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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Heinrich Heine

Ich danke diese Stellung der Inäi8crötion Heines, der ihn mir zuführte.
Eine zahllose Maße von Klatschereien braute er mir zusammen. Heine über¬
warf sich mit ihm, u. verlangte H. von mir: ich sollte ihm, wie er sich aus¬
drückte, einen Tritt in den A. geben u. vor die Thüre werfen. Damals theilte
ich aus Mangel näherer Kunde H.'s Ansicht nicht, ich vertheidigte ihn gegen
seine Beschuldigungen*). Nach u. nach erhielt ich eine andere Ansicht^); im
Unmuth schrieb ich an Heine, was ich von ihm empfunden u. was ich urtheilte.
Heine ließ meinen Brief in der eleg. Zeitung**") abdrucken, allerdings wol in
der Absicht: mich mit G. u. seinem......f), der die Agenda nachtragen
muß u. nachträgt, zu entzweien. Diesen Zweck erreichte er nur halb, nur in
soweit, wie es W. betrifft, der den geringsten Grad von Achtung bei mir genoß.
Bei G. hatte ich mir die Selbsthülfe zu verschaffen gesucht, u. mehr als ein
Dutzend Mal war das geschehen, dem Manne, der sich nach jüdischer Weise in
alles eindrängte: einen Maulkorb anzulegen, damit er schweigen lernte, wenn
er etwas, das zwischen uns auf dem Tapete war, gehört oder gesehen hatte.
Ihn selbst schonte ich nicht, sondern zu Zeiten laß ich ihm die Leviten.

Wie ich über ihn dachte, war ihm u. G. keine neue Zeitung; allein er
war durch den Abdruck auf das tödtlichste verletzt, eben weil ich den Nagel auf
den Kopf getroffen hatte ff).

Er, der bei mir nichts galt, der mir -- geworden war, wollte den Be¬
leidigten, den Gekränkten spielen; machte wol gar die Ansprüche, ich sollte ihm
nachlaufen; er, der zwei Bücher bezahlt erhalten, aber noch nicht geliefert hatte
u. heute noch nicht geliefert hat. Der kannte mich vortrefflich! Genug, er hat
es durch seine Eitelkeit u. seinen Dünkel dahin gebracht, daß er mir eckelhaft
geworden ist u. bleiben wird. Heine that sehr Unrecht; doch wo ich zwischen
Heine ^u.^ W. zu wählen habe, weiß ich. was ich zu thun habe, so gut wie
der Wechsler, der zwischen Gold u. Blei, es stets mit dein Golde hält."

Heine hat Wihl zweifellos richtig beurteilt. Wenigstens machte Gutzkow,
der eine Zeitlang intim mit Wihl verkehrt hatte, und jetzt energisch für ihn
eintrat, später dieselben Erfahrungen mit ihm. Er atmete auf, als er ihn los
wurde, und bekannte in einem Briefe: "Mit Wihl ist mir der Verkehr zur Last
geworden. Was bindet ihn an uns? Liebe, Freundschaft? Nicht ein Funke
davon. Nur sagen will er können, daß er unser Vertrauter ist." Auch in
diesem Falle machte der Ente sich durch seine Bekanntschaft mit dem angesehenen
Schriftsteller wichtig und stellte Behauptungen über ihn auf, die völlig aus der
Luft gegriffen warenfff).








") Vgl. Daffis II, S. 121.
*") Ebenda S. 126.
"*") Zeitung für die elegante Welt, Ur. 75, 8S,
f) Nicht lesbar.
Vgl. Wihls Gegenerklärung in der Zeitung für die elegante Welt (1839 Ur. 102)
und Heines Parodie derselben ebenda.
1"!"!-) Vgl. Houben, a. a. O. S. 364.
Heinrich Heine

Ich danke diese Stellung der Inäi8crötion Heines, der ihn mir zuführte.
Eine zahllose Maße von Klatschereien braute er mir zusammen. Heine über¬
warf sich mit ihm, u. verlangte H. von mir: ich sollte ihm, wie er sich aus¬
drückte, einen Tritt in den A. geben u. vor die Thüre werfen. Damals theilte
ich aus Mangel näherer Kunde H.'s Ansicht nicht, ich vertheidigte ihn gegen
seine Beschuldigungen*). Nach u. nach erhielt ich eine andere Ansicht^); im
Unmuth schrieb ich an Heine, was ich von ihm empfunden u. was ich urtheilte.
Heine ließ meinen Brief in der eleg. Zeitung**") abdrucken, allerdings wol in
der Absicht: mich mit G. u. seinem......f), der die Agenda nachtragen
muß u. nachträgt, zu entzweien. Diesen Zweck erreichte er nur halb, nur in
soweit, wie es W. betrifft, der den geringsten Grad von Achtung bei mir genoß.
Bei G. hatte ich mir die Selbsthülfe zu verschaffen gesucht, u. mehr als ein
Dutzend Mal war das geschehen, dem Manne, der sich nach jüdischer Weise in
alles eindrängte: einen Maulkorb anzulegen, damit er schweigen lernte, wenn
er etwas, das zwischen uns auf dem Tapete war, gehört oder gesehen hatte.
Ihn selbst schonte ich nicht, sondern zu Zeiten laß ich ihm die Leviten.

Wie ich über ihn dachte, war ihm u. G. keine neue Zeitung; allein er
war durch den Abdruck auf das tödtlichste verletzt, eben weil ich den Nagel auf
den Kopf getroffen hatte ff).

Er, der bei mir nichts galt, der mir — geworden war, wollte den Be¬
leidigten, den Gekränkten spielen; machte wol gar die Ansprüche, ich sollte ihm
nachlaufen; er, der zwei Bücher bezahlt erhalten, aber noch nicht geliefert hatte
u. heute noch nicht geliefert hat. Der kannte mich vortrefflich! Genug, er hat
es durch seine Eitelkeit u. seinen Dünkel dahin gebracht, daß er mir eckelhaft
geworden ist u. bleiben wird. Heine that sehr Unrecht; doch wo ich zwischen
Heine ^u.^ W. zu wählen habe, weiß ich. was ich zu thun habe, so gut wie
der Wechsler, der zwischen Gold u. Blei, es stets mit dein Golde hält."

Heine hat Wihl zweifellos richtig beurteilt. Wenigstens machte Gutzkow,
der eine Zeitlang intim mit Wihl verkehrt hatte, und jetzt energisch für ihn
eintrat, später dieselben Erfahrungen mit ihm. Er atmete auf, als er ihn los
wurde, und bekannte in einem Briefe: „Mit Wihl ist mir der Verkehr zur Last
geworden. Was bindet ihn an uns? Liebe, Freundschaft? Nicht ein Funke
davon. Nur sagen will er können, daß er unser Vertrauter ist." Auch in
diesem Falle machte der Ente sich durch seine Bekanntschaft mit dem angesehenen
Schriftsteller wichtig und stellte Behauptungen über ihn auf, die völlig aus der
Luft gegriffen warenfff).








«) Vgl. Daffis II, S. 121.
*») Ebenda S. 126.
"*") Zeitung für die elegante Welt, Ur. 75, 8S,
f) Nicht lesbar.
Vgl. Wihls Gegenerklärung in der Zeitung für die elegante Welt (1839 Ur. 102)
und Heines Parodie derselben ebenda.
1"!"!-) Vgl. Houben, a. a. O. S. 364.
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[0448] Heinrich Heine Ich danke diese Stellung der Inäi8crötion Heines, der ihn mir zuführte. Eine zahllose Maße von Klatschereien braute er mir zusammen. Heine über¬ warf sich mit ihm, u. verlangte H. von mir: ich sollte ihm, wie er sich aus¬ drückte, einen Tritt in den A. geben u. vor die Thüre werfen. Damals theilte ich aus Mangel näherer Kunde H.'s Ansicht nicht, ich vertheidigte ihn gegen seine Beschuldigungen*). Nach u. nach erhielt ich eine andere Ansicht^); im Unmuth schrieb ich an Heine, was ich von ihm empfunden u. was ich urtheilte. Heine ließ meinen Brief in der eleg. Zeitung**") abdrucken, allerdings wol in der Absicht: mich mit G. u. seinem......f), der die Agenda nachtragen muß u. nachträgt, zu entzweien. Diesen Zweck erreichte er nur halb, nur in soweit, wie es W. betrifft, der den geringsten Grad von Achtung bei mir genoß. Bei G. hatte ich mir die Selbsthülfe zu verschaffen gesucht, u. mehr als ein Dutzend Mal war das geschehen, dem Manne, der sich nach jüdischer Weise in alles eindrängte: einen Maulkorb anzulegen, damit er schweigen lernte, wenn er etwas, das zwischen uns auf dem Tapete war, gehört oder gesehen hatte. Ihn selbst schonte ich nicht, sondern zu Zeiten laß ich ihm die Leviten. Wie ich über ihn dachte, war ihm u. G. keine neue Zeitung; allein er war durch den Abdruck auf das tödtlichste verletzt, eben weil ich den Nagel auf den Kopf getroffen hatte ff). Er, der bei mir nichts galt, der mir — geworden war, wollte den Be¬ leidigten, den Gekränkten spielen; machte wol gar die Ansprüche, ich sollte ihm nachlaufen; er, der zwei Bücher bezahlt erhalten, aber noch nicht geliefert hatte u. heute noch nicht geliefert hat. Der kannte mich vortrefflich! Genug, er hat es durch seine Eitelkeit u. seinen Dünkel dahin gebracht, daß er mir eckelhaft geworden ist u. bleiben wird. Heine that sehr Unrecht; doch wo ich zwischen Heine ^u.^ W. zu wählen habe, weiß ich. was ich zu thun habe, so gut wie der Wechsler, der zwischen Gold u. Blei, es stets mit dein Golde hält." Heine hat Wihl zweifellos richtig beurteilt. Wenigstens machte Gutzkow, der eine Zeitlang intim mit Wihl verkehrt hatte, und jetzt energisch für ihn eintrat, später dieselben Erfahrungen mit ihm. Er atmete auf, als er ihn los wurde, und bekannte in einem Briefe: „Mit Wihl ist mir der Verkehr zur Last geworden. Was bindet ihn an uns? Liebe, Freundschaft? Nicht ein Funke davon. Nur sagen will er können, daß er unser Vertrauter ist." Auch in diesem Falle machte der Ente sich durch seine Bekanntschaft mit dem angesehenen Schriftsteller wichtig und stellte Behauptungen über ihn auf, die völlig aus der Luft gegriffen warenfff). «) Vgl. Daffis II, S. 121. *») Ebenda S. 126. "*") Zeitung für die elegante Welt, Ur. 75, 8S, f) Nicht lesbar. Vgl. Wihls Gegenerklärung in der Zeitung für die elegante Welt (1839 Ur. 102) und Heines Parodie derselben ebenda. 1"!"!-) Vgl. Houben, a. a. O. S. 364.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/448>, abgerufen am 23.07.2024.