Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.Strömungen innerhalb der Zentrumspartei Aus dieser abweichenden Haltung der beiden Kardinäle der gewerkschaft¬ Strömungen innerhalb der Zentrumspartei Aus dieser abweichenden Haltung der beiden Kardinäle der gewerkschaft¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0535" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321618"/> <fw type="header" place="top"> Strömungen innerhalb der Zentrumspartei</fw><lb/> <p xml:id="ID_2236" next="#ID_2237"> Aus dieser abweichenden Haltung der beiden Kardinäle der gewerkschaft¬<lb/> lichen Organisation — und in Verfolg hiervon dem katholischen Volksverein<lb/> gegenüber, wollten manche eine Gegnerschaft der beiden Kardinäle unter sich<lb/> konstruieren. Besonders geschah dies nach Veröffentlichung des erwähnten<lb/> Briefes des Kardinals Kopp an Fräulein von Schalscha. In einer am<lb/> 16. Oktober 1910 in Köln stattgehabten Versammlung wies Kardinal Fischer<lb/> solche Behauptungen als „unsaubere Machenschaften" entschieden zurück und<lb/> betonte nachdrücklich die Einigkeit des deutschen Episkopats. Gleichzeitig bezeichnete<lb/> er es als eine „Gewissenspflicht für die deutschen Katholiken" geschlossene Einheit<lb/> zu bewahren. Bestehende Differenzen solle man „mit Klugheit, mit Mäßigung,<lb/> mit Liebe und Selbstverleugnung auszugleichen suchen". In gleichem Sinne<lb/> hat Kardinal Fischer sich bekanntlich wiederholt ausgesprochen. Zu den als<lb/> „unsaubere Machenschaften" gekennzeichneten Ausstreuungen gehörte auch die<lb/> von Osservatore Romano dementierte Meldung von einer angeblich in Köln<lb/> durch Msgr. Pardini angestellten kirchlichen Untersuchung, sowie die von der<lb/> Mailänder Perseveranza in die Welt gesetzte und in Deutschland verbreitete<lb/> Nachricht, Kardinal Fischer werde sich in Rom gegen die von Kardinal Kopp<lb/> gegen ihn erhobene Anklage des Modernismus zu verteidigen haben. Selbst<lb/> ein katholisches Blatt des Saarreviers machte sich die Behauptung zu eigen,<lb/> Kardinal Fischer werde sich in Rom „gegen den gegen ihn erhobenen Vorwurf<lb/> des Modernismus" verteidigen müssen und berief sich dabei auf „hochangesehene<lb/> Mitglieder des katholischen Klerus der Erzdiözese Köln" als seine Gewährs¬<lb/> männer. Am selben 16. Oktober 1910, an dem Herr Kardinal Fischer sich in<lb/> Köln so scharf gegen die „unsauberen Machenschaften" aussprach, sandte er der<lb/> Saarbrücker Volkszeitung, dem führenden katholischen Blatte des Saarreviers,<lb/> ein Telegramm mit der Bitte um Veröffentlichung, in dem er die Meldung des<lb/> betreffenden Blattes als „groben Unfug und von A bis Z erdacht" bezeichnete.<lb/> In dieselbe Kategorie gehört auch ein vor einiger Zeit in der Kreuzzeitung<lb/> (Ur. 84 vom 20. Februar 1912) erschienener Artikel „Die Kurie und der<lb/> deutsche Katholizismus", der angeblich von „hervorragender katholischer Seite"<lb/> des Auslandes stammte und Kardinal Fischer sowie auch Nuntius Frühwirth<lb/> in München in Gegensatz zur römischen Kurie stellen wollte. „Bei der Kurie<lb/> in Rom" hieß es dort, wüßten „die Denunzianten und Verleumder ihren<lb/> stärksten Rückhalt". In Rom habe man bisher leider „ausschließlich auf die<lb/> Stimmen der schlimmsten Feinde des Katholizismus gehört", und es sei daher<lb/> zu wünschen, daß man dort auch einmal auf den Kardinal Fischer höre, der<lb/> sich in seinem diesjährigen Fastenhirtenbriefe scharf gegen die in verschiedenen<lb/> in- und ausländischen katholischen Organen hervorgetretenen Verdächtigungen<lb/> des deutschen Katholizismus gewandt habe. Aber es sei möglich, daß dies dem<lb/> Kardinal Fischer den Thron des si. Maternus kosten könne. Er habe „das<lb/> Ansehen, das er vielleicht einmal in Rom genoß, längst ebenso verscherzt, wie<lb/> der Nuntius Frühwirth in München und alle, die das katholische Deutschland</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0535]
Strömungen innerhalb der Zentrumspartei
Aus dieser abweichenden Haltung der beiden Kardinäle der gewerkschaft¬
lichen Organisation — und in Verfolg hiervon dem katholischen Volksverein
gegenüber, wollten manche eine Gegnerschaft der beiden Kardinäle unter sich
konstruieren. Besonders geschah dies nach Veröffentlichung des erwähnten
Briefes des Kardinals Kopp an Fräulein von Schalscha. In einer am
16. Oktober 1910 in Köln stattgehabten Versammlung wies Kardinal Fischer
solche Behauptungen als „unsaubere Machenschaften" entschieden zurück und
betonte nachdrücklich die Einigkeit des deutschen Episkopats. Gleichzeitig bezeichnete
er es als eine „Gewissenspflicht für die deutschen Katholiken" geschlossene Einheit
zu bewahren. Bestehende Differenzen solle man „mit Klugheit, mit Mäßigung,
mit Liebe und Selbstverleugnung auszugleichen suchen". In gleichem Sinne
hat Kardinal Fischer sich bekanntlich wiederholt ausgesprochen. Zu den als
„unsaubere Machenschaften" gekennzeichneten Ausstreuungen gehörte auch die
von Osservatore Romano dementierte Meldung von einer angeblich in Köln
durch Msgr. Pardini angestellten kirchlichen Untersuchung, sowie die von der
Mailänder Perseveranza in die Welt gesetzte und in Deutschland verbreitete
Nachricht, Kardinal Fischer werde sich in Rom gegen die von Kardinal Kopp
gegen ihn erhobene Anklage des Modernismus zu verteidigen haben. Selbst
ein katholisches Blatt des Saarreviers machte sich die Behauptung zu eigen,
Kardinal Fischer werde sich in Rom „gegen den gegen ihn erhobenen Vorwurf
des Modernismus" verteidigen müssen und berief sich dabei auf „hochangesehene
Mitglieder des katholischen Klerus der Erzdiözese Köln" als seine Gewährs¬
männer. Am selben 16. Oktober 1910, an dem Herr Kardinal Fischer sich in
Köln so scharf gegen die „unsauberen Machenschaften" aussprach, sandte er der
Saarbrücker Volkszeitung, dem führenden katholischen Blatte des Saarreviers,
ein Telegramm mit der Bitte um Veröffentlichung, in dem er die Meldung des
betreffenden Blattes als „groben Unfug und von A bis Z erdacht" bezeichnete.
In dieselbe Kategorie gehört auch ein vor einiger Zeit in der Kreuzzeitung
(Ur. 84 vom 20. Februar 1912) erschienener Artikel „Die Kurie und der
deutsche Katholizismus", der angeblich von „hervorragender katholischer Seite"
des Auslandes stammte und Kardinal Fischer sowie auch Nuntius Frühwirth
in München in Gegensatz zur römischen Kurie stellen wollte. „Bei der Kurie
in Rom" hieß es dort, wüßten „die Denunzianten und Verleumder ihren
stärksten Rückhalt". In Rom habe man bisher leider „ausschließlich auf die
Stimmen der schlimmsten Feinde des Katholizismus gehört", und es sei daher
zu wünschen, daß man dort auch einmal auf den Kardinal Fischer höre, der
sich in seinem diesjährigen Fastenhirtenbriefe scharf gegen die in verschiedenen
in- und ausländischen katholischen Organen hervorgetretenen Verdächtigungen
des deutschen Katholizismus gewandt habe. Aber es sei möglich, daß dies dem
Kardinal Fischer den Thron des si. Maternus kosten könne. Er habe „das
Ansehen, das er vielleicht einmal in Rom genoß, längst ebenso verscherzt, wie
der Nuntius Frühwirth in München und alle, die das katholische Deutschland
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