagiert und in kleine
Einzelschöpfungen umgesetzt. Die Großtat erfolgte in München im ersten
Jahrzehnt unseres Jahrhunderts und wirkte auf Wien belebend ein. So werden
die Deutschen ihrem technischen und industriellen Geist bleibende Monumente
errichten und jenen Einrichtungen an die Seite stellen, die die Franzosen in
ihrem L0N8srvatoire ac8 erts et metier8 zu Paris und die Engländer in
ihren technischen Sammlungen in Kensington geschaffen haben.

Ungemein fesselnd wäre eine Betrachtung der Wechselbeziehungen der
Schöpfungen der schönen Künste auf deutschem Boden durch unsere deutschen
Meister. Wenn wir nur die Neuzeit ins Auge fassen, erscheint uns die deutsche
Baukunst als ein einheitliches Kulturelement von größter Bedeutung. Die lange
Reihe unsterblicher Künstler, von denen ich nur einige Namen herausgreifen
will, Fischer von Erlach, Semper, Friedrich Schmidt, Ferstel, Hansen, Hasenauer,
bis herab zu den jüngsten Gabriel von Seidl und Otto Wagner, sie bilden eine
deutsche Künstlergenossenschaft, ungeteilt durch staatliche Grenzen. Dasselbe gilt
von der Plastik und Malerei; hüben und drüben Rafael Donner, Fernkorn,
Ferdinand von Miller, dann die Lenbach, Kaulbach, Piloti, Makart.

Was die vervielfältigende Kunst anbelangt, die Typographie, die Photo¬
graphie, mit ihren Anwendungen und Ausbildungen, die Lithographie (eine
deutsche Erfindung von Senefelder), der Farbendruck usw., so kann man


Zusammenhange zwischen Österreich und Deutschland

Wechselbeziehungen auf dem Felde der gewerblichen Jugendausbildung werden
immer verzweigter, der Austausch von Kräften immer vielfältiger und die
politischen Landesgrenzen sind völlig bedeutungslos.

Ein ähnliches Wechselspiel erfolgte auf dem Gebiete der sogenannten Gewerbe¬
förderung, das ist der individuellen Beeinflussung der bereits in der Berufs-
betätigung begriffenen Gewerbeunternehmer und Arbeiter. Der Gedanke der
Zuführung neuzeitlicher Arbeitsbehelfe und technisch vorgeschrittener Arbeits¬
verfahren sowie der wirtschaftlichen Stärkung der Gewerbeunternehmungen tauchte
zuerst in Westdeutschland, Württemberg und Baden auf und die Anfänge der
Verwirklichung dieses Gedankens waren Erfolg verheißend; die Aktion wurde
in Österreich von deutscher Seite zuerst in Wien im Jahre 1892 aufgenommen
und hat sich, dank der Enttäuschungen, die sich an die österreichische Gewerbe¬
politik knüpften, rasch und mächtig entwickelt. Unsere Einrichtungen fanden durch
ihre augenscheinlichen Erfolge in breitester Weise Nachahmung in allen deutschen
Ländern, Skandinavien, Irland usw. und so wurde die Gewerbeförderung das
wirksamste Requisit der sogenannten Mittelstandsbewegung, die insbesondere der
städtischen Bevölkerung in Deutschland und Belgien zugute kommt.

Die jüngste Großtat deutschen Geistes ist die Begründung des Museums
der Denkmäler der Naturwissenschaften und Technik, des Deutschen Museums,
durch den Bezirksverein deutscher Ingenieure in München, dessen bevollmächtigter
Minister unser Oskar von Miller ist. Der Vorschlag, ein historisches technisches
Museum ins Leben zu rufen, wurde in Österreich schon in den neunziger Jahren
des vorigen Jahrhunderts von deutscher Seite lebhaft propagiert und in kleine
Einzelschöpfungen umgesetzt. Die Großtat erfolgte in München im ersten
Jahrzehnt unseres Jahrhunderts und wirkte auf Wien belebend ein. So werden
die Deutschen ihrem technischen und industriellen Geist bleibende Monumente
errichten und jenen Einrichtungen an die Seite stellen, die die Franzosen in
ihrem L0N8srvatoire ac8 erts et metier8 zu Paris und die Engländer in
ihren technischen Sammlungen in Kensington geschaffen haben.

Ungemein fesselnd wäre eine Betrachtung der Wechselbeziehungen der
Schöpfungen der schönen Künste auf deutschem Boden durch unsere deutschen
Meister. Wenn wir nur die Neuzeit ins Auge fassen, erscheint uns die deutsche
Baukunst als ein einheitliches Kulturelement von größter Bedeutung. Die lange
Reihe unsterblicher Künstler, von denen ich nur einige Namen herausgreifen
will, Fischer von Erlach, Semper, Friedrich Schmidt, Ferstel, Hansen, Hasenauer,
bis herab zu den jüngsten Gabriel von Seidl und Otto Wagner, sie bilden eine
deutsche Künstlergenossenschaft, ungeteilt durch staatliche Grenzen. Dasselbe gilt
von der Plastik und Malerei; hüben und drüben Rafael Donner, Fernkorn,
Ferdinand von Miller, dann die Lenbach, Kaulbach, Piloti, Makart.

Was die vervielfältigende Kunst anbelangt, die Typographie, die Photo¬
graphie, mit ihren Anwendungen und Ausbildungen, die Lithographie (eine
deutsche Erfindung von Senefelder), der Farbendruck usw., so kann man


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[0628] Zusammenhange zwischen Österreich und Deutschland Wechselbeziehungen auf dem Felde der gewerblichen Jugendausbildung werden immer verzweigter, der Austausch von Kräften immer vielfältiger und die politischen Landesgrenzen sind völlig bedeutungslos. Ein ähnliches Wechselspiel erfolgte auf dem Gebiete der sogenannten Gewerbe¬ förderung, das ist der individuellen Beeinflussung der bereits in der Berufs- betätigung begriffenen Gewerbeunternehmer und Arbeiter. Der Gedanke der Zuführung neuzeitlicher Arbeitsbehelfe und technisch vorgeschrittener Arbeits¬ verfahren sowie der wirtschaftlichen Stärkung der Gewerbeunternehmungen tauchte zuerst in Westdeutschland, Württemberg und Baden auf und die Anfänge der Verwirklichung dieses Gedankens waren Erfolg verheißend; die Aktion wurde in Österreich von deutscher Seite zuerst in Wien im Jahre 1892 aufgenommen und hat sich, dank der Enttäuschungen, die sich an die österreichische Gewerbe¬ politik knüpften, rasch und mächtig entwickelt. Unsere Einrichtungen fanden durch ihre augenscheinlichen Erfolge in breitester Weise Nachahmung in allen deutschen Ländern, Skandinavien, Irland usw. und so wurde die Gewerbeförderung das wirksamste Requisit der sogenannten Mittelstandsbewegung, die insbesondere der städtischen Bevölkerung in Deutschland und Belgien zugute kommt. Die jüngste Großtat deutschen Geistes ist die Begründung des Museums der Denkmäler der Naturwissenschaften und Technik, des Deutschen Museums, durch den Bezirksverein deutscher Ingenieure in München, dessen bevollmächtigter Minister unser Oskar von Miller ist. Der Vorschlag, ein historisches technisches Museum ins Leben zu rufen, wurde in Österreich schon in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts von deutscher Seite lebhaft propagiert und in kleine Einzelschöpfungen umgesetzt. Die Großtat erfolgte in München im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts und wirkte auf Wien belebend ein. So werden die Deutschen ihrem technischen und industriellen Geist bleibende Monumente errichten und jenen Einrichtungen an die Seite stellen, die die Franzosen in ihrem L0N8srvatoire ac8 erts et metier8 zu Paris und die Engländer in ihren technischen Sammlungen in Kensington geschaffen haben. Ungemein fesselnd wäre eine Betrachtung der Wechselbeziehungen der Schöpfungen der schönen Künste auf deutschem Boden durch unsere deutschen Meister. Wenn wir nur die Neuzeit ins Auge fassen, erscheint uns die deutsche Baukunst als ein einheitliches Kulturelement von größter Bedeutung. Die lange Reihe unsterblicher Künstler, von denen ich nur einige Namen herausgreifen will, Fischer von Erlach, Semper, Friedrich Schmidt, Ferstel, Hansen, Hasenauer, bis herab zu den jüngsten Gabriel von Seidl und Otto Wagner, sie bilden eine deutsche Künstlergenossenschaft, ungeteilt durch staatliche Grenzen. Dasselbe gilt von der Plastik und Malerei; hüben und drüben Rafael Donner, Fernkorn, Ferdinand von Miller, dann die Lenbach, Kaulbach, Piloti, Makart. Was die vervielfältigende Kunst anbelangt, die Typographie, die Photo¬ graphie, mit ihren Anwendungen und Ausbildungen, die Lithographie (eine deutsche Erfindung von Senefelder), der Farbendruck usw., so kann man

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/628>, abgerufen am 29.06.2024.