Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.Von alten Liedern sagen "geplätteten" Volkslied ist nur noch blutwenig von seinem eigentlichen Schon im fünfzehnten Jahrhundert wurde an diesem Volksschatz "ver¬ Von des Hyinmols Freuden. [Beginn Spaltensatz]
Ich weis; ein lieplich engelspil,da ist als leid zergangen, In hymelreich ist fröden vit ohn endes zik, da hin sol uns verlangen. Ob uns Gott durch die gnade sin woll lieblich dahin wisen, Nun stand auf, edle Seele min, Ker Dich dahin, sin lob solt immer Prisen. Der Winter kalt, der funden zit, die Hand nun bald ein ende, Ker Dich ze got, der dir vergit Dar umb in bitt Mit herzen und mit heute. [Spaltenumbruch] Ich weiß, daz got ist also guet, sin grad will er dir geben, Kersen von funden deinen mut Wer also tut, der kund in ewig leben. In himelschlicher Heide grün sin da die engel warten: Wenn sich got dir mit dir verhült, so bist gar tun und schow got den vit zarten. Da zieht got ab der heute sin ein vingerli von golde. "So edli seel, daz spe din,^ von ich dir bin in ewigkeit gar holde." [Ende Spaltensatz] Alte, alde zur guten Nacht, von dir will ich nit scheiden. Dies rieb*) han ich dir le gemacht und auch erdacht, In Wurm und allen frontem. Diese beiden schlichten Lieder stehen in großem Gegensatz zu den von ihm oder: *) Reihen, Lied.
Von alten Liedern sagen „geplätteten" Volkslied ist nur noch blutwenig von seinem eigentlichen Schon im fünfzehnten Jahrhundert wurde an diesem Volksschatz „ver¬ Von des Hyinmols Freuden. [Beginn Spaltensatz]
Ich weis; ein lieplich engelspil,da ist als leid zergangen, In hymelreich ist fröden vit ohn endes zik, da hin sol uns verlangen. Ob uns Gott durch die gnade sin woll lieblich dahin wisen, Nun stand auf, edle Seele min, Ker Dich dahin, sin lob solt immer Prisen. Der Winter kalt, der funden zit, die Hand nun bald ein ende, Ker Dich ze got, der dir vergit Dar umb in bitt Mit herzen und mit heute. [Spaltenumbruch] Ich weiß, daz got ist also guet, sin grad will er dir geben, Kersen von funden deinen mut Wer also tut, der kund in ewig leben. In himelschlicher Heide grün sin da die engel warten: Wenn sich got dir mit dir verhült, so bist gar tun und schow got den vit zarten. Da zieht got ab der heute sin ein vingerli von golde. „So edli seel, daz spe din,^ von ich dir bin in ewigkeit gar holde." [Ende Spaltensatz] Alte, alde zur guten Nacht, von dir will ich nit scheiden. Dies rieb*) han ich dir le gemacht und auch erdacht, In Wurm und allen frontem. Diese beiden schlichten Lieder stehen in großem Gegensatz zu den von ihm oder: *) Reihen, Lied.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0040" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321123"/> <fw type="header" place="top"> Von alten Liedern</fw><lb/> <p xml:id="ID_100" prev="#ID_99"> sagen „geplätteten" Volkslied ist nur noch blutwenig von seinem eigentlichen<lb/> Wesen. Es sind im besten Fall „Übersetzungen", also Notbehelfe. Unser altes<lb/> Deutsch ist so schlicht und schön, daß es nichts schadet, wenn wir wieder etwas<lb/> vertrauter mit ihm werden. Es hat seinen eigenen Rhythmus und seine eigenen<lb/> Regeln, und im Munde dieser einfachen Sänger wird es zu einer Sprache voll<lb/> Beredsamkeit und Kraft, die durch Veränderungen nur verlieren kann. Selbst<lb/> seine Derbheit verletzt nicht, sie gehört dazu, es ist etwas Kindliches in ihr,<lb/> wie Kinder derb sein können, „in aller Unschuld".</p><lb/> <p xml:id="ID_101"> Schon im fünfzehnten Jahrhundert wurde an diesem Volksschatz „ver¬<lb/> bessernde" Hand angelegt von Mönchen und Gelehrten. Der Dechant Heinrich<lb/> v. Laufenberg zu Freiburg im Breisgau hat viele solcher Umdichtungen hinter¬<lb/> lassen. Glücklicherweise sah er seine eigenen Dichtungen nicht alle für schöner<lb/> an als die Alten. Zwei der schönsten, die etwa hundert Jahre vor ihm ent¬<lb/> standen sind, hat er unverändert in seine Sammlung aufgenommen. „Ich<lb/> wolt daz ich do Heime wer" und das wunderschöne „Ich weiß ein lieplich<lb/> engelspiel".</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_2" type="poem"> <head> Von des Hyinmols Freuden.</head> <l><cb type="start"/> Ich weis; ein lieplich engelspil,<lb/> da ist als leid zergangen,<lb/> In hymelreich ist fröden vit<lb/> ohn endes zik,<lb/> da hin sol uns verlangen. Ob uns Gott durch die gnade sin<lb/> woll lieblich dahin wisen,<lb/> Nun stand auf, edle Seele min,<lb/> Ker Dich dahin,<lb/> sin lob solt immer Prisen. Der Winter kalt, der funden zit,<lb/> die Hand nun bald ein ende,<lb/> Ker Dich ze got, der dir vergit<lb/> Dar umb in bitt<lb/> Mit herzen und mit heute. <cb/> Ich weiß, daz got ist also guet,<lb/> sin grad will er dir geben,<lb/> Kersen von funden deinen mut<lb/> Wer also tut,<lb/> der kund in ewig leben. In himelschlicher Heide grün<lb/> sin da die engel warten:<lb/> Wenn sich got dir mit dir verhült,<lb/> so bist gar tun<lb/> und schow got den vit zarten. Da zieht got ab der heute sin<lb/> ein vingerli von golde.<lb/> „So edli seel, daz spe din,^<lb/> von ich dir bin<lb/> in ewigkeit gar holde." <cb type="end"/> Alte, alde zur guten Nacht,<lb/> von dir will ich nit scheiden.<lb/> Dies rieb*) han ich dir le gemacht<lb/> und auch erdacht,<lb/> In Wurm und allen frontem. </l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_102"> Diese beiden schlichten Lieder stehen in großem Gegensatz zu den von ihm<lb/> umgedichteten Texten und zu seinen eigenen Dichtungen. Seine Marienlieder, wie:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_3" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_103" next="#ID_104"> oder:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_4" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <note xml:id="FID_6" place="foot"> *) Reihen, Lied.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
Von alten Liedern
sagen „geplätteten" Volkslied ist nur noch blutwenig von seinem eigentlichen
Wesen. Es sind im besten Fall „Übersetzungen", also Notbehelfe. Unser altes
Deutsch ist so schlicht und schön, daß es nichts schadet, wenn wir wieder etwas
vertrauter mit ihm werden. Es hat seinen eigenen Rhythmus und seine eigenen
Regeln, und im Munde dieser einfachen Sänger wird es zu einer Sprache voll
Beredsamkeit und Kraft, die durch Veränderungen nur verlieren kann. Selbst
seine Derbheit verletzt nicht, sie gehört dazu, es ist etwas Kindliches in ihr,
wie Kinder derb sein können, „in aller Unschuld".
Schon im fünfzehnten Jahrhundert wurde an diesem Volksschatz „ver¬
bessernde" Hand angelegt von Mönchen und Gelehrten. Der Dechant Heinrich
v. Laufenberg zu Freiburg im Breisgau hat viele solcher Umdichtungen hinter¬
lassen. Glücklicherweise sah er seine eigenen Dichtungen nicht alle für schöner
an als die Alten. Zwei der schönsten, die etwa hundert Jahre vor ihm ent¬
standen sind, hat er unverändert in seine Sammlung aufgenommen. „Ich
wolt daz ich do Heime wer" und das wunderschöne „Ich weiß ein lieplich
engelspiel".
Von des Hyinmols Freuden.
Ich weis; ein lieplich engelspil,
da ist als leid zergangen,
In hymelreich ist fröden vit
ohn endes zik,
da hin sol uns verlangen. Ob uns Gott durch die gnade sin
woll lieblich dahin wisen,
Nun stand auf, edle Seele min,
Ker Dich dahin,
sin lob solt immer Prisen. Der Winter kalt, der funden zit,
die Hand nun bald ein ende,
Ker Dich ze got, der dir vergit
Dar umb in bitt
Mit herzen und mit heute.
Ich weiß, daz got ist also guet,
sin grad will er dir geben,
Kersen von funden deinen mut
Wer also tut,
der kund in ewig leben. In himelschlicher Heide grün
sin da die engel warten:
Wenn sich got dir mit dir verhült,
so bist gar tun
und schow got den vit zarten. Da zieht got ab der heute sin
ein vingerli von golde.
„So edli seel, daz spe din,^
von ich dir bin
in ewigkeit gar holde."
Alte, alde zur guten Nacht,
von dir will ich nit scheiden.
Dies rieb*) han ich dir le gemacht
und auch erdacht,
In Wurm und allen frontem.
Diese beiden schlichten Lieder stehen in großem Gegensatz zu den von ihm
umgedichteten Texten und zu seinen eigenen Dichtungen. Seine Marienlieder, wie:
oder:
*) Reihen, Lied.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |