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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Heinrich Heine

Durch Heines offenen Brief hatte aber auch Gutzkow sich verletzt gefühlt
und griff ihn nun im Telegraphen*) scharf an; hier erschien serner ein Jahr
später seine ebenfalls gegen Heine gerichtete scharf ablehnende Vorrede zu "Bornes
Leben". Campe hatte sein Heine gegebenes Versprechen, in einer bei ihm ver¬
legten Zeitschrift Angriffe gegen ihn nicht zuzulassen, nicht erfüllt, und dieser
mußte des Verlegers unglaubhafte Ausrede, er habe das Manuskript nicht vor
dem Druck gelesen, hinnehmen.**)

Der schon 1840 eingetretene Tod Jmmermmms bereitete dessen Korre¬
spondenz mit Campe, die zuletzt recht unerfreulich geworden war,***) ein Ende.
Die letzte Äußerung des "Münchhausen"-Dichters über Heine ist uns von
Gutzkow f) überliefert, den Immermann 1838 in Hamburg besuchte. Sie
lautet: ".....ist ein drolliger Kauz, aber ein heilloser Flunkerer, dem
man nichts glauben kann, und dessen neuere Sachen ich nicht mehr gelesen
habe." Bei aller gegenseitigen Wertschätzung ff) sind die beiden Dichter
einander nicht gerecht geworden. Immermann hat den Kern Heines nicht
erkannt, und ebenso wenig vermochte Heine in Immermanns Seele zu schauen,
wie eine Äußerung deutlich beweist, die er 1843 im Gespräch mit Hebbel über
den Tod seines langjährigen literarischen Bundesgenossen und dessen Ursachen tat.

An Campe fesselten Heine nur äußere Bande. Noch mehrfach kam es
zwischen ihnen zu Streitigkeiten, da der Verleger, obwohl er wußte, was er
an Heine besaß, es auch mit dessen Gegnern nicht verderben wollte und daher,
wo es darauf ankam, nicht Farbe zu bekennen wagte. Hebbel berichtet,
Heine habe Campe die eine gute Eigenschaft nachgerühmt, daß man bei ihm
ganz sicher wäre, er würde sich nicht aus Großmut ruinieren.









") 1839 Ur. 75 f.
Vgl. Daffis II, S. 138.
Vgl. meine Ausg. Kor Immermanns Werken V. S. 9.
1) Telegraph 1840. Ur. 163 f. -- Vermischte Schriften III.
Es scheint mir erwähnenswert, daß Immermann daran dachte, Heines "Almansor"
bearbeitet auf seiner Düsseldorfer Musterbühne zur Aufführung zu bringen. Der vorzeitige
Zusammenbruch des Unternehmens vereitelte den Plan.
Grenzboten II 191256
Heinrich Heine

Durch Heines offenen Brief hatte aber auch Gutzkow sich verletzt gefühlt
und griff ihn nun im Telegraphen*) scharf an; hier erschien serner ein Jahr
später seine ebenfalls gegen Heine gerichtete scharf ablehnende Vorrede zu „Bornes
Leben". Campe hatte sein Heine gegebenes Versprechen, in einer bei ihm ver¬
legten Zeitschrift Angriffe gegen ihn nicht zuzulassen, nicht erfüllt, und dieser
mußte des Verlegers unglaubhafte Ausrede, er habe das Manuskript nicht vor
dem Druck gelesen, hinnehmen.**)

Der schon 1840 eingetretene Tod Jmmermmms bereitete dessen Korre¬
spondenz mit Campe, die zuletzt recht unerfreulich geworden war,***) ein Ende.
Die letzte Äußerung des „Münchhausen"-Dichters über Heine ist uns von
Gutzkow f) überliefert, den Immermann 1838 in Hamburg besuchte. Sie
lautet: „.....ist ein drolliger Kauz, aber ein heilloser Flunkerer, dem
man nichts glauben kann, und dessen neuere Sachen ich nicht mehr gelesen
habe." Bei aller gegenseitigen Wertschätzung ff) sind die beiden Dichter
einander nicht gerecht geworden. Immermann hat den Kern Heines nicht
erkannt, und ebenso wenig vermochte Heine in Immermanns Seele zu schauen,
wie eine Äußerung deutlich beweist, die er 1843 im Gespräch mit Hebbel über
den Tod seines langjährigen literarischen Bundesgenossen und dessen Ursachen tat.

An Campe fesselten Heine nur äußere Bande. Noch mehrfach kam es
zwischen ihnen zu Streitigkeiten, da der Verleger, obwohl er wußte, was er
an Heine besaß, es auch mit dessen Gegnern nicht verderben wollte und daher,
wo es darauf ankam, nicht Farbe zu bekennen wagte. Hebbel berichtet,
Heine habe Campe die eine gute Eigenschaft nachgerühmt, daß man bei ihm
ganz sicher wäre, er würde sich nicht aus Großmut ruinieren.









") 1839 Ur. 75 f.
Vgl. Daffis II, S. 138.
Vgl. meine Ausg. Kor Immermanns Werken V. S. 9.
1) Telegraph 1840. Ur. 163 f. — Vermischte Schriften III.
Es scheint mir erwähnenswert, daß Immermann daran dachte, Heines „Almansor"
bearbeitet auf seiner Düsseldorfer Musterbühne zur Aufführung zu bringen. Der vorzeitige
Zusammenbruch des Unternehmens vereitelte den Plan.
Grenzboten II 191256
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[0449] Heinrich Heine Durch Heines offenen Brief hatte aber auch Gutzkow sich verletzt gefühlt und griff ihn nun im Telegraphen*) scharf an; hier erschien serner ein Jahr später seine ebenfalls gegen Heine gerichtete scharf ablehnende Vorrede zu „Bornes Leben". Campe hatte sein Heine gegebenes Versprechen, in einer bei ihm ver¬ legten Zeitschrift Angriffe gegen ihn nicht zuzulassen, nicht erfüllt, und dieser mußte des Verlegers unglaubhafte Ausrede, er habe das Manuskript nicht vor dem Druck gelesen, hinnehmen.**) Der schon 1840 eingetretene Tod Jmmermmms bereitete dessen Korre¬ spondenz mit Campe, die zuletzt recht unerfreulich geworden war,***) ein Ende. Die letzte Äußerung des „Münchhausen"-Dichters über Heine ist uns von Gutzkow f) überliefert, den Immermann 1838 in Hamburg besuchte. Sie lautet: „.....ist ein drolliger Kauz, aber ein heilloser Flunkerer, dem man nichts glauben kann, und dessen neuere Sachen ich nicht mehr gelesen habe." Bei aller gegenseitigen Wertschätzung ff) sind die beiden Dichter einander nicht gerecht geworden. Immermann hat den Kern Heines nicht erkannt, und ebenso wenig vermochte Heine in Immermanns Seele zu schauen, wie eine Äußerung deutlich beweist, die er 1843 im Gespräch mit Hebbel über den Tod seines langjährigen literarischen Bundesgenossen und dessen Ursachen tat. An Campe fesselten Heine nur äußere Bande. Noch mehrfach kam es zwischen ihnen zu Streitigkeiten, da der Verleger, obwohl er wußte, was er an Heine besaß, es auch mit dessen Gegnern nicht verderben wollte und daher, wo es darauf ankam, nicht Farbe zu bekennen wagte. Hebbel berichtet, Heine habe Campe die eine gute Eigenschaft nachgerühmt, daß man bei ihm ganz sicher wäre, er würde sich nicht aus Großmut ruinieren. ") 1839 Ur. 75 f. Vgl. Daffis II, S. 138. Vgl. meine Ausg. Kor Immermanns Werken V. S. 9. 1) Telegraph 1840. Ur. 163 f. — Vermischte Schriften III. Es scheint mir erwähnenswert, daß Immermann daran dachte, Heines „Almansor" bearbeitet auf seiner Düsseldorfer Musterbühne zur Aufführung zu bringen. Der vorzeitige Zusammenbruch des Unternehmens vereitelte den Plan. Grenzboten II 191256

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/449>, abgerufen am 22.07.2024.