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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Arömungcn innerhalb der Zentrumspartei

Schädigung des Zentrums, des katholischen Volksvereins und der christlichen
Gewerkschaften, als der "festgefügten Organisationen der deutschen Katholiken",
zu erklären ist, und auf der anderen Seite die ernste Besorgnis, daß durch
derartige Ausführungen das kirchliche Empfinden des katholischen Volkes
Schaden leiden müsse.

Am 24. Oktober 1910 trat dann der Landesausschuß der preußischen
Zentrumspartei erneut zu einer Sitzung zusammen, die sich wiederum mit den
schwebenden Streitigkeiten befaßte. Der Abg. Noeren gab dabei eine Erklärung
ab, daß er unzweideutig und vorbehaltlos auf den Boden des Beschlusses des
Landesausschusses vom 28. November 1909 trete und die Empfehlung der
Schopenschen Broschüre zurückziehe. Der Landesausschuß selbst beschloß diese
Erklärung zu veröffentlichen und ersuchte gleichzeitig die Zentrumspresse, "die
Polemik über alle an die sogenannte Osterdienstagskonferenz sich anknüpfenden
Streitfragen von jetzt ab gänzlich einzustellen". Dieses Ersuchen hatte aber ebenso¬
wenig Erfolg, wie die ebendahin zielenden Bemühungen des Augustinusvereins.




Im Laufe der Jahre wurde auch der deutsche Episkopat wiederholt in die
schwebenden Streitigkeiten hineingezogen. Bekanntlich sind ja auch die deutschen
Bischöfe über die gewerkschaftliche Organisationsform geteilter Ansicht. Für die
Organisation auf rein katholischer Grundlage sind namentlich die Bischöfe Korum
von Trier und Kardinal Kopp von Breslau, während Kardinal Fischer und
die meisten übrigen Bischöfe der Organisation in christlichen Gewerkschaften den
Vorzug geben. Der katholische Volksverein unterstützt bekanntlich allein die
christlichen Gewerkschaften, auch der noch im Herbst 1909 geäußerte Wunsch des
Kardinals Kopp, sich für den Bereich der Diözese Breslau gleicherweise in den
Dienst der katholischen Fachabteilungen zu stellen (Hist.-pol. Blätter 1910 S. 651),
konnte den Volksverein nicht zu einer Änderung dieser Haltung bewegen. Daher
erklärt sich wohl auch mit der Erlaß des Herrn Kardinals vom 16. März 1910,
daß ihm vor der Gründung neuer Zweigvereine des katholischen Volksvereins
innerhalb seiner Diözese davon Mitteilung zu machen sei, was in anderen
Diözesen, z. B. Köln, nicht verlangt wird. Daher auch die unwillige Äußerung
des Herrn Kardinals über die Haltung des Volksvereins in dem erwähnten
Briefe an Frl. von Schalscha. Auf die Form des Ausdrucks ist in diesem
Briefe, da es sich um ein nicht für die Öffentlichkeit bestimmtes Privatschreiben
handelte, natürlich weniger Sorgfalt verwendet worden, was auch Kardinal
Fischer in einer am 23. Oktober 1910 in Düsseldorf auf der Generalversammlung
des katholischen Frauenbundes gehaltenen Rede ausdrücklich feststellte. Kardinal
Fischer betonte dabei gleichzeitig, zu der Erklärung autorisiert zu sein, daß Herr
Kardinal Kopp die in den Brief eingeflochtenen scharfen Ausdrücke bedaure
und durchaus nicht die Absichten habe, die man ihm unterstelle. Es ist ja auch
bekannt, daß Kardinal Kopp im übrigen ein warmer Freund des katholischen
Volksvereins und dessen Bestrebungen ist.


Arömungcn innerhalb der Zentrumspartei

Schädigung des Zentrums, des katholischen Volksvereins und der christlichen
Gewerkschaften, als der „festgefügten Organisationen der deutschen Katholiken",
zu erklären ist, und auf der anderen Seite die ernste Besorgnis, daß durch
derartige Ausführungen das kirchliche Empfinden des katholischen Volkes
Schaden leiden müsse.

Am 24. Oktober 1910 trat dann der Landesausschuß der preußischen
Zentrumspartei erneut zu einer Sitzung zusammen, die sich wiederum mit den
schwebenden Streitigkeiten befaßte. Der Abg. Noeren gab dabei eine Erklärung
ab, daß er unzweideutig und vorbehaltlos auf den Boden des Beschlusses des
Landesausschusses vom 28. November 1909 trete und die Empfehlung der
Schopenschen Broschüre zurückziehe. Der Landesausschuß selbst beschloß diese
Erklärung zu veröffentlichen und ersuchte gleichzeitig die Zentrumspresse, „die
Polemik über alle an die sogenannte Osterdienstagskonferenz sich anknüpfenden
Streitfragen von jetzt ab gänzlich einzustellen". Dieses Ersuchen hatte aber ebenso¬
wenig Erfolg, wie die ebendahin zielenden Bemühungen des Augustinusvereins.




Im Laufe der Jahre wurde auch der deutsche Episkopat wiederholt in die
schwebenden Streitigkeiten hineingezogen. Bekanntlich sind ja auch die deutschen
Bischöfe über die gewerkschaftliche Organisationsform geteilter Ansicht. Für die
Organisation auf rein katholischer Grundlage sind namentlich die Bischöfe Korum
von Trier und Kardinal Kopp von Breslau, während Kardinal Fischer und
die meisten übrigen Bischöfe der Organisation in christlichen Gewerkschaften den
Vorzug geben. Der katholische Volksverein unterstützt bekanntlich allein die
christlichen Gewerkschaften, auch der noch im Herbst 1909 geäußerte Wunsch des
Kardinals Kopp, sich für den Bereich der Diözese Breslau gleicherweise in den
Dienst der katholischen Fachabteilungen zu stellen (Hist.-pol. Blätter 1910 S. 651),
konnte den Volksverein nicht zu einer Änderung dieser Haltung bewegen. Daher
erklärt sich wohl auch mit der Erlaß des Herrn Kardinals vom 16. März 1910,
daß ihm vor der Gründung neuer Zweigvereine des katholischen Volksvereins
innerhalb seiner Diözese davon Mitteilung zu machen sei, was in anderen
Diözesen, z. B. Köln, nicht verlangt wird. Daher auch die unwillige Äußerung
des Herrn Kardinals über die Haltung des Volksvereins in dem erwähnten
Briefe an Frl. von Schalscha. Auf die Form des Ausdrucks ist in diesem
Briefe, da es sich um ein nicht für die Öffentlichkeit bestimmtes Privatschreiben
handelte, natürlich weniger Sorgfalt verwendet worden, was auch Kardinal
Fischer in einer am 23. Oktober 1910 in Düsseldorf auf der Generalversammlung
des katholischen Frauenbundes gehaltenen Rede ausdrücklich feststellte. Kardinal
Fischer betonte dabei gleichzeitig, zu der Erklärung autorisiert zu sein, daß Herr
Kardinal Kopp die in den Brief eingeflochtenen scharfen Ausdrücke bedaure
und durchaus nicht die Absichten habe, die man ihm unterstelle. Es ist ja auch
bekannt, daß Kardinal Kopp im übrigen ein warmer Freund des katholischen
Volksvereins und dessen Bestrebungen ist.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/534>, abgerufen am 22.07.2024.