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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Die Schicksalsstunde der deutschen Landwirtschaft

keine Menschenweisheit aufhalten, wenn erst die Wurzeln, die untersten Stände
des Volkes, verdorrt sind. Der unterste Stand aber ist der des besitzlosen
arbeitenden Volkes auf dem Lande.

Sind aber die Wurzeln des deutschen Volkes auf dem Lande unserer
Ostmark vertrocknet, so muß das fremde Volk bleiben, das wir jetzt immer noch
mit einem Weihnachtsurlaub aus dem Lande schicken. Was dann folgt, ist
unschwer vorauszusagen: in unsere Schulen werden neben unseren eigenen
Kindern fremdsprachige einziehen, Kinder, deren Eltern als Ruthenen in Galizien
oder in Rußland geboren sind, Kinder, denen die deutsche Sprache in der Schule
erst beigebracht werden muß. Das verschlechtert die Schule zuungunsten der
deutschen Kinder, die nun das alte Ziel nicht mehr erreichen. Es ruiniert die
Schule, wenn sie mit so ungleichartigen Material arbeiten soll, und wenn sie
aus einem Erziehungsinstrument zu einem politischen Instrument gemacht wird.
Weiter werden wir neben unserem deutschen Heeresersatz fremdsprachige Rekruten
in erdrückender Zahl erscheinen sehen. Das vertreibt aus dem Heere den Geist
der gemeinsamen Vaterlandsliebe, der ein Heer besser zusammenhält als alle
Disziplin, das landsmannschaftliche Gefühl des gemeinsamen Blutes; in unsere
Reihen tritt ein unversöhnbar feindliches Volk ein. Zwar 1870 haben sich die
preußischen Polen noch gut und willig geschlagen. Aber es war ein kurzer
Krieg und ein siegreicher Krieg. Außerdem haben sich die Zeiten seitdem
geändert. Heute verlangt jeder kleine Volkssplitter eigene Schulen, eigene Gerichte,
eigene Kultur und einen eigenen Staat. Das-Zeitalter der nationaldemokratischen
Kultur ist angebrochen. Da bedeutet ein wachsendes Fremdvolk in unserem
Heere nur, daß wir die Rekruten und Unteroffiziere einer feindlichen Armee
einüben.

Ferner werden wir bei allen Wahlen in der Gemeinde, in den Kranken¬
kassen, im Staat und im Reich, neben den deutschen Wählern fremdsprachige
Wähler erscheinen sehen. Das wird unsere innere Politik vergiften und mit
Sprengstoffen für die Zukunft laden. Indem sie den Fremden ein Joch auf¬
erlegen will, wird die große deutsche Nation neun Zehntel dieses Gewichtes
selber tragen müssen und wird sich daran wund scheuern, bis sie es voll
Wut abwirft.

Endlich müssen wir uns darüber klar werden, daß die sozialdemokratische
Bewegung nichts anderes ist als die notwendige Begleitmusik der Zusammen¬
drängung besitzloser Massen in den Großstädten. Ein wenig ruhiger, ein wenig
wilder, das ist ziemlich gleichgültig; aufhören wird diese Musik, solange ihre
Ursache dauert, nie. Daraus folgt, daß es keine andere wirkliche Bekämpfung
der Sozialdemokratie gibt als die, daß man einem möglichst großen Teile des
Volkes den Weg zum kleinen Eigentum, dem eigenen Haus und der eigenen
Viehwirtschaft frei macht. Das ist aber in voller Breite nur möglich auf dem
Lande. Der Sozialdemokrat sagt: der Arbeiter muß los vom Boden, damit
er zu uns komme. Darum müssen wir sagen: hin zur Erde soll der deutsche


Die Schicksalsstunde der deutschen Landwirtschaft

keine Menschenweisheit aufhalten, wenn erst die Wurzeln, die untersten Stände
des Volkes, verdorrt sind. Der unterste Stand aber ist der des besitzlosen
arbeitenden Volkes auf dem Lande.

Sind aber die Wurzeln des deutschen Volkes auf dem Lande unserer
Ostmark vertrocknet, so muß das fremde Volk bleiben, das wir jetzt immer noch
mit einem Weihnachtsurlaub aus dem Lande schicken. Was dann folgt, ist
unschwer vorauszusagen: in unsere Schulen werden neben unseren eigenen
Kindern fremdsprachige einziehen, Kinder, deren Eltern als Ruthenen in Galizien
oder in Rußland geboren sind, Kinder, denen die deutsche Sprache in der Schule
erst beigebracht werden muß. Das verschlechtert die Schule zuungunsten der
deutschen Kinder, die nun das alte Ziel nicht mehr erreichen. Es ruiniert die
Schule, wenn sie mit so ungleichartigen Material arbeiten soll, und wenn sie
aus einem Erziehungsinstrument zu einem politischen Instrument gemacht wird.
Weiter werden wir neben unserem deutschen Heeresersatz fremdsprachige Rekruten
in erdrückender Zahl erscheinen sehen. Das vertreibt aus dem Heere den Geist
der gemeinsamen Vaterlandsliebe, der ein Heer besser zusammenhält als alle
Disziplin, das landsmannschaftliche Gefühl des gemeinsamen Blutes; in unsere
Reihen tritt ein unversöhnbar feindliches Volk ein. Zwar 1870 haben sich die
preußischen Polen noch gut und willig geschlagen. Aber es war ein kurzer
Krieg und ein siegreicher Krieg. Außerdem haben sich die Zeiten seitdem
geändert. Heute verlangt jeder kleine Volkssplitter eigene Schulen, eigene Gerichte,
eigene Kultur und einen eigenen Staat. Das-Zeitalter der nationaldemokratischen
Kultur ist angebrochen. Da bedeutet ein wachsendes Fremdvolk in unserem
Heere nur, daß wir die Rekruten und Unteroffiziere einer feindlichen Armee
einüben.

Ferner werden wir bei allen Wahlen in der Gemeinde, in den Kranken¬
kassen, im Staat und im Reich, neben den deutschen Wählern fremdsprachige
Wähler erscheinen sehen. Das wird unsere innere Politik vergiften und mit
Sprengstoffen für die Zukunft laden. Indem sie den Fremden ein Joch auf¬
erlegen will, wird die große deutsche Nation neun Zehntel dieses Gewichtes
selber tragen müssen und wird sich daran wund scheuern, bis sie es voll
Wut abwirft.

Endlich müssen wir uns darüber klar werden, daß die sozialdemokratische
Bewegung nichts anderes ist als die notwendige Begleitmusik der Zusammen¬
drängung besitzloser Massen in den Großstädten. Ein wenig ruhiger, ein wenig
wilder, das ist ziemlich gleichgültig; aufhören wird diese Musik, solange ihre
Ursache dauert, nie. Daraus folgt, daß es keine andere wirkliche Bekämpfung
der Sozialdemokratie gibt als die, daß man einem möglichst großen Teile des
Volkes den Weg zum kleinen Eigentum, dem eigenen Haus und der eigenen
Viehwirtschaft frei macht. Das ist aber in voller Breite nur möglich auf dem
Lande. Der Sozialdemokrat sagt: der Arbeiter muß los vom Boden, damit
er zu uns komme. Darum müssen wir sagen: hin zur Erde soll der deutsche


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[0422] Die Schicksalsstunde der deutschen Landwirtschaft keine Menschenweisheit aufhalten, wenn erst die Wurzeln, die untersten Stände des Volkes, verdorrt sind. Der unterste Stand aber ist der des besitzlosen arbeitenden Volkes auf dem Lande. Sind aber die Wurzeln des deutschen Volkes auf dem Lande unserer Ostmark vertrocknet, so muß das fremde Volk bleiben, das wir jetzt immer noch mit einem Weihnachtsurlaub aus dem Lande schicken. Was dann folgt, ist unschwer vorauszusagen: in unsere Schulen werden neben unseren eigenen Kindern fremdsprachige einziehen, Kinder, deren Eltern als Ruthenen in Galizien oder in Rußland geboren sind, Kinder, denen die deutsche Sprache in der Schule erst beigebracht werden muß. Das verschlechtert die Schule zuungunsten der deutschen Kinder, die nun das alte Ziel nicht mehr erreichen. Es ruiniert die Schule, wenn sie mit so ungleichartigen Material arbeiten soll, und wenn sie aus einem Erziehungsinstrument zu einem politischen Instrument gemacht wird. Weiter werden wir neben unserem deutschen Heeresersatz fremdsprachige Rekruten in erdrückender Zahl erscheinen sehen. Das vertreibt aus dem Heere den Geist der gemeinsamen Vaterlandsliebe, der ein Heer besser zusammenhält als alle Disziplin, das landsmannschaftliche Gefühl des gemeinsamen Blutes; in unsere Reihen tritt ein unversöhnbar feindliches Volk ein. Zwar 1870 haben sich die preußischen Polen noch gut und willig geschlagen. Aber es war ein kurzer Krieg und ein siegreicher Krieg. Außerdem haben sich die Zeiten seitdem geändert. Heute verlangt jeder kleine Volkssplitter eigene Schulen, eigene Gerichte, eigene Kultur und einen eigenen Staat. Das-Zeitalter der nationaldemokratischen Kultur ist angebrochen. Da bedeutet ein wachsendes Fremdvolk in unserem Heere nur, daß wir die Rekruten und Unteroffiziere einer feindlichen Armee einüben. Ferner werden wir bei allen Wahlen in der Gemeinde, in den Kranken¬ kassen, im Staat und im Reich, neben den deutschen Wählern fremdsprachige Wähler erscheinen sehen. Das wird unsere innere Politik vergiften und mit Sprengstoffen für die Zukunft laden. Indem sie den Fremden ein Joch auf¬ erlegen will, wird die große deutsche Nation neun Zehntel dieses Gewichtes selber tragen müssen und wird sich daran wund scheuern, bis sie es voll Wut abwirft. Endlich müssen wir uns darüber klar werden, daß die sozialdemokratische Bewegung nichts anderes ist als die notwendige Begleitmusik der Zusammen¬ drängung besitzloser Massen in den Großstädten. Ein wenig ruhiger, ein wenig wilder, das ist ziemlich gleichgültig; aufhören wird diese Musik, solange ihre Ursache dauert, nie. Daraus folgt, daß es keine andere wirkliche Bekämpfung der Sozialdemokratie gibt als die, daß man einem möglichst großen Teile des Volkes den Weg zum kleinen Eigentum, dem eigenen Haus und der eigenen Viehwirtschaft frei macht. Das ist aber in voller Breite nur möglich auf dem Lande. Der Sozialdemokrat sagt: der Arbeiter muß los vom Boden, damit er zu uns komme. Darum müssen wir sagen: hin zur Erde soll der deutsche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/422>, abgerufen am 03.07.2024.