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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Strömungen innerhalb der Jentrumspartei

gestalten, und erklärt wurde, daß die Versammlung "unentwegt an dem durch
Programm und Tradition ein sür allemal feststehenden Charakter des Zentrums
festhält". In einem Artikel, der sich mit dieser Versammlung befaßte, schrieb
die Kölnische Volkszeitung (Ur. 673 vom 10. August 1909) u. a.:


"Mit dem Verlauf der Koblenzer Versammlung find wir im übrigen nicht unzufrieden.
Niemand will jetzt an dein politischen, nicht konfessionellen Charakter des Zentrums irgendwie
rütteln. Mehr verlangen wir ja gar nicht."

Und Justizrat Dr. Julius Bachem äußerte u. a. im Tag:


"Wenn das weitere Verhalten derer um die Abgeordneten Noeren und Bitter dem
entspricht, so hätte die ganze Auseinandersetzung ein sehr erfreuliches Ergebnis gehabt: eS
wäre dann der Politische, nichtkonfesfionelle Charakter des Zentrums stabiliere wie ein.Koclier
von bronce'."

Dennoch wollten die Auseinandersetzungen nicht verstummen. Am 18. August
1909 befaßte sich der Augustinusverein zur Pflege der katholischen Presse mit
ihnen und nahm eine aus sechs Punkten bestehende Resolution an, in der erneut
der politische, nicht konfessionelle Charakter des Zentrums betont und gesagt
wurde, daß dieser Charakter den katholischen Zentrumsmitgliedern vollste Freiheit
lasse, "in Weltanschauungsfragen nach den Grundsätzen ihres katholischen
Glaubens sich zu richten und für diese vom Boden der Verfassung und der
staatsbürgerlichen Parität unter aller gebotenen Rücksichtnahme auf die anders¬
gläubigen Volksgenossen einzutreten". Nicht lange darauf erschien in der
Zentrumspresse eine seitens der Vorsitzenden der Zentrumsfraktionen des deutschen
Reichstags und des preußischen Landtags Dr. Freiherrn von Hertling und Or.Porsch
"an die Mitglieder der Zentrumspartei" gerichtete Bitte, von jeder weiteren
Erörterung des Gegenstandes in der Presse und in Versammlungen absehen zu
wollen, da sich der Landesausschuß der preußischen Zentrumspartei, verstärkt
durch die süddeutschen Vorstandsmitglieder der Reichstagsfraktion, mit der zur
Diskussion gestellten Frage befassen würden. Diesem Ersuchen wurde indessen
nur teilweise stattgegeben.




Die angekündigte Sitzung des Landesausschusses sand dann am 28. November
1909 in Berlin statt. Nach eingehender Beratung erließ der Landesausschuß
eine offizielle Kundgebung, in der erneut der politische, nicht konfessionelle
Charakter der Zentrumspartei festgestellt und zugleich betont wurde, daß "abgesehen
von dem Programm" "die Tatsache der Zugehörigkeit fast aller ihrer Wähler
und Abgeordneten zur katholischen Kirche genügende Bürgschaft dafür" biete,
"daß die Zentrumspartei die berechtigten Interessen der deutschen Katholiken
auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens nachdrücklichst vertreten wird".

Aber auch diese Erklärung ließ die Streitigkeiten nicht verstummen. Das
um so weniger, als kurz vorher im Hochland (Heft 11, 1909) ein Artikel:
"Glossen zur katholischen Literaturbewegung" von Professor I)r. M. spähn
erschienen war, auf den am Tage vor dem Zusammentritt des Landesausschusses


Strömungen innerhalb der Jentrumspartei

gestalten, und erklärt wurde, daß die Versammlung „unentwegt an dem durch
Programm und Tradition ein sür allemal feststehenden Charakter des Zentrums
festhält". In einem Artikel, der sich mit dieser Versammlung befaßte, schrieb
die Kölnische Volkszeitung (Ur. 673 vom 10. August 1909) u. a.:


„Mit dem Verlauf der Koblenzer Versammlung find wir im übrigen nicht unzufrieden.
Niemand will jetzt an dein politischen, nicht konfessionellen Charakter des Zentrums irgendwie
rütteln. Mehr verlangen wir ja gar nicht."

Und Justizrat Dr. Julius Bachem äußerte u. a. im Tag:


„Wenn das weitere Verhalten derer um die Abgeordneten Noeren und Bitter dem
entspricht, so hätte die ganze Auseinandersetzung ein sehr erfreuliches Ergebnis gehabt: eS
wäre dann der Politische, nichtkonfesfionelle Charakter des Zentrums stabiliere wie ein.Koclier
von bronce'."

Dennoch wollten die Auseinandersetzungen nicht verstummen. Am 18. August
1909 befaßte sich der Augustinusverein zur Pflege der katholischen Presse mit
ihnen und nahm eine aus sechs Punkten bestehende Resolution an, in der erneut
der politische, nicht konfessionelle Charakter des Zentrums betont und gesagt
wurde, daß dieser Charakter den katholischen Zentrumsmitgliedern vollste Freiheit
lasse, „in Weltanschauungsfragen nach den Grundsätzen ihres katholischen
Glaubens sich zu richten und für diese vom Boden der Verfassung und der
staatsbürgerlichen Parität unter aller gebotenen Rücksichtnahme auf die anders¬
gläubigen Volksgenossen einzutreten". Nicht lange darauf erschien in der
Zentrumspresse eine seitens der Vorsitzenden der Zentrumsfraktionen des deutschen
Reichstags und des preußischen Landtags Dr. Freiherrn von Hertling und Or.Porsch
„an die Mitglieder der Zentrumspartei" gerichtete Bitte, von jeder weiteren
Erörterung des Gegenstandes in der Presse und in Versammlungen absehen zu
wollen, da sich der Landesausschuß der preußischen Zentrumspartei, verstärkt
durch die süddeutschen Vorstandsmitglieder der Reichstagsfraktion, mit der zur
Diskussion gestellten Frage befassen würden. Diesem Ersuchen wurde indessen
nur teilweise stattgegeben.




Die angekündigte Sitzung des Landesausschusses sand dann am 28. November
1909 in Berlin statt. Nach eingehender Beratung erließ der Landesausschuß
eine offizielle Kundgebung, in der erneut der politische, nicht konfessionelle
Charakter der Zentrumspartei festgestellt und zugleich betont wurde, daß „abgesehen
von dem Programm" „die Tatsache der Zugehörigkeit fast aller ihrer Wähler
und Abgeordneten zur katholischen Kirche genügende Bürgschaft dafür" biete,
„daß die Zentrumspartei die berechtigten Interessen der deutschen Katholiken
auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens nachdrücklichst vertreten wird".

Aber auch diese Erklärung ließ die Streitigkeiten nicht verstummen. Das
um so weniger, als kurz vorher im Hochland (Heft 11, 1909) ein Artikel:
„Glossen zur katholischen Literaturbewegung" von Professor I)r. M. spähn
erschienen war, auf den am Tage vor dem Zusammentritt des Landesausschusses


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[0532] Strömungen innerhalb der Jentrumspartei gestalten, und erklärt wurde, daß die Versammlung „unentwegt an dem durch Programm und Tradition ein sür allemal feststehenden Charakter des Zentrums festhält". In einem Artikel, der sich mit dieser Versammlung befaßte, schrieb die Kölnische Volkszeitung (Ur. 673 vom 10. August 1909) u. a.: „Mit dem Verlauf der Koblenzer Versammlung find wir im übrigen nicht unzufrieden. Niemand will jetzt an dein politischen, nicht konfessionellen Charakter des Zentrums irgendwie rütteln. Mehr verlangen wir ja gar nicht." Und Justizrat Dr. Julius Bachem äußerte u. a. im Tag: „Wenn das weitere Verhalten derer um die Abgeordneten Noeren und Bitter dem entspricht, so hätte die ganze Auseinandersetzung ein sehr erfreuliches Ergebnis gehabt: eS wäre dann der Politische, nichtkonfesfionelle Charakter des Zentrums stabiliere wie ein.Koclier von bronce'." Dennoch wollten die Auseinandersetzungen nicht verstummen. Am 18. August 1909 befaßte sich der Augustinusverein zur Pflege der katholischen Presse mit ihnen und nahm eine aus sechs Punkten bestehende Resolution an, in der erneut der politische, nicht konfessionelle Charakter des Zentrums betont und gesagt wurde, daß dieser Charakter den katholischen Zentrumsmitgliedern vollste Freiheit lasse, „in Weltanschauungsfragen nach den Grundsätzen ihres katholischen Glaubens sich zu richten und für diese vom Boden der Verfassung und der staatsbürgerlichen Parität unter aller gebotenen Rücksichtnahme auf die anders¬ gläubigen Volksgenossen einzutreten". Nicht lange darauf erschien in der Zentrumspresse eine seitens der Vorsitzenden der Zentrumsfraktionen des deutschen Reichstags und des preußischen Landtags Dr. Freiherrn von Hertling und Or.Porsch „an die Mitglieder der Zentrumspartei" gerichtete Bitte, von jeder weiteren Erörterung des Gegenstandes in der Presse und in Versammlungen absehen zu wollen, da sich der Landesausschuß der preußischen Zentrumspartei, verstärkt durch die süddeutschen Vorstandsmitglieder der Reichstagsfraktion, mit der zur Diskussion gestellten Frage befassen würden. Diesem Ersuchen wurde indessen nur teilweise stattgegeben. Die angekündigte Sitzung des Landesausschusses sand dann am 28. November 1909 in Berlin statt. Nach eingehender Beratung erließ der Landesausschuß eine offizielle Kundgebung, in der erneut der politische, nicht konfessionelle Charakter der Zentrumspartei festgestellt und zugleich betont wurde, daß „abgesehen von dem Programm" „die Tatsache der Zugehörigkeit fast aller ihrer Wähler und Abgeordneten zur katholischen Kirche genügende Bürgschaft dafür" biete, „daß die Zentrumspartei die berechtigten Interessen der deutschen Katholiken auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens nachdrücklichst vertreten wird". Aber auch diese Erklärung ließ die Streitigkeiten nicht verstummen. Das um so weniger, als kurz vorher im Hochland (Heft 11, 1909) ein Artikel: „Glossen zur katholischen Literaturbewegung" von Professor I)r. M. spähn erschienen war, auf den am Tage vor dem Zusammentritt des Landesausschusses

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/532>, abgerufen am 25.08.2024.