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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Strömungen innerhalb der Zentrumspartei

gegen übertriebene und ungerechte Beschuldigungen in Schutz genommen
haben".

Der hier erwähnte Artikel der Kreuzzeitung stammte, wie das Blatt selbst
erklärte, aus dem Auslande. Die lebhafte Beteiligung des Auslandes an den
Streitigkeiten der deutscheu Katholiken ist überhaupt ein Moment, das nicht aus
dem Auge gelassen werden darf. Man sollte mitunter fast glauben, es bestehe
eine Art internationaler Konzern, der darauf ausgeht, die Einigkeit der deutschen
Katholiken systematisch zu untergraben. Es machen sich hier zwei ganz ver¬
schiedene Tendenzen bemerkbar, denen beiden die deutschen Katholiken die gleiche
Aufmerksamkeit schenken müssen. Die eine geht darauf aus, die Glaubenstreue
eines Teiles der deutschen Katholiken im Auslande zu verdächtigen; ob mit
Absicht oder nicht, sei dahingestellt. Jedenfalls ist das das Ergebnis ihrer
Arbeit, indem sie teils wirklich tadelnswerte vereinzelte Vorkommnisse verallgemeinern
und vergrößern, teils auch völlig Falsches über einzelne katholische Persönlich¬
keiten oder auch größere katholische Kreise, oder die Zentrumspartei verbreiten,
oder wirkliche Handlungen in einem unrichtigen Lichte darstellen und unhalt¬
bare, die Katholiken verletzende Folgerungen daraus ziehen. Daraus mag dann
im Auslande bei der dem Menschen anhaftenden Neigung, zu verallgemeinern,
die Ansicht entstehen -- und dieser Ansicht wird auch Ausdruck gegeben --
daß es überhaupt mit dem deutschen Katholizismus nicht so beschaffen ist, wie
es sein müßte. Das hat natürlich in deutschen katholischen Kreisen die Gegen¬
wirkung, daß man gegen die betreffenden ausländischen Organe, die derartige
falsche Meldungen bringen, aufgebracht ist und ebenfalls nicht nur die betreffenden
einzelnen Artikel, sondern die betreffenden Organe überhaupt verurteilt. Und
so sehen wir denn, daß einzelne Persönlichkeiten -- und das gilt auch vom
Inland auf beiden Seiten --, die an dem Kampfe der Meinungen in hervor¬
ragender Weise beteiligt sind, nicht nur, wie billig, für einzelne Ausschreitungen
verantwortlich gemacht werden, sondern daß überhaupt über sie der Stab
gebrochen wird.

Während sich so also auf der einen Seite Kräfte bemerkbar machen, die deutschen
Katholiken im Auslande, und speziell auch in Rom zu verdächtigen, sind umgekehrt
andere tätig, Rom, das ist die römische Kurie, bei den deutschen Katholiken in Mi߬
kredit zu bringen. Dahin rechne ich zunächst die immer wiederkehrende Behauptung,
Rom sei nicht richtig über die deutschen Katholiken informiert, die deutschen
Katholiken gälten weniger in Rom als die Katholiken anderer Nationen; dahin
rechne ich die Bestrebungen der Krausgesellschaft und des "NeuenJahrhunderts";
dahin gehören auch Artikel wie der erwähnte der Kreuzzeitung, den der Osservatore
Romo.no (Ur. 59 vom 28. Februar) als "verwerflich und beschimpfend gegen
den heiligen Vater und gegen die kirchliche Autorität" kennzeichnete, die Artikel
der Münchener katholischen Kirchenzeitung Die Wahrheit und der Augsburger
Postzeitung gegen Msgr. Benigni, welch letzteren Artikel der Kardinalstaatssekretär
Merry del Val durch den Bischof von Augsburg als "unwahr und ehrenrührig


Strömungen innerhalb der Zentrumspartei

gegen übertriebene und ungerechte Beschuldigungen in Schutz genommen
haben".

Der hier erwähnte Artikel der Kreuzzeitung stammte, wie das Blatt selbst
erklärte, aus dem Auslande. Die lebhafte Beteiligung des Auslandes an den
Streitigkeiten der deutscheu Katholiken ist überhaupt ein Moment, das nicht aus
dem Auge gelassen werden darf. Man sollte mitunter fast glauben, es bestehe
eine Art internationaler Konzern, der darauf ausgeht, die Einigkeit der deutschen
Katholiken systematisch zu untergraben. Es machen sich hier zwei ganz ver¬
schiedene Tendenzen bemerkbar, denen beiden die deutschen Katholiken die gleiche
Aufmerksamkeit schenken müssen. Die eine geht darauf aus, die Glaubenstreue
eines Teiles der deutschen Katholiken im Auslande zu verdächtigen; ob mit
Absicht oder nicht, sei dahingestellt. Jedenfalls ist das das Ergebnis ihrer
Arbeit, indem sie teils wirklich tadelnswerte vereinzelte Vorkommnisse verallgemeinern
und vergrößern, teils auch völlig Falsches über einzelne katholische Persönlich¬
keiten oder auch größere katholische Kreise, oder die Zentrumspartei verbreiten,
oder wirkliche Handlungen in einem unrichtigen Lichte darstellen und unhalt¬
bare, die Katholiken verletzende Folgerungen daraus ziehen. Daraus mag dann
im Auslande bei der dem Menschen anhaftenden Neigung, zu verallgemeinern,
die Ansicht entstehen — und dieser Ansicht wird auch Ausdruck gegeben —
daß es überhaupt mit dem deutschen Katholizismus nicht so beschaffen ist, wie
es sein müßte. Das hat natürlich in deutschen katholischen Kreisen die Gegen¬
wirkung, daß man gegen die betreffenden ausländischen Organe, die derartige
falsche Meldungen bringen, aufgebracht ist und ebenfalls nicht nur die betreffenden
einzelnen Artikel, sondern die betreffenden Organe überhaupt verurteilt. Und
so sehen wir denn, daß einzelne Persönlichkeiten — und das gilt auch vom
Inland auf beiden Seiten —, die an dem Kampfe der Meinungen in hervor¬
ragender Weise beteiligt sind, nicht nur, wie billig, für einzelne Ausschreitungen
verantwortlich gemacht werden, sondern daß überhaupt über sie der Stab
gebrochen wird.

Während sich so also auf der einen Seite Kräfte bemerkbar machen, die deutschen
Katholiken im Auslande, und speziell auch in Rom zu verdächtigen, sind umgekehrt
andere tätig, Rom, das ist die römische Kurie, bei den deutschen Katholiken in Mi߬
kredit zu bringen. Dahin rechne ich zunächst die immer wiederkehrende Behauptung,
Rom sei nicht richtig über die deutschen Katholiken informiert, die deutschen
Katholiken gälten weniger in Rom als die Katholiken anderer Nationen; dahin
rechne ich die Bestrebungen der Krausgesellschaft und des „NeuenJahrhunderts";
dahin gehören auch Artikel wie der erwähnte der Kreuzzeitung, den der Osservatore
Romo.no (Ur. 59 vom 28. Februar) als „verwerflich und beschimpfend gegen
den heiligen Vater und gegen die kirchliche Autorität" kennzeichnete, die Artikel
der Münchener katholischen Kirchenzeitung Die Wahrheit und der Augsburger
Postzeitung gegen Msgr. Benigni, welch letzteren Artikel der Kardinalstaatssekretär
Merry del Val durch den Bischof von Augsburg als „unwahr und ehrenrührig


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[0536] Strömungen innerhalb der Zentrumspartei gegen übertriebene und ungerechte Beschuldigungen in Schutz genommen haben". Der hier erwähnte Artikel der Kreuzzeitung stammte, wie das Blatt selbst erklärte, aus dem Auslande. Die lebhafte Beteiligung des Auslandes an den Streitigkeiten der deutscheu Katholiken ist überhaupt ein Moment, das nicht aus dem Auge gelassen werden darf. Man sollte mitunter fast glauben, es bestehe eine Art internationaler Konzern, der darauf ausgeht, die Einigkeit der deutschen Katholiken systematisch zu untergraben. Es machen sich hier zwei ganz ver¬ schiedene Tendenzen bemerkbar, denen beiden die deutschen Katholiken die gleiche Aufmerksamkeit schenken müssen. Die eine geht darauf aus, die Glaubenstreue eines Teiles der deutschen Katholiken im Auslande zu verdächtigen; ob mit Absicht oder nicht, sei dahingestellt. Jedenfalls ist das das Ergebnis ihrer Arbeit, indem sie teils wirklich tadelnswerte vereinzelte Vorkommnisse verallgemeinern und vergrößern, teils auch völlig Falsches über einzelne katholische Persönlich¬ keiten oder auch größere katholische Kreise, oder die Zentrumspartei verbreiten, oder wirkliche Handlungen in einem unrichtigen Lichte darstellen und unhalt¬ bare, die Katholiken verletzende Folgerungen daraus ziehen. Daraus mag dann im Auslande bei der dem Menschen anhaftenden Neigung, zu verallgemeinern, die Ansicht entstehen — und dieser Ansicht wird auch Ausdruck gegeben — daß es überhaupt mit dem deutschen Katholizismus nicht so beschaffen ist, wie es sein müßte. Das hat natürlich in deutschen katholischen Kreisen die Gegen¬ wirkung, daß man gegen die betreffenden ausländischen Organe, die derartige falsche Meldungen bringen, aufgebracht ist und ebenfalls nicht nur die betreffenden einzelnen Artikel, sondern die betreffenden Organe überhaupt verurteilt. Und so sehen wir denn, daß einzelne Persönlichkeiten — und das gilt auch vom Inland auf beiden Seiten —, die an dem Kampfe der Meinungen in hervor¬ ragender Weise beteiligt sind, nicht nur, wie billig, für einzelne Ausschreitungen verantwortlich gemacht werden, sondern daß überhaupt über sie der Stab gebrochen wird. Während sich so also auf der einen Seite Kräfte bemerkbar machen, die deutschen Katholiken im Auslande, und speziell auch in Rom zu verdächtigen, sind umgekehrt andere tätig, Rom, das ist die römische Kurie, bei den deutschen Katholiken in Mi߬ kredit zu bringen. Dahin rechne ich zunächst die immer wiederkehrende Behauptung, Rom sei nicht richtig über die deutschen Katholiken informiert, die deutschen Katholiken gälten weniger in Rom als die Katholiken anderer Nationen; dahin rechne ich die Bestrebungen der Krausgesellschaft und des „NeuenJahrhunderts"; dahin gehören auch Artikel wie der erwähnte der Kreuzzeitung, den der Osservatore Romo.no (Ur. 59 vom 28. Februar) als „verwerflich und beschimpfend gegen den heiligen Vater und gegen die kirchliche Autorität" kennzeichnete, die Artikel der Münchener katholischen Kirchenzeitung Die Wahrheit und der Augsburger Postzeitung gegen Msgr. Benigni, welch letzteren Artikel der Kardinalstaatssekretär Merry del Val durch den Bischof von Augsburg als „unwahr und ehrenrührig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/536>, abgerufen am 01.07.2024.